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Jede ist für ihr Gesicht selbst verantwortlich. Maren Kroymann lässt sich nicht liften.
© Joseph Strauch

„Mein Winkschwabbel ist ein Statement“: Die Satirikerin Maren Kroymann über das Altern und Frauenbilder

Sie war die erste deutsche Satirikerin mit eigener Sendung. Jetzt wird Maren Kroymann 70 Jahre alt. Ein Gespräch über jüngere Freundinnen und alte Schachteln.

Erstmal gute Besserung, Frau Kroymann. Welches gemeine Geschick ist Schuld daran, dass Sie Ihren 70. Geburtstag mit einem Arm in der Schlinge feiern müssen?
Ich wollte nach meinem ganz stressigen und vollen Jahr verreisen. Eine Woche Wandern auf der Schwäbischen Alb. Beim Packen bin ich versehentlich in den Koffer getreten. Er rutschte weg und rumms war die Schulter gebrochen. Jetzt mache ich jeden Tag Physiotherapie. Mein erster Gedanke nach dem Bruch war: Mist, jetzt kann ich diesen Sommer das Kraulen knicken. Schwimmen ist mein Lieblingssport. Ich habe aber den Ehrgeiz, das schnell wieder hin- zukriegen.

Dem Unfall sind auch Ihre Bühnenauftritte mit dem Gesangsprogramm „In my Sixties“ in der Bar jeder Vernunft zum Opfer gefallen. Benennen Sie die Show nun in „In my Seventies“ um?
Dann müsste ich ja Songs aus den siebziger Jahren singen. Und von meinen Siebzigern kann ich noch nichts erzählen, die beginnen nun erst. Nein, das ist ein Lebensabschnittsprogramm, in dem ich 50 Jahre Pubertät feiere. Da erlebt man ja eine ähnliche Freiheit wie die, die man nach dem Klimakterium erlebt.

Verbuchen Sie den Schulterbruch als Pech oder als Mahnung an die zunehmende körperliche Verletzlichkeit?
Durch den Unfall wurde ich schon unsanft darauf aufmerksam gemacht, dass ich älter werde. Aber sonst war das Pech. Ich bin einfach doof daneben getreten. Andererseits habe ich dadurch nun die Pause, die ich mir schon längst hätte nehmen sollen. Ich wohne endlich mal wieder hauptberuflich in meiner Wohnung. Großartig. Da war ich seit Jahren nicht mehr eine Woche am Stück, ohne einen Termin zu haben oder zu einem Auftritt reisen zu müssen.

Im Geburtstagsspecial ihrer Comedy-Sendung „Kroymann“ spielen Sie sich selber und drängen darauf, dass die übergroße 70 von der Geburtstagstorte runterkommt: Haben Sie privat ein entspannteres Verhältnis zu der Zahl?
Ich lebe seit zehn Jahren darauf hin. Es kommt nicht wirklich überraschend. Dass nun die Sieben vorne dran steht, ist schon etwas herb, aber eigentlich finde ich das Alter super. Ich habe so viele Entwicklungsmöglichkeiten. Darf neue Sachen machen. Mich in einer Fernsehsendung mit tollen jungen Kolleginnen und Kollegen austoben. In den Sechzigern haben mir alle prognostiziert, dass es nun bergab geht, stattdessen ist es aber noch mal richtig bergauf gegangen.

Deswegen gefällt Ihnen das Alter so gut?
Genau. Und weil es wurschter ist. Weil ich bestimmte Weiblichkeitsvorgaben nicht mehr erfüllen muss. Und wirklich die sein kann, die ich sein will. Man lässt mich viel mehr machen und es wird mehr geschätzt. Offensichtlich sind die Leute bereit, bei älteren Frauen auch den Charakter zu würdigen. Obwohl ich den immer schon hatte. Aber solange die Physis im Vordergrund steht, ist er offensichtlich schlechter zu sehen. Die Wahrnehmung von außen entspricht zunehmend dem, wie ich mich selber wahrnehme. Das war ja früher anders.

Mir scheint da was entgangen zu sein: Sind Sie denn jemals auf dem Sexbomben-Ticket gereist?
Ich habe ein anderes Frauenbild. Als man „Nachtschwester Kroymann“ vor 20 Jahren im Fernsehen abgesetzt hat, fand man mich nicht geil genug. Carolin Kebekus nennt diese von Frauen zu erfüllende Kategorie „fuckable“. Diese Fantasien habe ich nie so angeregt. „Nachtschwester Kroymann“ hatte vor 20 Jahren eine ähnliche Grundhaltung wie die Sendung, die ich seit 2017 mache. Das war ja auch schon mein eigenes, politisch unkorrektes Satire-Konzept. Nun regnet es plötzlich die Preise, jetzt kommen die Würdigungen. Das ist ein sehr schönes Gefühl. Das will ich nutzen. Sonst sagen die Leute wieder, Frauen wollen keine Führungspositionen, sondern nur ein ruhiges Privatleben haben.

