Museum in Washington: Ein anderer Blick nach Asien
Mit Kunst die Geopolitik beeinflussen: Die Freer-Sackler Gallery in Washington, D.C. eröffnet nach mehreren Jahren Renovierungsarbeiten neu.
In Korea wachsen die Spannungen, vielleicht droht gar ein Atomkrieg. Präsident Donald Trump stellt auch das Nuklearabkommen mit dem Iran infrage. Doch da ist das andere Amerika. Mitten hinein in die Spannungen eröffnet die Freer-Sackler Gallery nach mehrjährigen Renovierungsarbeiten neu. Das älteste Kunstmuseum auf der National Mall in Washington stellt seine asiatischen Sammlungen in neuem Glanz aus und drängt die Elite in der US-Hauptstadt mit zahlreichen Diskussionsforen zu einer Debatte über das Verhältnis der USA zu Asien.
Ein besonderer Anziehungspunkt ist der Peacock Room, ein in grün-goldener Pfauen-Ornamentik schwelgender Raum, in dem ursprünglich Porzellan aus China zur Schau gestellt wurde. James McNeill Whistler hat ihn 1876/77 ausgemalt. Der US-Industrielle Charles Lang Freer, der Stifter der Freer Gallery, hat ihn 1904 in London dem reichen britischen China-Händler Frederick Leyland abgekauft und in die USA verschifft. Nun steht an Stelle des damals modischen China-Porzellans zum Teil Jahrhunderte alte Keramik aus Korea, Japan, China, dem Iran und Syrien in den Vitrinen.
Ein asiatisches Kunstmuseum kam Roosevelt gerade recht
Freer vertrat die Auffassung, man müsse nicht nach Kulturen und Entstehungszeiten ordnen. „Alles geht mit allem“ war seine Devise, sofern die Exponate ästhetisch sind und künstlerischen Wert haben. Im nächsten Raum wird die mehr als tausend Jahre alte Keramik-Tradition Koreas ausgebreitet. Der Schwerpunkt liegt auf Seladon-Keramik, die für ihren grünlichen Schimmer bekannt ist. Einige Räume weiter ziehen reich verzierte goldene Krüge aus dem alten Persien die Blicke auf sich.
In den USA ist die Freer-Gallery der Urtyp der Strategie, mit Kunst die Geopolitik zu beeinflussen. Als Freer seine außergewöhnliche Asien-Sammlung 1906 der Smithsonian Institution schenkte, der heutigen Trägerorganisation der weltberühmten Museen auf der National Mall, lehnte diese zunächst ab. „Wir kümmern uns um Wissenschaft, nicht um Kunst“, sei damals die Devise gewesen, erläutert Julian Raby, Direktor der Asiatischen Sammlungen. Präsident Theodore Roosevelt intervenierte. Die USA hatten kurz zuvor im Konflikt zwischen Russland und Japan vermittelt. Ein asiatisches Kunstmuseum im Herzen der Hauptstadt kam Roosevelt gerade recht, um die geopolitische Neuausrichtung der USA nach Asien zu illustrieren.
Rückgewinnung von Identität
Durch Kunst sichtbar machen, was in den politischen Tagesnachrichten untergeht: Das ist auch heute das Anliegen, sagt Raby. „Unser Afghanistan-Bild ist von Krieg und Zerstörung geprägt, nicht durch städtische Kultur und Kunst.“ Also hat er in der Sackler Gallery, die an die Freer Gallery direkt angrenzt und mit ihr gemeinsam das Museum bildet, die Sonderausstellung „Turquoise Mountain. Artists transforming Afghanistan“ untergebracht. Noch während der Kämpfe haben Künstler und Handwerker begonnen, die Holzgebäude von Murad Khani, der Altstadt von Kabul, wiederaufzubauen. Der Holzduft der filigranen Schnitzereien aus Himalaya-Zeder und die Video-Testimonials der Künstler und Handwerker bleiben noch lange nach dem Besuch der Ausstellung haften. Viele von ihnen hatte der Krieg entwurzelt und in die Emigration getrieben. Die Rückkehr und die künstlerische Aufbauarbeit verstehen sie auch als persönlichen Kampf um die Rückgewinnung ihrer Identität.
Die USA sind abermals in einer Phase geopolitischer Neuorientierung. Die Freer-Sackler Gallery probt ihre eigene Kunst der Geopolitik. Sie öffnet die Augen für die Kultur der Länder, die in den Nachrichten nur als Schauplätze von Konflikt und Krieg aufscheinen.
Christoph von Marschall ist erster Helmut-Schmidt-Fellow der ZEIT-Stiftung und des German Marshall Fund of the United States (GMFUS) und arbeitet derzeit in Washington an einer Studie über die Zukunft der Transatlantischen Beziehungen.