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Eigenartige Gestalten: Tobisch (links) sucht nach seiner verlorenen Verlobten.
© Brandenberg/JaJa

„Tobisch“ von Joachim Brandenberg: Immer der Nase nach

Joachim Brandenberg beeindruckt in seiner Literaturadaption „Tobisch“ mit vielschichtigen Collagen. Dass seine Odyssee durchs New York des frühen 20. Jahrhunderts an Trickfilme erinnert, ist kein Zufall.

Einen prägnanten Zinken soll er haben, der Mann, der Eduard Tobisch retten wird. So hat es die Wahrsagerin auf Coney Island prophezeit. Also heftet sich der frisch nach Amerika ausgewanderte Spross einer bayerischen Fleischerfamilie an die Fersen eines Schriftstellers. Den hat er nach dem Besuch des Orakels auf seiner nächtlichen Odyssee durch Manhattan zum Retter erkoren, weil dessen Nase so eine imposante Form aufweist. Getrieben wird der so leichtgläubige wie verzweifelte Auswanderer von der Hoffnung, am Ende seine zwischen Bayern und New York verloren gegangene Verlobte zu finden, mit deren Konterfei er zuvor die halbe Stadt tapeziert hat.

Es ist ein moderner Ritter von der traurigen Gestalt, den der Offenbacher Künstler Joachim Brandenberg da durch das New York des frühen 20. Jahrhunderts irren lässt. Seine Bilderzählung im Retro-Look hat er aus eigenen Zeichnungen im Cartoon-Stil, zerschnittenen Fotos und Fundstücken wie gemusterten Papieren zu einer Collage montiert, ergänzt durch eingescannte und neu zusammengesetzte Buchstaben aus Telefonbüchern, US-Zeitungen und Magazinen. Zusätzliches Zeitkolorit vermittelt ein knisternder Soundtrack mit historischen Liedern, den es per Online-Link zu hören gibt.

„Eine Illustration, die man förmlich anfassen kann“

Man sieht dem Werk an, dass es ursprünglich als Trickfilm geplant war, einem Metier, in dem Brandenberg mit „Der  Jäger und der Bär“, seiner siebenminütigen Diplomarbeit, bereits ein mehrfach preisgekröntes Werk vorzuweisen hat. „Ich liebe Texturen, Lichter und Schatten, und das Gefühl, eine Illustration zu basteln, die man förmlich anfassen kann“, sagt der Künstler.

Die altmodische, stellenweise etwas steif wirkende Bildsprache, die an ein Papiertheater erinnert, passt bemerkenswert gut zu den schrulligen Charakteren, die hier agieren. Was Realität ist und was Fantasie, ist in „Tobisch“ noch weniger klar als in der Kurzgeschichtenvorlage „Tobin’s Palm“ des US-Schriftstellers O. Henry. Den macht Brandenberg in seiner Adaption kurzerhand zur Nebenfigur der Erzählung: Der Schriftsteller, den der arme Tobisch in seinem Wahn als Retter in der Not auserkoren hat, heißt bei Brandenberg William S. Porter – der Geburtsname O. Henrys.

Traurige Gestalt: Tobisch auf dem Buchcover.
Traurige Gestalt: Tobisch auf dem Buchcover.
© Jaja Verlag

Stärker als in der 1906 veröffentlichten literarischen Vorlage ist die Hauptfigur bei Brandenberg eine tragische Witzfigur, deren unberechenbares Handeln für manche Pointe taugt, auch wenn man irgendwann nur noch Mitleid empfindet. Halbnackt irrt Tobisch da durch eine regnerische Nacht, und was Brandenberg schließlich aus dem bei O. Henry überraschenden, aber wenig glaubwürdigen Happy End macht, das ist noch mal ein Kunststück ganz für sich.

Joachim Brandenberg: Tobisch, JaJa-Verlag, 108 Seiten, 23 Euro, Leseprobe auf der Website des Verlages.

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