Start des Baltikum-Festivals im Konzerthaus: Engelswerk
Das Konzerthaus startet sein Baltikum-Festival mit einer Hommage an den Komponisten Arvo Pärt.
Ein ganzes Festival ist dem Konzerthaus die Unabhängigkeitserklärung der baltischen Staaten vor 100 Jahren wert: 10 Tage lang wird der „nordische Klang“ aus Estland, Lettland und Litauen durch alle Räume des Hauses wehen, mit besonders origineller Vokal- und Orgelmusik sowie Klangkörpern und Solisten der dortigen Szene. Für Ungewöhnliches, so Kultursenator Klaus Lederer im Grußwort, ist das Konzerthausorchester prädestiniert, das unlängst die Auszeichnung „innovatives Orchester“ erhielt. Das widmet sich im Eröffnungskonzert unter der engagierten Stabführung seines Chefs Ivan Fischer mit Inbrunst Arvo Pärt – keine für das Baltikum charakteristische Wahl, denn der Este ist eine singuläre Figur.
Zwar ist seiner Musik mit ihrem Bezug auf archaische Traditionen eine gewisse Simplizität zu eigen, doch fehlt ihr der rhythmische Impuls, der viele Werke dieser Region mit der amerikanischen „minimal music“ verbindet. Pärt geht es um die mystische Verbindung zum Göttlichen, am klarsten ausgeprägt in der frühen Komposition „Spiegel im Spiegel“ für Violine und Klavier. Hierzu setzt Fischer sich selbst an den Flügel, um die auf- und absteigenden Tonleitern der Geigerin Sayako Kusako mit kaum abgewandelten Dreiklangsfiguren zu begleiten. Große Klangmassen fährt Pärt dafür in „Como una cierva sedienta“ auf, zwei Psalmvertonungen, in denen die Sopranistin Jeanine de Bique Ausdruckskraft in höchsten Höhen entfalten kann. Diesem ungewöhnlich dramatisch auftrumpfenden Werk steht sein „Te Deum“ mit raffinierten Verflechtungen einfachster Elemente gegenüber, vom durchgehenden Basston einer Windharfe über die wie im Setzkasten kombinierten Floskeln dreier Chöre bis zu sparsam gliedernden Klavierakkorden. Wo Absichtslosigkeit walten sollte, drängt Fischer zum Pathos, was auch dem Rundfunkchor Berlin die nötige engelsgleiche Reinheit zuweilen schwer macht.