"Macbeth. Nach Verdi" an der Neuköllner Oper: Ein Käfig voller Hexen
Bebende Hexen, abgehackte Hände: Die Neuköllner Oper zeigt mit „Macbeth. Nach Verdi“ eine neue Version des Shakespeare-Klassikers.
„König Duncan, König Duncan, schläfst du noch“, singen sie im Kanon à la „Frère Jacques“, und von Glocken ist die Rede, jenem Signal für den Feldherrn Macbeth, den rechtmäßigen Regenten zu ermorden. „Macbeth. Nach Verdi“, heißt eine Performance der Neuköllner Oper, die so frei ist, die aktuellen „Macbeth“-Versionen an der Staatsoper mit Domingo und im Deutschen Theater (ab 19. März) mit Ulrich Matthes in den Titelrollen durch eine passionierte Theaterspiegelung aufzumischen. Ausgedacht hat sich das Ganze ein Team um Julia Lwowski (Regie), Marion Meyer (Dramaturgie) und Roman Lemberg an Akkordeon und Orgel, alle agile Interpreten der Berliner Off-Szene, dazu leitend mit Mut und Lust die Pianistin Nadezda Tseluykina.
Es geht zu wie im Tollhaus, wo Hexen beben und abgehackte Hände rumliegen. So akkurat der Theaterzettel von Benjamin Stein, so wüst windet sich die Handlung in chaotischen Bühnenbildern und Kostümen (Yassu Yabara) an Verdi und Shakespeare entlang. Zuschauertribünen umgeben das enge Spielfeld, einen Hexenkessel der unheimlichen Art, den Macbeth, der Kriegsheld, in Unterhose mit blutigem Hemd betritt. Er ist das Schoßkind seiner Lady, die fortwährend vor Lachen kreischt. Ihm ist kotzübel.
Yuka Yanagihara und Rainer Scheerer singen und turnen ihre Rollen voller Emphase. Im Publikum kann man bei freier Platzwahl das Pech haben, Videos mit Übertiteln nicht zu erhaschen. Was aber zu sehen ist, genügt: auf Faltenwürfen gespenstische Bilder. Allgemeiner Waschzwang, nicht nur der wahnsinnigen Lady. Die Kinderlosigkeit des Paares wird von der Inszenierung als seine Triebfeder des Bösen thematisiert. Daher hat Macbeth sein Trauma. Noch ist er erleichtert beim Tabledance, während seine Gattin dazu an der Festtafel ihr Trinklied intoniert, bis ihm anstelle des ermordeten Banquo der Geist einer hochschwangeren Frau erscheint, die er knallend mit dem Tisch erschlägt. Sie könnte die Mutter künftiger Könige gewesen sein. Mit der vitalen Performerin Franziska Kronfoth wird das kleine Ensemble zum Chor, der ums Vaterland klagt, bevor Scheerer Macbeth’ Arie vor dem Tod singt. Die Königsstatue des Königsmörders ist zerbrochen. Ähnlich dem „Macbeth“ von Sciarrino, den Jürgen Flimm auf der Baustelle der Staatsoper inszeniert hat, glaubt die Aufführung nicht an ein Happy End. Sie ist komödiantisch und brutal.
Wieder am 1., 4., 5. März und weitere Vorstellungen im März und April