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Lord Business will mit der Wunderwaffe „Kragle“ die Welt zerstören. Das "Lego Movie" startet am Donnerstag in den deutschen Kinos.
© Warner Bros. Picture

Lego Movie: Die Spur der Steine

Der 3 D-Trickfilm „The Lego Movie“ ist der Überraschungserfolg des Jahres. Temporeich und charmant erzählt er von einer Stadt in Gefahr. Auch für Erwachsene ist das ein großer Spaß.

Das Lego-Prinzip lautet: Verwandlung. Jede Form ist in der Welt der bunten Noppensteinchen bloß eine vorläufige, alles lässt sich im Handumdrehen ab-, um- und neu bauen. Aus einem Hochhaus kann ein Raumschiff werden, aus einem Feuerwehrauto ein Düsenjet. In diesem ewigen Zyklus von Erschaffung und Zerstörung existiert, so lange spielende Kinder am Werk sind, kein Stillstand.

Nur in der „Stadt der Steine“, in der „The Lego Movie“ spielt, ist alles Leben erstarrt, buchstäblich versteinert. Hier herrscht ein feuerspeiender Diktator namens Lord Business, der im obersten Stockwerk eines unendlich hohen Skyscrapers residiert und seine Untertanen zwingt, ihren Alltag ohne jede Spontanität ausschließlich nach seinen „Anleitungen“ zu gestalten. Häuser, die individuell aussehen, werden gesprengt und durch plattenbauartige Hochhäuser ersetzt. Wer den Anleitungen nicht folgt, wird eingeschläfert. Die wie gehirngewaschen wirkenden Einwohner gehen trotzdem mit einem Lächeln zur Arbeit und singen den einzigen Song mit, der ununterbrochen im Radio gespielt wird: „Hier ist alles super, hier wird dein Traum wahr.“

Es ist ein aus Legosteinen erbauter Albtraum, eine dystopische Zukunftsvision, die an Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“ und das Regiment der „grauen Herren“ in Michael Endes Jugendbuchklassiker „Momo“ erinnert. Zu den tröstlichen Botschaften des von Phil Lord und Christopher Miller („Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen“) inszenierten Trickfilms gehört es, dass eine Figur von allergrößter Durchschnittlichkeit ausreichen kann, um die Schreckensherrschaft eines größenwahnsinnigen Potentaten ins Wanken zu bringen. Als Held wird man nicht geboren. Helden sind das Produkt ihrer Taten.

Emmet wird durch Zufall zum Held des Lego-Films

Eine alte Prophezeiung besagt, dass eines Tages ein „Besonderer“ erscheinen werde, um die Stadt der Steine von ihrem Unterdrücker zu befreien. Zu erkennen sei er an seinem „gelben Antlitz“. Gleich im Anschluss an diese Vorhersage zeigt der Film das gelbe Gesicht des Bauarbeiters Emmet in Großaufnahme. Doch die Prophezeiung wirkt reichlich unpräzise, ein „gelbes Antlitz“ hat schließlich jedes Lego-Männchen.

Und Emmet, dieser Zufallsheld, strahlt überhaupt nichts Besonderes aus. Er ist weder außergewöhnlich klug noch verfügt er über außergewöhnliche Talente. Das Auffallendste an ihm ist die Unauffälligkeit. Über sich sagt Emmet: „Ich habe niemals Ideen.“ Am schlimmsten aber ist, dass dieser Jedermann sich längst im Stumpfsinn eingerichtet hat und die Entfremdung sogar liebt. Ohne Anleitung fühlt er sich verloren, sein Buchregal biegt sich unter Verhaltensratgebern mit Titeln wie „Wie du dich so anpasst, dass dich jeder mag“.

Als Emmet eines Abends auf seiner Baustelle der Untergrundrebellin Wyldstyle begegnet, einer begnadeten Martial-Arts-Kämpferin mit lilafarbener Haarsträhne, stürzt er in einen Schacht und bringt das „Stück des Widerstands“ an sich. Mit diesem Stein, so versichert die Prophezeiung, lässt sich das berüchtigte „Kragle“ stoppen, ein durchsichtiger Schleim, mit dem Lord Business seine Gegner paralysiert. Emmet hat seine Bestimmung gefunden, und Wyldstyle, in die er sich natürlich auch noch verliebt, wird zu seiner Kampfgefährtin.

Dass Allerweltshelden versehentlich in ein gefährliches Abenteuer hineingeraten und dann angesichts der Bedrohung über sich hinauswachsen, ist ein alter Topos des Thriller-Genres. Als Inkarnation des kleinen Mannes steht Emmet ganz in der Tradition der überangepassten Büroangestellten, wie sie Jack Lemmon in den Filmen von Billy Wilder gespielt und zuletzt Ben Stiller als Fotoarchivar in der Komödie „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ verkörpert hat. Gerade weil ihnen jeglicher Glamour fehlt, eignen sie sich zur Identifikation.

Sonderlich originell ist die Story von „The Lego Movie“ nicht, ähnlich wie ein Lego-Haus ist sie aus lauter Versatzstücken zusammengebaut: ein bisschen Herr der Ringe (Prophezeiungen und Fantasy-Mummenschanz), etwas Harry Potter (Auftritt des blinden Zauberers), ein bisschen Superman (Gotham City als Vorbild für die Kulissen) und ziemlich viel Hitchcock (die endlose Verfolgungsjagd aus „North by Northwest“). Trotzdem hat es „The Lego Movie“ in den USA und England, wo er mehr als 270 Millionen Euro einspielte, zum erfolgreichsten Film des Jahres gebracht.

Warum? Weil er über zweierlei Eigenschaften verfügt: Charme und Tempo. Der Charme steckt in den Details, etwa in skurrilen Nebenfiguren wie Bad Cop/Good Cop, der mit einer Kopfumdrehung seinen Gemütszustand ändern kann, dem Achtziger-Jahre-Astronauten, der einen originalgetreuen Eierkopf besitzt oder Batman, der hundsmiserabel rappt. Das Tempo steigert sich, der zweite Teil des Films ist reinste Kinetik. Emmet und Wyldstyle, stets verfolgt von Lord Business und seinen Schergen, dringen in immer neue Erlebniswelten vom Wildwestpark bis zum Wolkenkuckucksheim vor, wobei immer gewaltigere Kulissen vorgezeigt und lustvoll zerstört werden.

Geradezu genial ist die finale Wendung, in der „The Lego Movie“ vom Trick- zum Realfilm wird. Dabei stellt sich heraus, dass es sich beim „Kragle“ um Klebstoff zum Festkleben der Legosteine handelt. Fantasie braucht aber keine Befestigung, der Film ist ein einziges Loblied auf die kindliche Kreativität. Wer seine Spielsachen ohne Bauanleitung zusammensetzt, hat die Lektion gelernt. Andererseits: Es gibt auch tolle Bausätze. Davon zeigt der Film, der auch eine Lego-Dauerwerbesendung ist, eine ganze Menge.

Christian Schröder

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