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Anne Zohra Berrached, Maren Ade und Nicolette Krebitz (v. li.) gewannen die silberne, goldene und bronzene Lola.
© Britta Pedersen/dpa

Verleihung Deutscher Filmpreis: Eine Million können nicht irren

Drei Regisseurinnen sind die großen Gewinner beim Filmpreis. Dem deutschen Kino könnte das neue Perspektiven eröffnen.

Es war ein langes Jahr für Maren Ade und ihr Team. Vor zwölf Monaten feierte „Toni Erdmann“ Premiere auf den Filmfestspielen in Cannes, seitdem hat der Film ein seltenes Momentum entwickelt: Europäischer Filmpreis, Golden Globes, Oscars. Und nun also der Deutsche Filmpreis, mit dem das Kinojahr 2016 auch offiziell abgeschlossen ist. Mit sechs Lolas zeichnet die Deutsche Filmakademie „Toni Erdmann“ aus, für Schnitt, Drehbuch, die beste männliche und weibliche Hauptrolle, Regie und als Film des Jahres. Zur Hochstimmung von Maren Ade und ihrem Team passte die Mitteilung der Produktionsfirma Komplizen Film am Tag der Verleihung, dass im deutschsprachigen Raum nun eine Million Zuschauer „Toni Erdmann“ gesehen haben.

Eine solche Einstimmigkeit von Publikum, Kritik und Filmbranche ist im deutschen Kino selten, sie sollte vor allen Letzterer zu denken geben. Eine Million Kinobesucher widerlegen das Lamento, dass es für kluge Unterhaltungsfilme in Deutschland kein Publikum gebe. Maren Ade hat den Beweis erbracht, dass das Publikum hierzulande keineswegs schon zu abgestumpft für intelligentes Kino ist. Diese Filme werden eben nur noch immer zu wenig gefördert. Maren Ade und „Wild“-Regisseurin Nicolette Krebitz, mit sechs und vier Auszeichnungen die Gewinnerinnen des Abends, werden im Verlauf der Gala auch nicht müde zu betonen, wie viel sie ihren Produzentinnen – Janine Jackowski und Jonas Dornbach von Komplizen Film, Bettina Brokemper von Heimatfilm – zu verdanken haben. Wenn gutes Kino allerdings über keine Infra- bzw. Förderstruktur verfügt, sondern bestenfalls von der Geduld einiger Weniger abhängig ist, muss man sich über eine Krise des deutschen Films nicht wundern. Bedenkt man noch die Tatsache, dass Komplizen Film trotz Lizenzdeals in über 100 Ländern nicht über das Eigenkapital verfügt, um die nächste Produktion vorzufinanzieren, muss man kein Brancheninsider sein, um zu prognostizieren, dass eine Erfolgsgeschichte wie „Toni Erdmann“ weiterhin eine Ausnahme bleiben wird.

Steuergelder und die Freiheit der Kunst

Man darf durchaus konstatieren, dass die Filmakademie die sechs Lolas für „Toni Erdmann“ für ihr eigenes Ansehen nötiger hat als Maren Ade. Ade erfuhr auf ihrer Festivaltour bereits alle Weihen der internationalen Filmbranche. Eine andere Entscheidung als die für „Toni Erdmann“ hätte die Legitimation der Deutschen Filmakademie, die Steuergelder auf der Grundlage intransparenter Kriterien unter sich aufteilt, nur weiter beschädigt. Der Gipfel des Zynismus ist es dann, wenn die Gala-Moderatorin Jasmin Tabatabai die Drei-Millionen-Euro-Ausschüttung der Filmakademie „Steuergelder für die Freiheit des deutschen Films“ nennt.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters, aus deren Haushalt die Preisgelder kommen, schlägt mit ihrer Begrüßungsrede in dieselbe Kerbe, wenn sie darauf hinweist, das die Lolas als kulturelle Förderung des deutschen Kinos zu verstehen seien – was die Europäische Kommission im Übrigen ähnlich sieht und der Filmakademie im vergangenen Jahr Wettbewerbsverzerrung unterstellte. Nepotismus und ein hochgradig bürokratisches Kulturverständnis – mit Tabatabai darf man in der Tat fragen: „Wie deutsch ist das denn bitte?“ Oder schlichtweg resümieren: Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn. Beziehungsweise sechs.

Für Maren Ade schließt der Deutsche Filmpreis die Bilanz eines verrückten Jahres ab. Viel spannender allerdings ist die Frage nach der Nachhaltigkeit dieser Auszeichnungen. Die deutsche Komödie revolutioniert „Toni Erdmann“ sicher nicht, dafür ist die Dominanz von „Willkommen bei den Hartmanns“ und des Till-Schweighöfer-Komplexes zu erdrückend. Es sollte der Akademie dennoch zu denken geben, dass mit Maren Ade, Nicolette Krebitz und Anne Zohra Berrached in diesem Jahr drei Regisseurinnen die Lolas mehr oder weniger unter sich ausmachen. 2016 hat den Blick des deutschen Kinos verändert, er ist weiblicher und damit auch komplexer geworden.

Mehr Förderung für "schwierige Filme"

Sicher ist, dass die Frauen-Quote vorerst nicht kommt. Aber ist sie überhaupt nötig? Vielleicht ist die Aufstockung der kulturellen Filmförderung auf 25 Millionen Euro, mit der Grütters auf der Verleihung Werbung in eigener Sache machte, schon ein wichtiger erster Schritt, um experimentellere, riskantere Filmprojekte langfristig zu fördern. So eine Entwicklungsförderung könnte etwa dafür sorgen, dass „schwierige Filme“ nicht schon in der Drehbuchhölle einen langen qualvollen Tod sterben. Oder dass Maren Ade nicht wieder sieben Jahre für ihren nächsten Film braucht.

Es dauert noch eine Weile, bis die Folgen des versöhnlichen Jahrgangs 2016 eventuell im Kino sichtbar werden. Die Filmindustrie ist eine langsame Branche. In Cannes laufen dieses Jahr immerhin zwei deutsche Filme, mit Valeska Grisebachs „Western“ kommt nach zehn Jahren endlich auch ein neuer Film einer der hierzulande interessantesten Regisseurinnen ins Kino. Und es sollte schnell etwas hinterherkommen. Ein „Toni Erdmann“ allein wird nicht reichen, um der Kulturpolitik und der Filmbranche Dampf zu machen.

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