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Alexander Skarsgård als Tarzan.
© Warner

"Legend of Tarzan" mit Alexander Skarsgård: Edel sei der Wilde

Mit "Legend of Tarzan" macht Regisseur David Yates aus dem Mythos vom Affenmenschen ein antikolonialistisches Märchen. Den Lendenschurz trägt diesmal Alexander Skarsgård.

Einem Mann im weißen Leinenanzug, an dessen Handgelenk ein Rosenkranz baumelt, muss man misstrauen. Vor allem in den afrikanischen Tropen. Der Rosenkranz signalisiert Bigotterie, das korrekt-saloppe Outfit belegt, dass dieser Abenteurer mehr ans Geld als an Gott glaubt. Leon Rom ist ein Emissär des Königs Leopold II. von Belgien, entsandt, um aus dessen Privatkolonie, Belgisch- Kongo, möglichst viel Beute in Form von Rohstoffen, vor allem Rohdiamanten, herauszupressen. Christoph Waltz spielt den Kolonialverbrecher mit gepflegtem Schnauzbart sowie jenem Lächeln am Ende seiner sanft ausgesprochenen Bosheiten, das wir schon aus vielen seiner Filme kennen. Mit dem Rosenkranz erdrosselt er gerne seine Gegner.
Am Handgelenk lässt sich aber auch die Kraft und Körpergewandheit eines Mannes ablesen. John Clayton, Lord Greystoke, hat besonders große Hände und breite Handgelenke, weil er sich früher gerne auf allen vieren fortbewegt hat. Seine Haare trägt er schulterlang wie ein Romantiker. Dabei befinden wir uns am Ende des 19. Jahrhunderts. „Nehmen Sie die Treppe?“, fragen ihn Schulkinder, die seinen englischen Landsitz besichtigen. „Nein, immer die Vorhänge.“

Tarzan besteht aus Muskeln und Narben

In seinem früheren Leben war der Lord Tarzan, seitdem ist er berühmt. Den Dschungel hat er hinter sich gelassen, Afrika will er nicht wiedersehen, weil es dort „viel zu heiß“ sei. Bis ihn die dringende Bitte des britischen Parlaments erreicht, den Stand der Menschenrechte in Leopolds Kolonie zu überprüfen. Natürlich macht er sich mit Ehefrau Jane (Margot Robbie, später wird sie die Liane greifen) auf den Weg, nichtsahnend, dass ihn sein Todfeind Rom bereits erwartet. Alexander Skarsgård besteht als Tarzan im weiteren Verlauf der Geschichte hauptsächlich aus Muskeln und Narben.

David Yates’ Film „The Legend of Tarzan“ gelingt es, den Mythos vom Affenmenschen noch einmal anders zu erzählen. Dabei sind die Tarzan-Geschichten von Edgar Rice Burroughs, deren erste 1912 in einem Groschenheft erschien, bereits über hundert Mal verfilmt worden. Den Helden in kurzer Hose haben unter anderem Johnny Weissmüller, Lex Barker und Christopher Lambert verkörpert. Tarzan gehört zur Gattung der edlen Wilden, als solcher entstammt er den kolonialistischen und rassistischen Klischees des Zeitgeistes vor dem Ersten Weltkrieg.

Unterwegs zum Herz der Finsternis

Dass „Legend of Tarzan“ sich als antikolonialistisches Märchen gibt, wirkt wie eine Abbitte für diese Tradition. Gleich der Vorspann verweist auf die Berliner Konferenz von 1884/85, bei der 14 Mächte die Ausbeutung an Kongo und Niger vereinbarten. Später heißt es, dass Leopold 99 Prozent seiner Kolonie gesperrt habe, über die Ungeheuerlichkeiten die dort geschehen, das Handabhacken und die Hinrichtungen, kursieren Gerüchte. Aber die Zug- und Schiffsladungen voller in Ketten gelegter Sklaven sind Beweis genug für die mörderische Gewinnmaximierung. Der Freistaat Kongo ist das „Herz des Finsternis“, wie Joseph Conrads 1899 erschienene Erzählung heißt, die dort spielt. Christoph Waltz’ Unterdrückungsgewinnler Leon Rom wäre gerne ein Nachfahre von Marlon Brandos Massenmörder Colonel Kurtz aus Francis Ford Coppolas Vietnamkriegsfilm „Apocalypse Now“, der auf Conrads Buch beruht. Doch dessen Verschlagenheit erreicht er bei weitem nicht.
Im Kern aber ist „Legend of Tarzan“ ein Abenteuerfilm. Und ein Duell. Naturkind gegen Raffke, Urwald gegen Dekadenz. Zur Seite steht Tarzan der amerikanische Anti-Sklaverei-Aktivist George Washington Williams, der in Person von Samuel L. Jackson einem Western von Quentin Tarantino entsprungen sein könnte. Er bedient beidhändig Langwaffen und wechselt im Finale ans Maschinengewehr. Noch wirkungsvoller wird der Held von seinen alten Freunden unterstützt, den Tieren. Auf seinen Lockruf hin trampelt eine Büffelherde eine ganze Hafenstadt nieder, gefolgt von Löwen, die sich über die Soldaten des Königs hermachen. Den Rest erledigen die Krokodile.

Afrika als Phantasielandschaft

Dass Tarzan allerdings im dichtesten Dschungel auf Elefanten trifft, erscheint zoologisch gewagt. In freier Wildbahn meiden die Rüsseltiere das Dickicht. Atemberaubend sind die Bilder, in denen Leon Rom mit einem Militärtrupp ins Hochland marschiert. Der Weg führt durch weißen Nebel, aus dem bewaldete Gipfel wie Inseln aufragen. Hier könnte auch King Kong leben. Als die Männer auf gekreuzigte Europäer treffen, werden sie von Eingeborenen attackiert. Der Hochwald ist überaus unheimlich, die Steppe wölbt sich majestätisch, der Dschungel dampft vor Fruchtbarkeit.
Man glaubt es in dieser Hollywoodproduktion fast mit Tableaux vivants zu tun zu haben, mit von Mensch und Tier belebten Idealkulissen, die nur wenig mit Afrika gemein haben, das der amerikanische Tarzan-Schöpfer Burroughs nicht aus eigener Anschauung kannte. Der britische Regisseur David Yates hat Erfahrungen mit Fantasiewelten, er inszenierte vier „Harry Potter“-Folgen. Am stärksten wirkt der Film, wenn er die Schwerkraft hinter sich lässt. Wenn der Titelheld, verfolgt von Gorillas und selber Sklavenjäger verfolgend, sich hinabstürzt, an der Liane über Kaskaden von Bäumen schwingt, in den Fluss springt, zum Wasserfall getrieben wird. Tarzan bewegt sich lautlos. Sein „Aaaaahhhh uohuoh ouh ouh“-Schrei ist Geschichte.
„Legend of Tarzan“ läuft ab Donnerstag in den Kinos

Warum "Legend of Tarzan" selbst 50 Jahre nach der Unabhängigkeit Afrikas noch Uralt-Klischees verewigt, erklärt die Reporterin Cecilia Kamuputa aus Harare, Zimbabwe, hier.

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