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Museum in Tervuren in Belgien
© imago/Westend61

Musée Royal de l’Afrique Centrale in Brüssel: Der belgische Horror

Vom Kolonialpalast zum internationalen Forschungszentrum: Das Musée Royal de l’Afrique Centrale bei Brüssel wird umgebaut - währenddessen werden die Ausstellungsstücke in alle Welt ausgeliehen.

Als der Historiker David van Reybrouck 2010 sein monumentales Werk „Kongo. Eine Geschichte“ veröffentlichte, erlebte Belgien eine Überraschung. Das Buch wurde schnell zum Bestseller und in viele Sprachen übersetzt. Es war die erste umfassende Beschäftigung mit der grauenvollen belgischen Kolonialgeschichte, und sie wurde angenommen, wenn auch mit großer Verspätung. 1899 war es ein anderes Buch gewesen, Joseph Conrads Erzählung „Heart of Darkness“, die dem kolonialen Wahn des belgischen Königs Leopold II. und seiner Beamten nahe kam und der Welt den Horror beschrieb. Das „Herz der Finsternis“ ist bis heute Synonym des Unaussprechlichen und Unvorstellbaren. Francis Ford Coppola verlegte die Kongo-Reise nach Vietnam, bei ihm kamen die Kolonialherren aus den USA: „Apokalypse Now“.

Leopold II. betrachtete den „Freistaat Kongo“ als Privatbesitz, 8000 Kilometer von Brüssel entfernt und 80 mal so groß wie Belgien. Die Kongo-Konferenz von 1884/85, die Bismarck einberufen hatte, gab ihm dazu den Freibrief. In Berlin teilten damals die europäischen Mächte Afrika unter sich auf wie einen großen Kuchen. 1908 wurde der „Freistaat“ zur Kolonie. Die Unabhängigkeit kam 1960. Wie viele Menschen das belgische Kolonialregime das Leben kostete, weiß man nicht genau. Es müssen wohl einige Millionen gewesen sein.

Herkunftsgeschichte am Eingang

Dass das Königreich Belgien unter diesen Umständen eine der weltweit größten und schönsten Sammlungen zentralafrikanischer Kunst sein Eigen nennt, kann nicht verwundern. 1910 eröffnete dafür bei Brüssel das Musée Royal de l’Afrique Centrale in Tervuren, ein Kolonialschloss mit Park, das nicht nur wegen seiner Kuppel leicht an das Berliner Stadtschloss erinnert, die Außenhaut des Humboldt-Forums.

Ethnologie und Kolonialismus sind historisch eng verwoben – und man sieht: Das Humboldt-Forum ist nicht allein auf der Welt. Es gibt an einigen Stellen in Europa das Bemühen, die kolonialistische Völkerkundeperspektive abzuräumen und einen neuen Museumstyp zu entwickeln. In Tervuren bleibt das Museum bis 2017 geschlossen. Es wird umfänglich renoviert und umgebaut. Ein neuer Eingangsbau wird gegenüber dem alten Gebäude errichtet, der Zugang ist nachher unterirdisch. Und dort soll der Besucher dann gleich, bevor er die Sammlungsräume betritt, mit der Geschichte des Museums empfangen werden. Das heißt natürlich: Herkunftsgeschichte. Wie kamen die 150 000 Kunst- und Handwerksstücke nach Europa? Es waren Soldaten, Missionare, Händler, Privatreisende, die im Kongo all die Artefakte abpressten, stahlen, kauften oder vor dem Verfall retteten. Nach Belgien gelangten damals auch über zehn Millionen zoologische und geologische Proben. Die Kolonialherren ließen das Land gründlich erforschen, dessen Menschen und dessen Natur ebenso systematisch ausgebeutet wurden: Im Kongo ging es um Kautschuk für den Weltmarkt.

Es ist schwer, den Horror der Kolonialzeit zu begreifen

Tervuren ist heute eine internationale Forschungsstelle für Afrika, und das soll ausgebaut werden. Afrikanische Wissenschaftler werden hier ausgebildet, in Zukunft will der Kolonialpalast auch ein Treffpunkt für die afrikanische Community in Belgien und Europa sein. Klingt nach Humboldt-Forum: Auch in Berlin wird daran gearbeitet, die ethnologischen Sammlungen aus Dahlem in einer Weise zu präsentieren, die im 21. Jahrhundert Bestand haben kann. Der Begriff Raubkunst ist in vielen Fällen angebracht, in vielen anderen aber auch nicht. Tervuren hat sich 2010 in der Ausstellung „Exit Congo Museum“ mit diesen Fragen beschäftigt und den Weg der afrikanischen Masken und Skulpturen verfolgt.

Während der Schließung leiht Tervuren seine Schätze in alle Welt aus. In Brüssel im Museum Belvue ist jetzt eine Ausstellung mit Riesenmasken aus dem Kongo zu sehen, die von den Jesuiten eingesammelt wurden. In Paris zeigt die Fondation Cartier Kunst aus dem Kongo von 1926 bis heute – fantastische Malerei, die nie im Land ihrer Entstehung zu sehen war. Und in Ostende beschwört das ambitionierte MuZee, ebenfalls mit Stücken aus Tervuren, „Europäische Geister“. Was eigentlich belgische und afrikanische Geister sind: Es handelt sich um den Versuch, die Präsentation afrikanischer Kunstwerke in der westlichen Kunst- und Museumswelt nachzuverfolgen.

Ausgewählte Skulpturen von herausragender Qualität werden eingebettet in eine Fülle von Büchern, Fotos, Dokumenten. Man sieht, wie der Spirit in der Intellektualität ertrinkt. Und wie schwer es ist, den Horror der Kolonialzeit zu begreifen, der zwei Weltkriegen vorausging und von neuen Genoziden überdeckt wurde. Nur ein paar Schritte sind es vom MuZee zur Nordsee, hier fuhren die Kolonialtrupps ab.

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