Elena Bashkirova im Kammermusiksaal: Ein Spiel von apollinischer Abgeklärtheit
Von Mozart über Dvorák zu Bartók: Der Berliner Klavierabend von Elena Bashkirova ist eine sympathische Einladung zum Nachdenken.
Ein Programm, das wie ein Pfeil von der Wiener Klassik mitten ins 20. Jahrhundert zielt: Das Spektrum, das Pianistin Elena Bashkirova am Dienstagabend im Kammermusiksaal aufreißt, reicht von Mozart über Dvorák zu Bartók. Mithin also von einem, der alles, was er tat, vom Klavier aus dachte, über den Tschechen, dem eher die Violine das Instruments des Herzens war, zu dem großen ungarischen Experimentator und Klangneuerfinder aus dem Geist der Volksmusik.
Bashkirova, die das Berliner Publikum im April wieder mit dem von ihr geleiteten Kammermusikfestival „Intonations“ im Jüdischen Museum bereichern wird, verzichtet dabei auf die auftrumpfende Überwältigungsgeste, legt ihr Konzert eher an als sympathische Einladung zum Nachdenken. Zart, verwischend nähert sie sich Mozarts Fantasie für Klavier d-Moll und dem Rondo D-Dur KV 485, mit immer wieder absichtsvoll verzögertem musikalischen Fluss. Was aber nicht heißt, dass kein prägnanter Schimmer über dem Anschlag läge, mit dem sie immer wieder schelmisch zu grinsen scheint.
Bartók kennt kein Erbarmen mit dem Hörer
Musikgeschichtlich interessant sind die sechs Variationen über das Finalthema des Klarinettenquintetts, die gar nicht Mozart, sondern eine unbekannte Hand über zehn Jahre nach seinem Tod komponiert hat – was lange verschwiegen wurde, unter kommerziellen Aspekten sicher eine sinnvolle Strategie. Vor allem die lyrische fünfte Variation fällt aus dem Rahmen. Bashkirova interpretiert sie, als würde ein Kind mit weit aufgerissen Augen am Klavier sitzen und beim Spielen abdriften in völlig entrückte Welten. Im Gegensatz dazu perlt die Klaviersonate B-Dur KV 333 voller Substanz. Im Finalsatz soll Mozart angeblich die Fülle eines großen Klavierkonzerts imitiert haben, mit eigener Kadenz. Das hört man bei Bashkirova nicht unbedingt, dafür gelingt ihr ein Spiel von apollinischer Abgeklärtheit.
Dvoráks 13 „Poetische Stimmungsbilder“ für Klavier, von denen Bashkirova acht ausgesucht hat, sind eher die Ausnahme in seinem Oeuvre. In Nummer drei, „Auf der alten Burg“, deutet sie den Schrecken, der hier möglich sein könnte, nur an, findet dann aber zu einem härteren, backsteinigen Anschlag, hämmert einen chromatisierten Furiant, lässt den Springteufel raus, legt einen Hauch des Grotesken über den „Koboldstanz“ und schließt den Zyklus mit einer spritzigen „Bacchanale“ ab. Bartók schließlich kennt kein Erbarmen mit dem Hörer, überspitzt in seiner einzigen Klaviersonate von 1926 gnadenlos den perkussiven Charakter des Instruments, kreiert zusätzlich eine hochkomplexe Rhythmik, die Bashkirova sich so souverän aneignet, dass es bei ihr, obwohl alles genau notiert ist, fast wie Freejazz klingt. Kopfüber stürzt sie sich am Ende ins Allegro molto, tollkühn, brillant. Und alle Nachdenklichkeit ist wie weggeblasen.