Ende gut?: Das Kino-Finale von "Harry Potter"
Am Ende steht – Entzauberung. Harry Potter, der süße kleine Junge, der mit elf erfuhr, dass er ein Magier ist und auf die Zauberschule Hogwarts berufen wird, ist erwachsen geworden.
Am Ende wird es philosophisch. „Ist das wirklich real? Oder findet alles nur in meinem Kopf statt?“, fragt der erwachsen gewordene Harry Potter. Und sein Lehrer Dumbledore, abgeklärt wie immer, antwortet: „Natürlich findet es in deinem Kopf statt. Aber heißt das, dass es nicht real ist?“ Es ist ein neblig-weißes, wattiges Zwischenreich, ein Limbus zwischen Leben und Tod, im zweiten Teil von „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“ Zeit für solche Diskussionen bleibt, während draußen „in der Realität“ die Endschlacht tobt.
Alles nur im Kopf: Das war Harry Potter. Das Phänomen eines Kinderbuchs, das sich zum weltweiten Megabestseller entwickelt hat, eines Fantasieprodukts, das mit zunehmender Vermarktung ein reales Eigenleben entwickelte, mit Zauberclubs und Eulenschulen und Millioneneinnahmen für alle Beteiligten. Wenn nun mit dem zweiten Teil der siebten Folge die Saga und auch die Hysterie um sie herum auch im Kino endgültig ihr Ende findet, geschieht das mittlerweile irgendwie auch mit globalem Aufatmen. Das war’s mit Harry Potter. Nur die drei Hauptdarsteller Daniel Radcliffe, Emma Watson und Rupert Grint, die im Verlauf der Jahre seit dem Erstling „Harry Potter und der Stein des Weisen“ 2001 mit den Filmen erwachsen geworden sind, verdrückten bei der Premiere in London einige wehmütige Tränen.
Am Ende steht – Entzauberung. Harry Potter, der süße kleine Junge, der mit elf erfuhr, dass er ein Magier ist und auf die Zauberschule Hogwarts berufen wird, ist erwachsen geworden. Im Endkampf mit Lord Voldemort wurde er zur verbissenen Killermaschine, die mit tödlichen Flüchen um sich schießt, durch Blut watet und über Leichen geht. Hermione und Ron, seine treuen Freunde, sind nur noch Sekundanten im Krieg und bekommen dafür – endlich! – ihren ersten Kuss geschenkt und wandeln wie verliebte Teenager Hand in Hand durch die Zerstörung.
Und die Zauberschule Hogwarts mit ihren Brücken, Türmchen und Treppen, die so märchenhaft wie beherrschend in den schottischen Highlands liegt, ist nach Voldemorts Angriff in Schutt und Asche gelegt. Die Szenen nach dem Kampf, in denen altmodische Sanitäter im Lazarett die Verwundeten versorgen, erinnern bewusst an britische Überlebensszenen nach den Luftangriffen auf London im Zweiten Weltkrieg. Es trägt halt jede Nation ihre Mythen im kollektiven Gedächtnis mit sich herum.
Doch von Magie ist nicht mehr viel zu spüren, auch nicht von dem zauberhaften Humor, der Joanne Rowling zu Beginn ausgezeichnet hat. In diesem Finale unter der Regie von David Yates gibt’s nichts mehr zu lachen. Der trockene Kommentar der sichtbar gealterten Lehrerin Minerva McGonagall (Maggie Smith) – „Den Zauberspruch wollte ich immer schon mal ausprobieren“ –, nachdem sie eine steinerne Armee zur Hilfe und zum Leben aktiviert hat, ist nur noch ein schwaches Echo. Keine überraschenden magischen Tricks mehr, höchstens das sich Midas-artig vervielfältigende Gold in der Schatzkammer ist eine schöne Metapher für Gier. Stattdessen ersann die Special-Effects-Abteilung Horrorelemente von der Stange wie einen weißen Drachen, ein Feuermonster oder ork-ähnliche Riesen. Wenn sich die freundliche Hermione (ein Lichtblick: Emma Watson) in die Haut der blutrünstigen Bellatrix Lestrange (Helena Bonham Carter) versetzt und mit ihrem schüchternen Auftreten so gar nicht deren Charakter entspricht, ist das einer der raren darstellerischen Highlights.
Lesen Sie auf Seite zwei über die Komplexität des Plots und das simple Ende.
