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Zwischen Selbstüberschätzung und Verzweiflung. Eine Szene aus „Ein kleiner Schritt für die Menschheit“.
© Jaja

Größenwahnsinnige Mondexpedition: Drei Narren auf dem Weg ins Nirgendwo

In Joachim Brandenbergs Comic-Tragikomödie „Ein kleiner Schritt für die Menschheit“ machen sich drei Wissenschaftler auf den Weg zum Mond – zu Fuß.

Der Mond hat schlechte Laune. Während die Menschen versuchen, mit und ohne technische Hilfe zu ihm zu kommen, will er einfach seine Ruhe. Als sie es schließlich schaffen, breiten sie ihre Gebäude und ihre Technik auf der ganzen Oberfläche aus. Dabei hat sich nie jemand gefragt, ob der Mond überhaupt Gesellschaft will.

Episoden, die auf jeweils einer Seite von einer Mondexpedition erzählen, ziehen sich wie Kurzkommentare durch den neuen Comic von Joachim Brandenberg. In ihnen zeichnet er dem von Kratern durchzogenen Trabanten ein immer verzweifelteres Gesicht.

Und auch der Titel „Ein kleiner Schritt für die Menschheit“ (Jaja-Verlag, 120 S., 18 €) deutet an, dass Brandenberg von Mondexpeditionen wenig hält. Das Schöne: diese Kommentare kommen nie platt, sondern in einer berührenden Mischung aus Melancholie und Witz daher.

Von vorneherein zum Scheitern verurteilt

Wie auch die eigentliche Geschichte einer Expedition, die von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist. Sie beginnt vor einem Gericht im Venedig des Spätmittelalters. Drei Sachverständige sollen klären, ob der berühmte Marco Polo über seine Asien-Reisen die Wahrheit geschrieben hat. Die drei nutzen den Auftritt aber, um für ihre eigene Expedition in den Osten zu werben. Ihr Ziel: der Mond, denn der geht bekanntlich im Osten auf!

Als Leserinnen und Leser sehen wir sie unter anderem in einem Wald in Moldawien, am Aralsee und schließlich in der Wüste Gobi wieder. Jeder Ort wirkt unwirtlicher als der vorangegangene, jeden hat Joachim Brandenberg digital erzeugt und teilweise mit Buntstiften wieder übermalt: Landschaften mit einer Patina wie auf Gemälden holländischer Meister und so simplen Strichen wie in Zeitungscartoons.

Wehmut und Witz. Eine Szene aus „Ein kleiner Schritt für die Menschheit“.
Wehmut und Witz. Eine Szene aus „Ein kleiner Schritt für die Menschheit“.
© Jaja

In ihnen spiegeln sich Pathos und wenig glorreiche Wirklichkeit, später Selbstüberschätzung und Verzweiflung der drei Reisenden wider. Kein Wunder, dass einer von ihnen an der unlösbaren Aufgabe verrückt wird und sich eine kunterbunte Erzählung vom Empfang durch die Mondmenschen zusammenspinnt.

Die Welt als Wille und Vorstellung

Traurig und zutiefst komisch wirkt das, vor allem weil die Figuren selbst wirken als seien sie Cartoons entstiegen. Die drei haben nicht nur übergroße Köpfe und mit wenigen Strichen umrissene Knubbelnasen oder Mini-Ohren, sondern auch Namen, die wie Pointen klingen: wer Gufo, Sparviero oder Ciuffolotto heißt, hat wenig Chancen auf ein Ende als Held.

Am witzigsten sind aber ihre Dialoge, in denen es um Teambildung, positives Denken und die Welt als Wille und Vorstellung geht. Da offenbart sich am schönsten der Spagat zwischen Größenwahn und offensichtlichem Scheitern.

Schon in seinem Debüt „Tobisch“ hat Joachim Brandenberg diesen Spagat treffsicher in Wort und Bild eingefangen, schon da liegt über den digitalen, teils übermalten Bildern die Stimmung aus Wehmut und Witz. „Ein kleiner Schritt für die Menschheit“ fügt ihr eine ganze Palette neuer Zwischentöne hinzu.

Das Titelbild des besprochenen Bandes.
Das Titelbild des besprochenen Bandes.
© Jaja

Silke Merten

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