Deutsches Theater Berlin: Dogma-Film "Das Fest" mit Knicklicht
Anne Lenk wagt eine weitere Bühnenadaption von Thomas Vinterbergs und Mogens Rukovs Film „Das Fest“ in den Kammerspielen des Deutschen Theaters.
Wer zum „Fest“ in die Kammerspiele des Deutschen Theaters will, bekommt am Eingang ein Glas Sekt in die Hand gedrückt. Dazu verabreicht der gut gelaunte „Toastmaster“ des Abends (Bernd Moss) grinsend ein Leuchtstäbchen, im Kindergeburtstagsfachjargon „Knicklicht“ genannt: „Sie werden es brauchen.“
Allerdings nur, wenn man tatsächlich das zweifelhafte Inszenierungsangebot nutzen mag, Patriarch Helge Klingenfeldt-Hansen an seinem 60. Geburtstag aktiv mitzufeiern. Wofür es definitiv keinen Grund gibt – wie der Großteil der Zuschauer aus dem dänischen Dogma-Film „Das Fest“ wissen dürfte, der der Produktion zugrunde liegt. Es wird ja keine Viertelstunde dauern, bis der Jubilar durch seinen ältesten Sohn Christian als Sexualdelinquent entlarvt ist, der sich an den eigenen Kindern vergangen hat.
Beklemmenderweise braucht Christian mehrere Anläufe und letztlich die Hilfe seiner Schwester Helene, bis das Gesagte wirklich durchdringt. Die Familienkonventionen und die Feierrituale sind so stark, dass nach Christians Rede erst mal alles routiniert weiterläuft: Man tut einfach so, als sei nichts gewesen.
Der Film ist schon unzählige Male auf die Bühne gebracht worden
Thomas Vinterbergs und Mogens Rukovs knapp 20 Jahre alter und seinerzeit wirklich bahnbrechender Film ist im Theater inzwischen unzählige Male adaptiert worden. Die Versuche, die Unmittelbarkeit der wackelnden Handkamera und die ungute Nähe zur entgleisenden Familiensause auf die Bühne zu übertragen, fielen dabei sehr unterschiedlich aus. Während Michael Thalheimer die Zuschauer im Staatsschauspiel Dresden zusammen mit den Darstellern an einer riesigen „Fest“-Tafel platzierte, entschied sich Christopher Rüping in Stuttgart für das Gegenteil: Eine assoziative Inszenierung auf der klassischen Guckkastenbühne, die sich möglichst weit vom Filmrealismus entfernte.
Alle anderen Ansätze pendeln sich irgendwo dazwischen ein – wie auch Anne Lenks Version jetzt am DT. Die zusehends aus dem Gute-Laune-Ruder laufende Party steigt auf der Hinterbühne, wo die Zuschauer im Viereck auf Tribünen um die Spielfläche herum sitzen und von den Schauspielern als Geburtstagsgäste adressiert werden.
Das suggerierte "Mittendrin" bleibt als Fake spürbar
Doch auch, wenn sich immer mal wieder ein Klingenfeldt-Hansen unters Publikum mischt und einige professionelle Partygäste wie Helges Eltern (Katharina Matz und Jürgen Huth) oder der grandios trocken schlechte Witze erzählende Onkel Leif (Michael Gerber) sogar dauerhaft von den Zuschauertribünen aus agieren: Das suggerierte „Mittendrin“ bleibt als Fake spürbar. So werden eher Kindergeburtstags- als „Fest“-Assoziationen wach, wenn der „Toastmaster“ dazu auffordert, wechselweise sich selbst oder das (mittlerweile leere) Glas zu erheben und das Leuchtstäbchen zu schwenken.
Was immerhin insofern ins Konzept passt, als Regisseurin Lenk und Dramaturg David Heiligers die eher konservative dänische Großfamilie aus den 1990er Jahren praktisch direkt vor die DT-Haustür holen, ins linksliberale 2017er-Milieu. Da erlaubt man sich ja gern mal einen Drift in den infantilen Kitsch, weil man sowieso immer ein paar Ironie-Zentimeter zu sich selbst auf Distanz bleibt: korrekte Milieubeobachtung so weit.
Alexander Khuon spielt den Christian überzeugend
Statt physischer Gewaltbereitschaft hegt Helges impulsiver jüngster Sohn Michael (Camill Jammal) hier einen fatalen Hang zu nicht enden wollenden Klavier- Improvisationen, wobei ihn seine naiv- verstrahlte Gattin Mette (Anita Vulesica) mit glücklicher Kinderschar im Schlepptau wacker akkompagniert. Aus Helges Filmtochter Helene, der opponierenden Ethnologin, macht Lisa Hrdina im DT eine in der Modebranche beschäftigte Männerverbraucherin, die gerade was mit dem muslimischen Arzt Kemal (Thorsten Hierse) zu laufen hat – was Mutter Else (Barbara Schnitzler) zu Ethnoklischee- Entgleisungen veranlasst. Alexander Khuon spielt überzeugend den Enthüller-Sohn Christian, und Jörg Pose ist ihm dabei als Verdränger-Vater Helge ein ebenbürtiger Partner.
Kurzum: Der Abend schnurrt wirklich grundsolide ab, bleibt aber in etwa so nachhaltig wie der Schluck Sekt, mit dem er begonnen hatte.
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