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Bewusstlos in den Seilen: Eine Szene aus „Knock Out!“.
© Carlsen

Comicbiografie „Knock Out!“: Ein Schlag zu viel

Mit „Knock Out!“ legt der Berliner Zeichner Reinhard Kleist seine zweite Comicbiografie über einen Boxer vor. Diesmal geht es um den schwulen Emile Griffith, der in New York zum Star aufstieg.

Ob Sportler, Flüchtlinge, Johnny Cash oder Nick Cave: Reinhard Kleist, einer der besten Comic-Macher Deutschlands, ist ein international angesehener Spezialist für biografische Bildergeschichten. In seinem neuen Werk „Knock Out!“ (Carlsen, 160 S., 18 €) widmet sich der Berliner Künstler der wahren Geschichte des schwulen afroamerikanischen Boxers Emile Griffith.

Auf den ersten Seiten wird dieser in den 90ern von Schwulenhassern zusammengeschlagen, schleppt sich schwer verletzt vom Tatort und rekapituliert sein Leben. Das beginnt 1938 auf den Jungferninseln, nimmt aber erst auf dem Festland eine unerwartete Wendung.

Eigentlich würde er lieber Tischtennis spielen

Als junger Mann arbeitet er in einer New Yorker Hutfabrik, wo seinem Chef der athletische Körperbau seines Angestellten auffällt. Daraufhin bringt er Griffith zu einem Box-Trainer. Bald gewinnt Griffith im Ring Titel um Titel – obwohl er eigentlich lieber Tischtennis spielen würde und Damenhüte entwirft, die echte Verkaufsschlager sind.

In der Macho-Szene des Boxsports mögen schwarze Erfolgsgeschichten geduldet sein, Griffiths unbekümmert ausgelebte Homosexualität bietet den Gegnern des unangepassten Champs in der bis heute homophoben Sportwelt jedoch einiges an Angriffsfläche.

Emile Griffith beim Training: Eine Szene aus „Knock Out!“.
Emile Griffith beim Training: Eine Szene aus „Knock Out!“.
© Carlsen

[„Knock Out!“ wurde kürzlich von 30 deutschsprachigen Comic-Kritiker*innen zum besten Comic des aktuellen Quartals gewählt. Die Top 10 der Jury finden Sie hier.]

Im Kampf gegen Benny Paret entlädt sich 1962 Griffiths ganze Wut über die ständigen Beleidigungen – er verpasst seinem bereits bewusstlos in den Seilen hängenden Gegner einen fatalen letzten Schlag. Paret erlangt nie wieder das Bewusstsein und stirbt später.

Hervorragende Beinarbeit und kein Gramm zu viel

In Kleists Interpretation dieser tragischen Episode verfolgt Parets Geist Griffith durch dessen Leben. Nur so viel: Es wird nach diesem verhängnisvollen Kampf nie wieder dasselbe sein.

Die wechselhafte Geschichte von Emile Griffith bricht Kleist dramaturgisch routiniert herunter. Er inszeniert sein Porträt des schwulen Champions, der einmal zu viel zugeschlagen hat, in ausdrucksstarken Schwarz-Weiß-Zeichnungen.

Das Titelbild des besprochenen Buches.
Das Titelbild des besprochenen Buches.
© Carlsen

Deren Fluss ist exzellent, und wie üblich setzt Kleist nie mehr Striche als nötig – wäre sein Artwork ein Boxer, würde man sagen: hervorragende Beinarbeit und kein Gramm zu viel.

Der Autor und Zeichner fährt mit diesem Comic einen weiteren Sieg ein. Allerdings fragt man sich, ob es allmählich nicht Zeit für einen neuen Gegner und neue Herausforderungen wird, nachdem Kleist als Schwergewichts-Champion unter den Panel-Biografen längst alles gewonnen hat.

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