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Zuwachs am Kulturforum. Das Museum der Moderne kommt an die Potsdamer Straße.
© imago

Neues Museum der Moderne für Berlin: Durchbruch am Kulturforum

Die Moderne bekommt mit 200 Millionen Euro vom Bund endlich ihr Museum in Berlin – und einer der zentralen Orte der Kulturhauptstadt damit ein neues Gesicht. Die Kulturstaatsministerin konnte die Haushälter offenbar von der Dringlichkeit des Projekts überzeugen. Ein Riesenerfolg für Monika Grütters.

200 Millionen Euro für ein Museum der Moderne in Berlin – es ist der Durchbruch in einer der wichtigsten Museumsfragen bundesweit. Endlich, nach jahrelangem Ringen bekommt die Kunst der Moderne in Berlin doch noch ihren Neubau. Wenige Wochen vor Schließung des Miesvan-der-Rohe-Baus zwecks mehrjähriger Sanierung erhält die immer schon viel zu klein dimensionierte Neue Nationalgalerie ihre Zukunftsperspektive. Deren bedeutende Bestände expressionistischer Kunst, Kirchner, Grosz, Dix, aber auch die anvertrauten Privatsammlungen erhalten damit in absehbarer Zeit den ihnen angemessenen Platz.

Bei den Haushaltsberatungen des Bundes am gestrigen Donnerstag haben sich die Abgeordneten überraschend dazu durchgerungen, 200 Millionen Euro in den kommenden Jahren bereitzustellen, damit an der Potsdamer Straße ein 14 000 Quadratmeter großer Neubau entstehen kann, der auch eine städtebauliche Lösung für das Kulturforum herbeiführen soll. Baubeginn soll 2017 sein, das Museum könnte 2021 eröffnet werden.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), die das Projekt vorangetrieben hat, dankte den federführenden Haushältern Rüdiger Kruse (CDU) und Johannes Kahrs (SPD) für das „klare Bekenntnis zur Kultur in der Hauptstadt“ und sprach vom „langersehnten Durchbruch nach vielen öffentlichen Diskussionen und schwierigen internen Verhandlungen“. Sie sei glücklich, dass es nun eine verbindliche Vereinbarung mit dem Sammler Erich Marx gebe. Ein Teil seiner Werke ist derzeit im Hamburger Bahnhof untergebracht.

Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, zeigte sich überwältigt: „Der Staatsministerin ist ein fulminanter Akt mit großer Zukunftswirkung gelungen. Es ist auf wunderbare Weise geglückt, spektakuläre Sammlungen für Berlin zu sichern. Für die Stiftung ist der Weg geebnet, endlich in der Präsentation der Kunst des 20. Jahrhunderts zu den großen Museen der Welt aufschließen zu können.“

Beim Museum der Moderne war zuletzt von einem privaten Bauherrn die Rede. Das ist vom Tisch

Die Neuigkeit kam auch deshalb unerwartet, weil sich die kulturpolitischen Sprecher der Parteien in jüngster Zeit eher zurückhaltend bis negativ zum Projekt Galerie des 20. Jahrhunderts geäußert. Stattdessen war in den vergangenen Monaten als Alternative das Modell einer Public Private Partnership stärker in den Vordergrund gerückt: zunächst von Monika Grütters ins Spiel gebracht, dann auch von Hermann Parzinger vorangetrieben.

Ein privater Bauherr, der die Immobilie nach Fertigstellung der öffentlichen Hand überlässt, erschien als letzter Ausweg, um das Desaster abzuwenden, dass Berlin als Stadt der Moderne auch weiterhin über Jahre seine bedeutendsten Stücke nicht zeigen kann und Sammler wie Ulla und Heiner Pietzsch, die ihre Surrealisten-Schenkung an die öffentliche Präsentation gebunden hatten, nicht zu halten vermag. Pietzsch hatte wiederholt gewarnt, er werde die Kollektion nach Dresden zu geben, sollte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bis zur Schließung der Nationalgalerie am Jahresende keine Perspektive aufzeigen können.

Die jüngst im Untergeschoss der Nationalgalerie eröffnete Sonderausstellung mit den 20 schönsten Bildern der Sammlung Pietzsch hat das Dilemma nur noch schmerzlicher sichtbar gemacht und damit vor aller Augen den Druck auf die Stiftung erhöht. Großes Aufatmen auch hier: „Unser sehnlichster Wunsch geht in Erfüllung“, so das Ehepaar Pietzsch. Erich Marx äußert sich ebenfalls enthusiastisch über die Aussicht, „an der Potsdamer Straße eine wahrhaft dauerhafte Bleibe“ für seine Sammlung zu finden. Egido Marzona als dritter großer Sammler der Nationalgalerie spricht begeistert von „weiteren Überlegungen“, die er nun anstellen werde.

