zum Hauptinhalt
Hinaus in die Welt. Den Auftritt „Art from Berlin“ 2013 auf der Kunstmesse Context in Miami hatte der Landesverband der Berliner Galerien organisiert.
© LVBG

20 Jahre Landesverband Berliner Galeristen: Entdecker, Berater, Sparringspartner

Weit mehr als Handel mit Kunst: Galeristen erfüllen viele Aufgaben und tragen ein hohes Risiko. Nicht jeder ist dabei Spitzenverdiener.

Diese Stadt platzt beinahe vor Erfolgsgeschichten. Olafur Eliasson, Leiko Ikemura, K.H. Hödicke, John Isaacs und seit einigen Jahren die 1977 geborene Jorinde Voigt: All die Künstler, die heute international erfolgreich sind, haben in Berlin angefangen. Ganz klein, aber meist nicht allein. Weit bevor etwa Eliassons schwingender Ventilator 1998 über die Besucher der ersten Berlin Biennale hinwegflog und seine Kunst für alle sichtbar wurde, hatte seine Galerie bereits die Arbeit aufgenommen. Den Künstler in der Akademie kennen gelernt, sich für eine Zusammenarbeit entschieden, erste Ausstellungen in den eigenen Räumen initiiert und Kuratoren auf Eliasson aufmerksam gemacht.

Keiner der Künstler, bei denen Sammler heute leuchtende Augen bekommen, hat seinen Weg einfach so durch die Institutionen genommen. Meist gibt es den Vermittler, den man der Einfachheit halber Galerist nennt, der aber eigentlich viel mehr ist: Entdecker, Coach, künstlerischer Berater, Seelenverwandter, Sparringspartner. Und immer Träger eines hohen finanziellen Risikos. Den „Zehnkämpfer“ des Kunstbetriebs haben ihn vor einiger Zeit zwei Autoren in ihrem Text genannt, der von den Beweggründen junger Kunstvermittler handelte, eine Galerie zu gründen. Obwohl jeder weiß, wie hart der Wind weht; dass seit Jahren eine Konzentration stattfindet, in der einige wenige Global Player immer weiter wachsen und Dependancen in London, New York oder Singapur eröffnen, für die sie immer neue Ware brauchen. Am besten von jungen, aufstrebenden Künstlern, die kleinere Galerien zuvor mit großem Engagement etabliert haben.

Auf rund 200 000 Euro schätzen Experten die Investitionen, die ein Galerist bis zum Durchbruch seines Künstlers tätigen muss - wenn der es schafft. Während letzterer an der Entwicklung seines Werkes arbeitet, lenkt sein Galerist das Interesse auf die neue Position, präsentiert sie in Ausstellungen und gibt Dinner für Sammler Kuratoren und Museumsleute, um Werke privat oder in Institutionen zu platzieren. Spürsinn und starke Nerven waren immer schon notwendiges Kapital für Galeristen als selbstständige Unternehmer. Aber es scheint, als würden sie in jüngster Zeit noch einmal auf eine harte Probe gestellt.

Nicht jeder ist Spitzenverdiener

Rekordergebnisse für zeitgenössische Kunst bei Auktionen, Malerei als Anlagegeschäft, Betrug bei Provisionen und Kunstfälschungen in Millionenhöhe haben am Ruf einer ganzen Branche gekratzt. Es bleibt der Eindruck, die Arbeit der Galerien lasse sich auf einen reinen Handel mit Objekten reduzieren. Und verdient man mit Kunst nicht gerade unglaublich viel Geld? Was soll da die Kritik an der Anhebung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent? Am Beitrag der Galerien zur Künstlersozialversicherung, die bei jedem Verkauf automatisch zu leisten ist. Die Angst vor steigenden Mieten in Berlin oder den zunehmenden Druck, auf internationalen Messen von Basel bis Hongkong präsent zu sein? Schließlich vor dem geplanten Kulturgutschutzgesetz, vor dem man sich auch deshalb fürchtet, weil es ein bürokratisches Monster für die oft zwei- oder dreiköpfigen Galerie-Teams zu werden droht. Bei den Summen, die selbst oder gerade mit zeitgenössischer Kunst umgesetzt werden, wirken diese Ängste wie Jammern auf hohem Niveau.

Die Wirklichkeit sieht anders aus. Bei 400 Galerien in Berlin kann nicht jeder ein Spitzenverdiener sein. Die Basis lebt bescheiden. Eine Umfrage des Instituts für Strategieentwicklung hat für 2009 Umsätze von knapp 50 000 Euro ermittelt - für fast die Hälfte aller hiesigen Galeristen. Seitdem hat keiner mehr eine ähnlich aufwendige Studie gewagt, doch spricht wenig dafür, dass sich die Situation signifikant geändert hat. Unter solchen Bedingungen fehlt das Kapital, im internationalen Messe-Business mitzuspielen.

Klassische Galeriearbeit hat ihren Wert verloren

Das hat Konsequenzen, weil sich die Märkte dorthin verschieben, wo Steuern niedriger, Ein- und Ausfuhrbedingungen laxer und die Freihandelszonen für Sammler ein attraktiver Platz zum Parken von Kunst sind. Die deutschen Händler bringt das enorm unter Druck, wenn sie Künstler, die auch von anderen internationalen Galerien vertreten werden, zu weit höheren Preisen verkaufen müssen. Die unglaublichen Margen, von denen man oft liest, werden auf Auktionen und anderen Transaktionen spekulierender Sammler erzielt - von solchen, die man in Berlin nicht oft sieht. Es gibt auch nicht so viele wie vermutet. Das Gros sind jene treuen, an Inhalten interessierte Sammler, die überwiegend vier- bis fünfstellige Summen für ihre Leidenschaft ausgeben und sich manchmal zu größeren Erwerbungen hinreißen lassen.

Ihnen fühlen sich die meisten Galeristen verpflichtet - die jungen wie etablierten. Für beide gilt, was Thomas Schulte als langjähriger Berliner Galerist jüngst für den Landesverband der Berliner Galerien formuliert hat: „Die klassische Galeriearbeit hat ihren Wert keineswegs verloren. Man muss der Sensationslust entgegenwirken und eine Art geistige Bodenständigkeit verteidigen und vorleben. Der Tanz ums goldene Kalb ist zwar nicht zu stoppen, aber man kann zeigen, dass es nicht nötig ist mitzutanzen.“

Zur Startseite