In Hogwarts ist es finster geworden in den Monaten nach Dumbledores Tod, in denen der undurchsichtige Lehrer Severus Snape das Regime übernommen hat: Wie ein Kloster wirkt die Zauberschule nun (die zu Teilen in Gloucester Cathedral gedreht ist), mit kargen kreuzgangähnlichen Innenhöfen, einer großen Halle, die jedes Schmucks entledigt ist und nüchtern wie ein Refektorium erscheint und einer Armee von Schülern, die in schwarzen Umhängen und im Gleichschritt schweigend aufmarschieren, während Snape sie still wie ein Mönch aus einem Turmfenster beobachtet. Das sind starke Bilder von Terror und schwarzer Pädagogik, die sich, wie oft bei Rowling, unschwer in der Realität verankern lassen. Und die Idee, diese Schule gegen den Voldemort-Angriff mit schimmernden Quallenblasen schützen zu wollen, ist eine der visuell reizvollsten des Potter-Kinofinales.
Snape, von Alan Rickman mit überdeutlicher Artikulation und verlangsamter Sprache lustvoll ausgekostet, ist die eigentliche Hauptfigur des Films, der Bösewicht, der posthum zum Helden rehabilitiert wird, in Erinnerungsszenen voller kindlicher Unschuld und Sonne. Auch sonst ist es vor allem die Ambivalenz der Charaktere, die einen Rest von Spannung erzeugt, auch wenn kaum Zeit bleibt, die psychischen Konflikte auszuspielen. War der gütige Schulleiter Albus Dumbledore, der sein Leben für Harry Potter opferte, vielleicht doch nicht so gut? Auch Draco Malfroy, Harrys erbitterter Gegner, ist mit seiner Rolle als Bösewicht offensichtlich gar nicht glücklich. Und selbst Lord Voldemort, dessen Seele Stück für Stück abgetötet wird, darf ein wenig leiden und Gefühle zeigen. Auch wenn Ralph Fiennes mit Schlangennase mit diesem Bösewicht schauspielerisch nach wie vor deutlich unterfordert ist.
Doch in der Komplexität des Plots hat sich der Film längst hoffnungslos verirrt, trotz Zweiteilung und deutlicher Straffung. Sieben Horcruxe, drei Heiligtümer des Todes: Wer blickt noch durch, wem der Zauberstab aus Elderwood dient, was mit dem Stein der Unsterblichkeit passieren soll, wie viele Teile von Voldemorts Seele Harry und seine Gefährten finden und zerstören müssen?
Während die Story sich linear auf die Entscheidungsschlacht zubewegt, kreuzt Harrys private Mission wie ein fehlgeleiteter Fluch im Zickzackkurs durch die Geschichte. Nicht umsonst hatte Dumbledores Bruder gewarnt, Harry sei auf eine Selbstmordmission geschickt worden. Dass es auf eine Selbstaufopferung hinausläuft, weiß ohnehin, wer Harrys Stilisierung zum zunehmend verbissen agierenden Helden verfolgt hat. Ein Held, der von seinen verzweifelten Anhängern frenetisch als Erlöser gefeiert wird. Die christusähnliche Apotheose ist eine Standardwendung von Fantasy- und ScienceFiction-Filmen, von „Matrix“ bis „Herr der Ringe“. Doch Auferstehung kann es nur für einen geben.
Das Problem ist: Je komplexer die Geschichte, umso simpler die Message. Zunehmend penetrant hat Joanne Rowling ihre Helden auf moralische Werte eingeschworen. Freundschaft, Treue, Tapferkeit, Loyalität über den Tod hinaus, Liebe, vor allem Mutterliebe, für Rowling das höchste der Gefühle. Das beginnt mit Lilly, Harrys Mutter, deren Liebe und Tod ihrem Sohn als unüberwindlicher Schutzschild gegen das Böse dient. Auch Narcissa Malfroy stellt sich im entscheidenden Moment gegen Voldemort, um ihren Sohn Draco zu schützen. Und selbst die gemütliche Molly Weasley (Julie Walters) wird zur Furie, wenn ihre Kinder angegriffen werden.
Für das simple, geradezu peinlich harmonische Ende 19 Jahre später ist schon die Buchvorlage kritisiert und belächelt worden. Im Film ist das Familienidyll zum Glück kurz und relativ lakonisch abgehandelt. Doch es bleibt das schale Gefühl, dass hier ein Riesenbrimborium mit Weltenkampf und -untergang inszeniert wurde, nur damit am Ende die klassischen family values siegen. Die Kirche, die sich so vehement gegen Harry Potter und die Zauberei-Geschichten gestellt hatte, dürfte mit diesem Ende zufrieden sein.
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