ZZ Top live in Berlin: Die Wucht des hypnotischen Hämmerns
Bluesrock mit Bart: Beim Konzert in der ausverkauften Zitadelle Spandau spielen ZZ Top minimal-schöne Melodien mit echter texanischer Coolness.
Strahlende Sonne, Hitze, Trockenheit - ein Wetter wie gemalt für den Auftritt von ZZ Top, den staubigen Wüsten-Desperados aus Texas, die nach mehr als vier Jahrzehnten noch in der Originalformation auftreten und sich bei ihrem Auftritt in der ausverkauften Zitadelle anhören wie ein frisch aufgemöbeltes Hot-Rod-Gefährt, das durch die Weite der Landschaft donnert, bis die Kakteen wackeln. Da geht die Sonne im Herzen auf - auch wenn der Gesamtsound unter freiem Himmel dann vielleicht doch einen Hauch zu leise rüberkommt - und natürlich kann man nur so erklären, wie das Erfolgstrio zu dieser ultra-souveränen Freundlichkeit gefunden hat, die nur Burschen haben, die seit 1970 eine Musik spielen, die von Anfang an ein Klassiker war.
"Der Boogie ist der Atem Gottes", hat der legendäre Rock'n'Roll-Gitarrist Link Wray einmal gesagt. Irgendwann sind den Gitarristen Billy Gibbons und Dusty Hill davon so lange Bärte gewachsen, das sie damit als Gegenentwurf zu den hüftlangen Mähnen anderer Rockstars zu Stil-Ikonen der Popkultur geworden sind. Nur Schlagzeuger Frank Beard (ausgerechnet!) verschließt sich dieser krausigen Angelegenheit, die 1984 einen skurrilen Höhepunkt erlebte, als der Rasierklingenhersteller Gillette den Musikern jeweils eine Million US-Dollar anbot, wenn sie sich für einen Werbespot die Bärte abrasieren. Logisch, das die Musiker das Angebot abgelehnt haben. Schließlich war Beständigkeit schon immer ein Wesenszug dieser Band. Genauso wie die Simplizität der Musik, die sie stets von den barocken Southern-Rock-Kunstschützen mit ihren doppelhalsigen Instrumenten unterschieden hat.
Bei ZZ Top ging es bei allem handwerklichen Können nie um Virtuosität, sondern einzig um die Wucht des hypnotischen Hämmerns. Auch das mag ein Grund dafür sein, das sich so viele auf diese Band einigen können. Nicht nur Noiserock-Ikone Steve Albini, sondern auch der Star-DJ David Guetta ist ein glühender Fan. Dabei waren ZZ Top vor einigen Jahren schon fast abgeschrieben, ehe Erfolgsproduzent Rick Rubin die alte Schrottmühle für das Album "La Futura" wieder auf Höchstleistung getrimmt hat.
Kochentrockener Wüstensound
Auch auf der Bühne kommt zum Tragen, was die Band von Anfang an ausgezeichnet hat: Echte Hardrock-Coolness, die unweitschweifig minimal-schöne Melodien vorträgt und der es nichts ausmacht, das 3/4 aller Stücke aus John Lee Hookers "Boom-Boom"-Riff zusammengebaut wurden. Kein prätentiöser Gniedelkram, sondern ehrlich geschwitzter Bluesrock - eine urwüchsige "Redneck-Rumble"-Musik, die das Leben im geschrubbten Frohsinn zelebriert. Passend dazu treten Gibbons und Hill in schrägen Outfits auf und begeistern die Fans mit lustigen Synchron-Choreografien, während Beard am Riesenschlagzeug eher stoisch, aber äußerst präzise auf die Felle drischt und für einen knochentrockenen Wüstensound sorgt - Bam-Bam! Mit den fetten Basslinien von Hill stellt er das rhythmische Gerüst für das exzellente Gitarrenspiel von Gibbons, der keinen Ton verschwendet, wenn er die lässigen Läufe der großen Texas-Blueser T-Bone-Walker, Albert Collins oder Clarence Gatemouth Brown zitiert und mit "Foxy Lady" seinen alten Kumpel Jimi Hendrix ehrt. Alles fließt zu einem kennerhaften Groove zusammen, der nochmals deutlich macht, wie angenehm es ist, längst angekommen zu sein bei der simplen Form der Dinge, die den Stein ins Rollen brachten. Bewegend ist auch Gibbons heisere Krächzstimme, die aus dem großen Nichts zu kommen scheint, während Hill eher die klaren Töne einbringt. Wie schön der Mann doch singen kann, wenn dieses Gegurgel, kaum Sprache geworden, zu einem Klassiker wie dem "Catfish Blues" zusammenfließt.
Selbstredend bekommt das begeisterte Publikum all die Klopper, die tief in die Körper der Fangemeinde eingedrungen sind und sich dort abgelagert haben: "Gimme All Your Lovin", "Jesus Left Chicago", "Sharp Dressed Man" und als Zugabe "La Grange" und "Tush". Achtzig Minuten dauert dieses krachige Boogie-Rock-Passionsspiel, das sich vor dem Hintergrund alter Videos präsentiert, in denen vor allem flotte Autos und heiße Mädels auftauchen. Ein großartiger Batzen Musik, der keine Einwände gestattet. Alles elementare Abräumer mit voller Bratzbreitseite ohne selbstgefällige Jams und alberne Rocker-Posen. Nur lange Bärte und naturbelassene Schönheit, sieht man mal von den Plüschgitarren ab, die bei "Legs" zum Einsatz kommen. Und wer über Jahrzehnte hinweg so einen an sich selbst entwickelten, abgeklärten, monolithischen Hardrock spielt, der kann sich auf eine treue Fangemeinde verlassen, die jeden Bratsong katatonisch aufnimmt wie einen Schluck Wasser in der Wüste.
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