Eiserne Lady: Gruppenbild mit Drache
„Die Eiserne Lady“: das Biopic über die britische Premierministerin Maggie Thatcher – mit einer brillanten Meryl Streep. Gerade hat sie mit dieser Rolle ihren dritten Oscar gewonnen.
Sie büchst aus und holt Milch im Laden um die Ecke. Zurück in der Wohnung am Chester Square, frühstückt sie mit ihrem Mann, plaudert und kabbelt sich mit ihm, sortiert seinen Kleiderschrank, schaut alte Super-8-Filme, dreht das Radio an, erinnert sich. Eine 80-jährige, demente Dame, einst die erste Frau nicht nur in Downing Street No. 10, sondern in der gesamten Riege der westlichen Staatenlenker, erinnert sich an Aufstieg und Fall der Margaret Thatcher – an die Krämerstochter aus Grantham, die Hardlinerin, die die Schulmilch abschaffte, den britischen Wohlfahrtsstaat zerschlug, die Gewerkschaften und die streikenden Bergarbeiter bekämpfte, einen Anschlag der IRA überlebte, den Falklandkrieg siegreich führte, den Rückhalt in ihrer Partei verlor und bis zum Schluss den survival of the fittest predigte. Radio Moskau taufte sie „Eiserne Lady“. Auch Helmut Kohl soll Angst vor ihr gehabt haben.
Dies sei kein politischer Film, sondern eher Shakespeare, sagt Regisseurin Phyllida Lloyd über „Die Eiserne Lady“. Merkwürdig: Die meisten Shakespeare-Dramen sind politisch. Zudem dürfte es schier unmöglich sein, über Großbritanniens berühmt-berüchtigte Premierministerin, die das Land von 1979 bis 1990 regierte, einen unpolitischen Film zu drehen. Lloyd versucht es. Sie stellt die Liebesgeschichte zwischen Denis und Margaret in den Vordergrund, die unverbrüchliche Ehe einer mutigen Frau mit einem charmanten, witzigen, ihr loyal ergebenen Mann. Kein Wunder, dass Maggie, einsam und krank in der Zimmerflucht eingesperrt, ihren verstorbenen Denis unentwegt herbeihalluziniert.
Früher ging es darum, etwas zu tun. Heute geht es darum, jemand zu sein. Das passte schon der jungen Rechtswissenschaftlerin nicht, die großbürgerliche, selbstgefällige Männerwelt, der Narzissmus auch in der Politik. Als Margaret Thatcher Chefin der Konservativen wird und Premierministerin, wandelt sie den Satz ab: „Wenn etwas gesagt werden soll, fragen Sie einen Mann. Wenn etwas getan werden soll, fragen Sie eine Frau.“
Meryl Streep hat für ihre Darstellung Thatchers gerade einen Oscar gewonnen. Zu Recht, denn Streep (und der verschmitzte Jim Broadbent als Denis) rettet den Film in Teilen dann doch, mit der sympathischen Aura, die sie der kalten Kriegerin verleiht, der Empathie, die sie hegt für Thatchers Unerschütterlichkeit noch auf verlorenem Posten. Das feine Gesicht, der schmale Mund, die kleinen Augen, die Bäckchen, der leichte Überbiss, ein Meisterwerk der Maske ist das natürlich auch, zumal im Alterungsprozess über Jahrzehnte. Dazu die Schlagfertigkeit, der konsternierte und oft amüsierte Blick, wenn Thatcher den Männern im Unterhaus Feigheit vorwirft und ihnen Argumente entgegenschleudert, die schwer zu entkräften sind. Überhaupt gehören die Szenen in diesem so eigentümlich einem Boxring ähnelnden Parlament zu den besten des Films: wie die Herren mit der einen Dame sich auf den Bänken drängen, wie sie einander erregt bekriegen und schmähen, ohne jeden Schutz von Pulten, Lehnen, Geländern.
Schön auch, wie Streep alias Thatcher sich die fiepsige Stimme abtrainieren lässt und bei der Imageberatung an der doppelreihigen Perlenkette festhält. Die hat Denis ihr zur Geburt der Zwillinge geschenkt. „Die Kette ist nicht verhandelbar“, ein typischer Thatcher-Satz. Gleichzeitig erlebt man die Zurichtung einer Frau, die nicht nur ihr Outfit verändern muss, sondern auch ihre Seele panzert.
Leider hat die Regisseurin, die schon bei „Mamma Mia!“ mit Streep zusammenarbeitete, ihrer Hauptdarstellerin nur ein beschränktes mimisches und gestisches Repertoire abverlangt – ganz ohne die Streep’schen Nuancen, ihr berühmtes Eine-Spur-neben-der-Rolle-Stehen. Helen Mirren in Stephen Frears’ „The Queen“, mit der man sie unweigerlich vergleicht, läuft ihr den Rang ab. Auch durfte Helen Mirren der Queen ihr Geheimnis lassen, der Film fand Bilder für das, was in ihr vorgeht, machte weniger Worte. Nicht, dass man die Ära des Thatcherismus nicht im Spiegel einer großen Liebe erzählen könnte: Aber „Die eiserne Lady“ suggeriert auf ärgerlich unbedarfte Weise, man könne tatsächlich wissen, wie die Welt in den Augen einer mächtigen und später dementen Frau aussieht. Lloyd stülpt Thatchers Innerstes bloß anbiedernd nach außen.
Indem „Die Eiserne Lady“ das Politische dem Melodram opfert – als ob sich das eine nicht im anderen aufheben ließe -, stutzt dieses Biopic die Politikerin Thatcher letztlich auf die Lady mit der Perlenkette zurecht. Politik ist in diesem Film, dass da jemand beeindruckende Auftritte im Unterhaus hinlegt, was regelmäßig Straßenschlachten zur Folge hat. Bei allen Vorbehalten gegen ihren politischen Kurs: Die Frau, die das 20. Jahrhundert mitgeprägt hat, hätte Besseres verdient.
In 15 Kinos; OV im Cinestar SonyCenter, OmU im Filmkunst 66, Hackesche Höfe, International, Odeon und Rollberg
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