zum Hauptinhalt
Meryl Streep im Jahr 2016 bei der Berlinale.
© Michael Kappeler/dpa

Der letzte Filmstar: Eine Würdigung von Meryl Streep zum 70. Geburtstag

Kann man sich das Kino ohne Meryl Streep überhaupt vorstellen? Die größte amerikanische Schauspielerin feiert am Samstag ihren 70. Geburtstag.

Wo fängt man an, von einer solchen Karriere zu erzählen? Vielleicht einfach mit einem Happy-End, einem der schönsten im US-Kino der achtziger Jahre: in Ulu Grosbards leicht klemmiger Pendlerromanze „Falling in Love“.

Meryl Streep erblickt in einem Buchladen, demselben Ort, an dem sie sich zum ersten Mal am Weihnachtsabend in die Arme gelaufen sind, Robert De Niro: ein verlegenes Lächeln, ein schüchternes Gespräch, verdrängte Leidenschaften, dann trennen sich ihre Wege wieder. Sie kehren zu ihren Ehepartnern in die Suburbia zurück, aber ein Herzschlagfinale (buchstäblich!) hat der Film dann doch. In der New York Grand Central Station fallen sich die Liebenden in die Arme, großes Gefühlskino: Das Bild friert ein, dazu eine elegante Überblendung und ganz klassizistisch der Schriftzug „The End“. Solche Filme macht Hollywood schon lange nicht mehr.

„Falling in Love“ ist nicht ganz zu Unrecht in Vergessenheit geraten. Streep hat (wie auch De Niro) bessere Filme gemacht, darunter den Vietnam-Klassiker „The Deer Hunter“, die Edelschmonzette „Jenseits von Afrika“, Spike Jonze’ „Adaptation“ und das Abba-Musical „Mamma Mia!“. Diese Sorte Starkino wirkt heute etwas angestaubt, dennoch ist ihre pastellhäutige Molly eine der schönsten frühen Rollen Streeps, weil man dabei zusehen kann, wie sich im angespannten Gefühlskorsett, das ihr Spiel oft einzwängte, feine Risse abzeichnen. Die emotionale Verwirrung war keine hervorstechende Charaktereigenschaft der jungen Meryl Streep, beziehungsweise ihrer Figuren.

Eine leicht aristokratische Aura

Besonders in ihrer mittleren Karrierephase umgab sie stets eine aristokratische Aura. Streep strebte nach einem kontrollierten Perfektionismus, der ihre Regisseure, etwa Sydney Pollack, aber auch die amerikanische Großkritikerin Pauline Kael zur Weißglut trieb. Spröde Stars wie Streep, die gleich für ihre erste große Rolle in der Miniserie „Holocaust“ mit dem Emmy ausgezeichnet wurde, erfahren von Kollegen und Fans in erster Linie Respekt und Verehrung.

Innig geliebt wird sie eigentlich erst seit ihrer umwerfend komischen Darstellung von „Vogue“-Chefin Anna Wintour in „Der Teufel trägt Prada“ und der ehemaligen Girlgroup-Sängerin in „Mamma Mia!“, dem bislang einzigen Blockbuster ihrer Karriere – inklusive Sequel. Sie zeigten eine neue Seite an Streep.

Inzwischen gelingt es ihr sogar, einer politisch fragwürdigen Persönlichkeit wie Margaret Thatcher, die sie 2011 in „The Iron Lady“ spielte, ein menschliches Antlitz zu geben. Für die Rolle der konservativen Hardlinerin mit der Wellenbrecherfrisur ist Streep, eine der lautesten linken Stimmen in Hollywood, gerade auch von Frauen kritisiert worden. 2016 stellte sie sich dann in einem offen misogynen Präsidentschaftswahlkampf hinter die Kandidatin Hillary Clinton.

Streeps Haltung gegenüber dem Feminismus ist eher pragmatisch denn von politischen Programmen beeinflusst. Auch in der MeToo-Debatte machte sie keine glückliche Figur, als sie öffentlich sagte, dass Harvey Weinstein sie immer respektvoll behandelt habe. Gleichzeitig spielt sie in „Suffragette“ von 2015 Emmeline Pankhurst, die Gründerin der historischen Frauenbewegung, und zuletzt in Steven Spielbergs „Die Verlegerin“ Katharine Graham, die einflussreiche Zeitungsmagnatin der „Washington Post“.

Allein unter Männern. Meryl Streep als legendäre Washington-Post-Chefin Katharine Graham in „Die Verlegerin“.
Allein unter Männern. Meryl Streep als legendäre Washington-Post-Chefin Katharine Graham in „Die Verlegerin“.
© Universal

Man kann man sich das Kino ohne Meryl Streep heute kaum vorstellen. Während andere Stars der Achtziger wie Michelle Pfeiffer gerade eine Art Comeback erleben – oder wie Kim Basinger in der Versenkung verschwunden sind –, ist Meryl Streep, der letzte weibliche Hollywoodstar, der diesen Titel verdient, immer noch da. Legt sich mit dem Präsidenten an, dreht einfach weiter Filme – und manchmal auch wieder Serien. Gerade ist sie als neurotisches Schwiegermonster von Nicole Kidman in der zweiten Staffel von „Big Little Lies“ zu sehen, in einem eindrucksvollen Frauenensemble über drei Generationen.

Der Präsident mag sie für „eine der meistüberschätzten Schauspielerinnen in Hollywood“ halten. Aber man wird sich an Meryl Streep, die am Samstag ihren 70. Geburtstag feiert, noch erinnern, wenn Donald Trump längst nicht mehr als eine Fußnote ist.

Zur Startseite