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Das Paris-Bar-Gemälde diente erst als Kulisse für das Theaterstück „Kippenberger! – Exzess des Moments“, jetzt zeigt Jankowski es in der Ausstellung.
©  Christian Jankowski

Christian Jankowski: Wir Trickser

Christian Jankowskis spielerische kluge Ausstellung „Die Legende des Künstlers und andere Baustellen“ im Haus am Lützowplatz.

Die Szene ist bestechend: Das Enfant terrible der Kunstklasse hat sich das Haar mit Gips vollgeklatscht, der Professor umkreist ihn misstrauisch, irritiert, dann lacht er und lobt den Schüler: „Ah, Duchamp – sehr gut!“ Es ist der Ritterschlag, zugleich eine Bankrotterklärung, der Alte muss erkennen, dass der Junge ihn irgendwann überflügeln wird.

So oder ähnlich mag sich die Szene tatsächlich zugetragen haben, damals in der Hamburger Kunstakademie, wo Martin Kippenberger bei Franz Erhard Walther studierte. Noch heute erzählt man sich von den Extravaganzen des Querulanten und Junggenies.

Nun hat es die Geschichte ins Fernsehformat geschafft, als erste von acht Folgen einer „History“-Sendung à la Guido Knopp, in der Kippenbergers Leben nachgespielt wird. Den Lehrer in der Akademie-Szene gibt Christian Jankowski. Womit auch schon die nächste Geschichte beginnt, denn die ganze Inszenierung ist ein Werk von Jankowski selbst, der das Drehbuch für die Verfilmung von Kippenbergers Vita bei einem Team aus Drehbuchautoren und TV-Formatentwicklern in Singapur in Auftrag gegeben hat. Die Legendenbildung um Martin Kippenberger, der 1997 mit 44 Jahren verstarb, geht damit in die nächste Runde. Ja, sie wird noch doller, denn auf dem Umweg über Asien hat sich manch weitere Unschärfe, Übertreibung eingeschlichen.

Das ist so recht nach dem Geschmack von Christian Jankowski, der die Spielregeln des Kunstbetriebs immer wieder in performativen Interaktionen bloßlegt. Zu seinen schönsten Stücken gehört ein frühes Video, in dem er mit Pfeil und Bogen im Supermarkt seine Einkäufe erlegt und der verblüfften Kassiererin die durchbohrten Waren auf das Laufband packt. Oder sein Beitrag als Nominierter für den Preis der Berliner Nationalgalerie im Jahr 2000, bei dem er für alle vier Finalisten eine fiktive Laudatio einspielen ließ.

Er spielt den Hofnarr des Kunstbetriebs

Jankowski ist ein Darling der Szene und hat es damit nicht nur zu einem der gefragten Künstler gebracht, sondern bekam als Manifesta-Macher in diesem Jahr auch einen der begehrtesten Kuratorenjobs übertragen. An diesem Wochenende geht die europäische Wanderbiennale in Zürich zu Ende. 171 000 Besucher zählte das Kunstfestival, eine beachtliche Zahl für das kleine Land. Auch hier hat es Jankowski verstanden, die Hochkunst herunterzubrechen, das Avantgardistische verständlich zu machen, indem er die eingeladenen Künstler zu Kooperationen mit Handwerkern, Ärzten, den verschiedenen Berufssparten animierte. Was bei Jankowski selbst als Strategie immer wieder aufs Neue funktioniert, die erhellende Kollision der Kunst mit dem Leben, ging in Zürich nicht bei allen auf. Manches wirkte platt.

Aber auch das wird ihm schnell vergeben sein, diesem Hofnarren der Kunstsociety. Am Beispiel von Kippenberger hält er nun im Haus am Lützowplatz der Gesellschaft erneut den Spiegel vor. Der Kunstbetrieb braucht solche legendären Figuren, sie halten den Motor am Laufen. Nirgendwo sonst wird an das Wunderkind, die sich verzehrende Leidenschaft, das verkannte Genie, die sagenhafte Verwandlung von Staub zu Gold so inbrünstig geglaubt. Ein Milliardengeschäft beruht darauf, ganze Kulturen gründen auf dieser Verabredung, bei der es zugleich um viel Geld und höchst luftige Werte geht.

Kippenbergers Biografie wird ins Trashformat überführt

„Till“ Jankowski zeigt mit seiner Ausstellung „Die Legende des Künstlers und andere Baustellen“, wie der Trick funktioniert. Der Besucher des Haus am Lützowplatz bewegt sich zunächst zwischen gemalten Theaterkulissen mit Schauplätzen aus dem Leben Martin Kippenbergers: die Hamburger Kunstakademie, die Berliner Paris-Bar, das Kölner Chelsea-Hotel, der deutsche Pavillon in Venedig. Dorthin wurde der Künstler erst posthum eingeladen, kurz vor seinem Tod war er zur Hochzeitsreise da. Die Kulissen stammen praktischerweise aus einem Theaterstück, Angela Richters Kölner Inszenierung „Kippenberger! – Ein Exzess des Moments“, für das Jankowski die Bühnenbilder schuf. Dass sie bei ihrer Wiederverwertung zur reinen Kunst mutieren, passt zu den Veredelungsprozessen des Betriebs. Jankowski befördert allerdings die von der Person Kippenberger inzwischen losgelöste Biografie ins Trashformat, portioniert in TV-Häppchen. Das ist ebenso unterhaltsam wie klug gemacht, denn jede Folge zeigt nicht nur eine weitere Station aus Kippenbergers Leben, sondern auch eine andere Variante der Legendenbildung. Am Ende der Sendung empfiehlt der Moderator: „Go and build your legend!“

Van Gogh wird doppelt kopiert

Eine andere Art der Transformation vollzieht Jankowski mit van Gogh. Im Netz besorgte er sich Selfies, die Menschen in Pose und Kleidung von Gemälden des Malers zeigen. Auch hier dreht Jankowski an der medialen Schraube, indem er diese Fotos im chinesischen Kopistendorf Dafen nachmalen lässt und sie dann in den musealen Kontext zurückführt. „Chinese Whisper“, Stille Post, lautet der Titel der Arbeit. Van Gogh wird auf den Wiedererkennungseffekt reduziert, ansonsten sind die Bilder gar nicht übel. Was für Jankowski übrig bleibt? Ein Stück vom Ruhm der anderen, ein Bauteil für die eigene Legende – als Künstler, der die Techniken durchschaut und gewitzt vorführt.

Haus am Lützowplatz, Lützowplatz 9, bis 20.11., Di–So 11–18 Uhr.

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