Klaus Florian Vogt in der Deutschen Oper: Es könnte alles ganz anders sein
Ein piefiger Abend: Wagner-Tenor Klaus Florian Vogt versucht sich in der Deutschen Oper vergeblich an der Operette.
Kann das funktionieren? Klaus Florian Vogt, der holde Wagner-Recke, verlässt sein angestammtes Territorium, seine Kernkunstkompetenz, und gibt einmal nicht den Grals- oder Schwanenritter, den Wälsungensohn oder Meistersingerbewerber. Stattdessen will er im spritzigen Fach reüssieren, sprich: in der Operette. Die wurde bekanntlich zur Krücke des deutschen Nachkriegseskapismus und gezwungen, unter Austreibung aller subversiven Elemente als Folie heiler Heimatwelt-Sehnsucht herzuhalten.
Barrie Kosky versucht an der Komischen Oper seit Jahren eine Rehabilitation. Und Vogt? Der verschanzt sich bei seinem Konzert an der Deutschen Oper erst einmal hinter mehrfach gestaffelten Barrikaden. Der Tenor lässt dem Orchester mit Michael Boder am Pult den Vortritt. Das muss sich warmspielen, teigige Tempi in Strauß’ Accelerationen-Walzer lassen Schlimmes befürchten: So klingt es also, wenn man sich im Herzen Preußens am Wiener Schmäh versucht?
Silvia Krüger ist gegen diese Klangfluten völlig chancenlos. Ihr am Musical geschulter Sopran geht in Franz Lehárs „Land des Lächelns“ – uraufgeführt 1929 in Berlin – ohne Mikrofon einfach unter. Wendet sie sich direkt ans Publikum, dringen wohl Stimmfetzen ans Ohr, dreht sie sich zur Seite, ist es aus. Dann öffnet und schließt sich nur noch stumm der Mund, so dass man sich allen Ernstes fragt, ob die Sängerin möglicherweise spricht. Und ob sich ihre Anwesenheit auf dieser Bühne doch vor allem der Tatsache verdankt, Vogts Ehefrau zu sein.
Als der schließlich selbst hinzukommt, beiläufig fast im folgenden Duett, weckt die Strahlkraft seines Silbertenors sofort Bayreuth-Assoziationen. Bewundernswert, wie er einzelne Vokale dreht und wendet, sie dunkel einfärbt wie das „o“ in „Grüß mir die Donau“ aus Emmerich Kálmáns „Gräfin Mariza“. Das Problem liegt woanders. Vogt beherrscht genau eine Rolle bis zur Perfektion, die des schlank-juvenilen, makellosen Schwiegersohn-Helden. An Operette geht das aber meilenweit vorbei. Da braucht es ein anderes Ausdrucksspektrum – und viel mehr Temperament.
Kein Raum für Zwischentöne
Das bringt der begnadete, stets zum Granteln neigende Charakterdarsteller Markus Brück als Dritter im Bunde mit. Dass er mit seinem Powerbariton auch die letzten Sitze im Saal erreicht: geschenkt. Dass er aber mit winzigen Zuckungen des Mundwinkels Lachkrämpfe auslösen kann und selbst dann, wenn er sich Engelsflügel umschnallen muss, die Würde nicht verliert – das ist hohe Kunst. Während Brück auf mehreren Ebenen agiert, nicht nur eine Rolle liefert, sondern deren Ironisierung immer gleich mit, bleibt Vogt eindimensional. Er setzt auf Vertrautes, verschmilzt mit seiner Figur, lässt keinen Raum für Zwischentöne, traut sich nur in Spurenelementen mal aufs Hochseil hinaus. So aber kann das nichts werden.
Das Orchester dagegen macht sich bald locker. Es löst alle Taue und fängt an zu fliegen. In der Strauß’schen Tritsch-Tratsch-Polka, vor allem aber in der „Fledermaus“-Ouvertüre mit ihren vertrackten Tempostauungen und -rückungen, die so leicht zerbröseln können wie die Farbe an den Flügeln eines Schmetterlings. Den richtigen Ton, den Geist der Operette, das Es-könnte-alles-ganz-anders-Sein trifft auch Jörg Schörner in seiner gewitzten Moderation. Dabei arbeitet er gegen ein Bühnenbild an, das unerschrocken Sterne, Herzen und Engel bemüht.
Doch weder Brück noch Schörner können’s letztlich retten. Es bleibt ein piefiger Abend. Und das Projekt, die Operette ins 21. Jahrhundert zu holen, wird vertagt.