Preis der Nationalgalerie feiert 20 Jahre: Eine Auszeichnung, die große Künstlerkarrieren startete
Einige Stars der Kunst wie Olafur Eliasson sind hier bereits hervorgetreten. Der Hamburger Bahnhof präsentiert die vier aktuell Nominierten.
„Das Beste, was man als Freundeskreis machen kann“, lobt Gabriele Quandt, Vorsitzende der Freunde der Nationalgalerie, den vor 20 Jahren gegründeten Kunstpreis der Nationalgalerie und damit auch sich selbst. Recht hat sie. Geld geben für Ausstellungen und Ankäufe, das machen auch alle anderen Fördervereine. Aber eine Auszeichnung für junge Kunst zu etablieren, die heute zu den renommiertesten in Deutschland gehört und vielversprechenden Karrieren den letzten Kick gibt, dazu braucht es mehr.
Die Teilnehmer der ersten Nominiertenausstellung gehören inzwischen zu den großen Namen des Kunstbetriebs, Olafur Eliasson, Katharina Grosse, Christian Jankowski starteten anschließend durch. Ausgerechnet vom damaligen Gewinner Dirk Skreber hört man heute am wenigsten. Und dennoch, das Konzept für den Preis der Nationalgalerie hat sich bewährt. Der Verein der Freunde ist der Motor, BMW sponsert seit 14 Jahren, der Hamburger Bahnhof stellt die Bühne.
Diesmal hat Dorothée Brill die Nominierten-Ausstellung kuratiert und eingerichtet. Hinter ihr sitzen die Künstler Pauline Curnier Jardin, Simon Fujiwara, Flaka Haliti und Katja Noviskova. Wer als Sieger ins Ziel geht, darüber entscheidet am 12. September zur Berlin Art Week eine Jury. Gewonnen haben trotzdem alle vier, denn sie haben eine Ausstellung in einem der wichtigsten Kunsthäuser des Landes bekommen.
Gewonnen hat auch der Hamburger Bahnhof mit einer Schau, die fokussiert Einblick in die zeitgenössische Produktion gibt, was junge Künstler heute interessiert, welcher Techniken sie sich bedienen. Als Museum für Gegenwart steht das Haus selbst auf dem Prüfstand. Mehr denn je, denn einen konkreten Wiedereröffnungstermin für die Neue Nationalgalerie gibt es immer noch nicht, der erste Spatenstich für das benachbarte Museum der Moderne wurde erst einmal in den November verschoben.
Künstler brauchen Räume, das macht diese Shortlist-Ausstellung so deutlich wie selten. Nicht um Bilder aufzuhängen, Skulpturen aufzustellen, sondern um sie als Ausdruck ihrer Arbeit zu benutzen, „zu verdauen“, wie Dorothée Brill es nennt. Am beeindruckendsten gelingt dies Katja Novitskova (geboren 1984 in Tallinn), die schon für die neunte Berlin-Biennale ein beeindruckendes Environment schuf.
Als Pionierin der Post-Internet-Art sucht sie sich ihr Material im Netz, baut daraus skulpturale Elemente, projiziert Bilder an die Wand, lässt eine Höhlenwelt mit archetypischen Graffitis entstehen. „Activation“ ist zu entziffern. In einem Raum fahren elektronische Babyschaukeln auf und ab, die transparente Schalen mit farbigen, gläsernen Eiern tragen. Ein schaurig-schönes Bild, für das, was kommen könnte, welche Geschöpfe die Kreuzung aus Biologie und Technologie hervorbringen mag.
Schemenhaft abstrahierte Landschaften
Auch Flaka Haliti ist eine Meisterin der hybriden Inszenierung. Geboren 1982 in Pristina, musste sie während des Kosovokrieges fliehen, eine Erfahrung, die auch in ihren Arbeiten mitschwingt. So sind die beiden roboterartigen Figuren ihrer Installation aus Material zusammengebaut, das sie auf einem Militärflohmarkt ihrer Geburtsstadt erstand. Sie fläzen sich wie übergroße Spielzeuge am Boden, mal auf dem Rücken liegend, die Hände im Nacken gefaltet, mal auf dem Bauch mit aufgestütztem Kinn. Die Wände rundum bedecken schemenhaft abstrahierte Landschaften, Breiten- und Längengrade. Konkrete nationale Zuschreibungen gibt es nicht, die Bedrohung ist universal. Es scheint, als könnten im nächsten Moment die strahlend blau angepinselten Roboter aus dem Entspannungsmodus erwachen und ihr Werk der Zerstörung fortsetzen.
[Hamburger Bahnhof, Invalidenstr. 50-51, bis 16. 2.; Di bis Fr 10 – 18 Uhr, Do bis 20 Uhr, Sa/So 11 – 18 Uhr]
Die Positionen der nominierten Künstler sind verteilt: Novitskova vertritt die Post-Internet-Art, Haliti ist Kind des Krieges, Pauline Curnier Jardin (geboren 1980 in Marseille) gibt die Superfeministin mit ihrem Film „Qu’un Sang Impur“, in dem ältere Frauen menstruieren, dass es ihnen nur so die Beine runterläuft. Geradezu kunstgewerblich wirkt ihr „Wald der Hitzewallungen“, in dem üppige weibliche Körper als leere Häute an der Wand befestigt sind.
Und Simon Fujiwara (geboren 1982 in London) repräsentiert das männliche Schaffen, das beim letzten Mal fehlte. Zufall oder nicht, er liefert mit seiner Ansammlung von „Fifty Shades of Grey“-Ausgaben und der Anne-Frank-Wachsfigur die schwächste Performance ab. Auch wenn er mit seinen Requisiten die schöneren Geschichten erzählt.