Staatsballett-Streit: Ein seltsames Video gegen Sasha Waltz
Wirklich wichtige Probleme sind der Klimawandel, soziale Ungerechtigkeit - und eine Tanz-Choreografin. Meint jedenfalls das Staatsballett-Ensemble. Eine Polemik.
Nun steht der Untergang des Abendlands bevor. Es sind schlimme Zeiten. Das größte Verbrechen an der Menschheit ist – der Berliner Senat will das Staatsballett zerstören. Eine furchtbare Tanztheaterwalze soll den Spitzentanz plattmachen. Aber die Spitzentänzer wehren sich. Auf allen Kanälen. Auf YouTube sieht man sie in einem erschreckenden Video. Junge Menschen kämpfen um ihre Zukunft. Sie sprechen Englisch und kommen von überall her.
Sie sind Tänzer des Berliner Staatsballetts (noch) und wollen die neue Leitung nicht. Auf dem Spiel stehen 350 Jahre Ballett-Tradition, der soziale Friede und das Weltklima. Die vom Senat angestrebte Öffnung und Erneuerung des Staatsballetts ist also ebenso bedrohlich wie der Klimawandel. Da muss man was machen. „Für unsere Kinder“, lautet das Mantra. Rettet das Staatsballett für unsere Kinder. Für Berlin. Es ist wichtig. Wichtig!
Und hier vielleicht noch ein paar Zusatzinformationen. Das Berliner Staatsballett ist nicht sehr alt. Es entstand nach der Wende, als die Ballettensembles der drei Opernhäuser zusammengelegt wurden. Auch das Tanztheater der Komischen Oper ging darin auf – die tänzerische DDR-Avantgarde. Aber das Historische spielt in der Auseinandersetzung um das Staatsballett kaum eine Rolle, es dominiert das Hysterische.
Hier das Video:
Wo war der Aufstand, als der Senat den erfolgreichen Ballettchef Vladimir Malakhov wegschickte und mit Nacho Duato einen Nachfolger präsentierte, der, wie befürchtet, nichts erreicht hat und ein Ensemble hinterlassen wird, das nur mit einem gemeinsamen Feindbild zusammensteht: Sasha Waltz. Und anders als an der Volksbühne hat das Berliner Staatsballett eher keinen Weltruhm gegen unerwünschte Eindringlinge zu verteidigen.
Wenn es keine Fälschung ist, erzählt das YouTube-Video eine traurige Geschichte. In einer verunsicherten Welt halten sich junge Tänzer an einer Tradition fest, die schon vor hundert Jahren mit Strawinskys „Sacre du Printemps“ nachhaltig erschüttert war. Als hätte es nie eine Pina Bausch gegeben! Sasha Waltz’ Choreografien sind nicht jedermanns Sache. Aber wer gesehen hat, was sie mit dem „Sacre“ macht, versteht diese Tänzer nicht. Sie könnten sich glücklich schätzen, dass sie keine Spitzentanz-Beamten sind, sondern, wenn sie denn wollen, Teil eines aufregenden Experiments.
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