Tim Renner: "Berlin ist den Haushältern des Bundes dankbar."

Möglich, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble die Idee missfallen hatte, eine öffentliche Bauaufgabe gänzlich einem privaten Investor anzuvertrauen. Bei ihm lag der Vorschlag für das Öffentlich-Private-Partnerschaft-Modell (ÖPP) seit geraumer Zeit zur Prüfung. Von dort kommen nun auch die so dringlich gebrauchten Gelder für den Neubau, der voraussichtlich 2020 fertiggestellt sein soll – in kaum mehr als fünf Jahren, wenn es, wie geplant, bereits 2015 ein EU-weites Vergabeverfahren gibt. Der Zuschlag soll 2016 erfolgen, 2017 der Baubeginn. Die sehr optimistische Planung sieht eine Übergabe des Gebäudes 2020 an die Nationalgalerie vor, ein Jahr später schließlich die Eröffnung des Museums. Die Realisierung des Neubaus ist gleichwohl als ÖPP-Projekt geplant, da das Haus private Sammlungen beherbergt – und um schneller und kostengünstiger arbeiten zu können. Ausführendes Unternehmen soll die ÖPP-Deutschland AG sein, die den Bund in Fragen öffentlich-privater Partnerschaften berät.

Die Abgeordneten Rüdiger Kruse und Johannes Kahrs gaben die gute Nachricht im Verein mit dem Berliner Kulturstaatssekretär Tim Renner bekannt. Sie hatten in Renner einen Verbündeten gefunden, der mögliche Hindernisse bei Grundstücksfragen aus dem Weg zu räumen hilft. Auch Renner freute sich: „Die Sammlungen Pietzsch, Marx und Marzona stellen eine wunderbare Ergänzung für unsere exzellente Museumslandschaft dar. Berlin ist den Haushältern des Bundes dankbar.“ Das Land Berlin stellt kein Geld zur Verfügung, will dem Bund aber neben der Bereitstellung von Grundstücken auch baurechtlich zur Seite stehen.

Großer Erfolg für Monika Grütters

Den größten Triumph aber bedeutet der Durchbruch für Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die seit ihrer Berufung Ende letzten Jahres den Neubau zum erklärten Ziel gemacht hatte. Auf sie dürfte auch zurückzuführen sein, dass nun vor allem von der Potsdamer Straße als Standort die Rede ist, der von Anfang an von ihr favorisiert wurde. Nachdem 2012 noch unter Kulturstaatsminister Bernd Neuman zunächst zehn Millionen Euro für die Umrüstung der Gemäldegalerie in ein Museum der Moderne bereitgestellt worden waren, hatte sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz 2013 für einen Neubau hinter der Nationalgalerie an der Sigismundstraße ausgesprochen. Denn diese Variante erwies sich in der vom Bundesbauministerium vorgelegten Machbarkeitsstudie als kostengünstiger. Auch Stiftungspräsident Parzinger hatte zuletzt stets die Potsdamer Straße als Standort genannt, um damit dem urban verhunzten Kulturforum eine neue Möglichkeit zur Arrondierung zu geben.

Für die Architekten des kommenden Baus stellt sich damit die größtmögliche Herausforderung. Sie müssen gestalterisch vermitteln zwischen einer Ikone der Moderne, Mies van der Rohes Neuer Nationalgalerie, und der Philharmonie, Hans Scharouns Meisterwerk, sowie der Staatsbibliothek gegenüber. Keine einfache Aufgabe, lösbar vermutlich nur durch größte Zurückhaltung, die sich auch aus finanziellen Gründen empfehlen dürfte. Vom Raumumfang her stellt die Potsdamer Straße für die Nationalgalerie die beste Variante dar, die Sigismundstraße als Standort wirkte von Anfang an zu knapp bemessen. Gleichwohl war hier die räumliche Zusammengehörigkeit beider Gebäude eindeutiger. Auch hier müssen sich die Architekten eine Lösung einfallen lassen, wie der Mies-Bau und das künftige Museum der Moderne miteinander zu verbinden sein werden.

Der Umzug der Gemäldegalerie zur Museumsinsel ist mit dem Neubau für die Moderne am Kulturforum in weite Ferne gerückt und der einstige Plan, das 20. Jahrhundert im Haus der Alten Meister unterzubringen, ad acta gelegt. Die Gelder für eine derart kostspielige Rochade hätte es in absehbarer Zeit nicht gegeben. Da sind die 200 Millionen Euro mehr als der Spatz in der Hand, sondern das große Glück.

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