Die Kroymann-Figur in der Fernsehshow findet das Gehabe ums Älterwerden schrecklich spießig.
Das sagen ja alle, die 70 werden. Schon das Gewese, dass man jünger sein will, ist ja eins ums Älterwerden. Die kokette Frage „Was glaubst du, wie alt ich bin?“ hat mich immer schon genervt. Daran merkt man, wie unglaublich nah den Menschen das Altern geht. Mir aber nicht so, weil ich ja keine notorische Beauty bin.

Als Feministin und Lesbe im Showgeschäft sind Sie ja auch Rollenmodell.
Ich kämpfe nicht dafür, dass wir Komplimente für unser jüngeres Aussehen bekommen, sondern ich möchte, dass die Welt sieht, dass wir schön sind, weil wir ein Gesicht haben. Eins mit Mimik und ein oder zwei Gedanken darin. Die Schönheit von alten Frauen soll nicht wahrgenommen werden, weil sie sich gut halten, sondern weil sie Charakterköpfe haben, wie Jeanne Moreau. Wobei mir als Frau, die mit Frauen lebt, schon früher wurscht war, ob ich den Männern gefalle oder nicht.

Gibt’s in der Lesben-Community keinen Attraktivitätsdruck?
Sicher gibt’s den. Aber Frauen, die auf Frauen stehen, schätzen die Strenge und Autorität von Frauen, die durchaus auch vom Alter kommen darf. Das erfahre ich auch in Fanbriefen. Ich bin froh darüber, dass es im Alter so schön wird. Das habe ich ja nicht geahnt, als ich mich das erste Mal in eine Frau verliebt habe. Das Älterwerden ist für heterosexuelle Frauen und schwule Männer am schwersten, weil die auf dem Beziehungsmarkt so stark über die Physis definiert werden. Da können wir Lesben eine größere Gelassenheit haben. Wir haben genauso unsere Beziehungsprobleme, aber die beruhen weniger auf Geschlechterstereotypen.

Greisinnen werden flapsig als „alte Schachtel“ bezeichnet. Im Schauspiel gibt es das Fach der „komischen Alten“. Beides birgt immerhin die Freiheit, ein Charakter sein zu dürfen, für den vordergründige Attraktivitätskriterien nicht mehr gelten.
Die habe ich schon immer gespielt. Es gab Anfang der neunziger Jahre die Phase im Frauenkabarett, wo immer alle Kapotthüte, Brille und Handtasche getragen haben. Jutta Wübbe als Marlene Jaschke war die Vorreiterin. Ich spielte eine Kapotthut-Schwäbin, Frau Häfele. Die Idee war: Wir verweigern das Sexuelle, dann können wir komisch sein. Gleichzeit lustig und sexy, zumindest vordergründig, das gab es früher ja nur bei Ingrid Steeger, die eine Michael Pfleghar-Geburt war. Die „dumb blonde“ ist von Männern inszeniert worden und war immer die Figur der Dusseligen. Und das Schachtelhafte war die Rettung davor, nicht dämlich sein zu müssen. Aber da war dann die Erotik völlig futsch. Heute arbeite ich daran, die Asexualität der alten Frau zu durchbrechen. Auch jenseits des Komik-Sektors. In den ARD- und ZDF-Fernsehspielen, die um 20.15 Uhr laufen, spiele ich ja inzwischen Frauen, die auch Liebesaffären und Sex haben dürfen. Die Präsenz im heterosexuellen Familiensegment ist ein kleiner Triumph. Es hat 20 Jahre gedauert, dass es wurscht wurde, dass ich eine bekannte Lesbe bin. Postklimakteriell darf ich da nun noch mal ran.

Ältere Männer verjüngen sich gern durch jüngere Freundinnen. Sie sich auch?
Meine erste Freundin war 20 Jahre jünger, meine zweite 15 Jahre jünger. Von feministischen Freundinnen wurde streng angemerkt, ich sei ja wie ein Kerl. Ich bin aber nicht im Cabrio mit ihr als Trophäenfrau herumgefahren. Das hat sich einfach schön ergeben zwischen einer älteren und jüngeren Person. Ich habe nie explizit eine jüngere Freundin gesucht.

Welche Körper- und Charakterbilder werden alten Frauen heute zugestanden?
Bei Schauspielrollen gefällt mir die qualifizierte Übellaunigkeit besonders, die Hannelore Hoger so gut beherrscht. Ich liebe dieses Unwirsche. Das ist ein tolles Rollenmodell. Patzig, schroff, kein bisschen nett. Das kommt im wirklichen Leben allerdings schlechter an. Frauen wie Angela Merkel oder Christine Lagarde gesteht man inzwischen auch intellektuelle Autorität zu. Dass heute in Magazinen auch Frauen jeder Altersstufe porträtiert werden, ist ein Erfolg der Frauenbewegung und von Initiativen wie MeToo, ProQuote, Equal Pay.

Mich wundert, dass Sie mir nicht vorwerfen, Sie zum 70. zum Thema Altern zu interviewen. Ein Mann hätte das zu dem Anlass womöglich nicht zu erwarten.
Das stört mich überhaupt nicht. Die unterschiedlichen Körperbilder existieren und wir müssen eine kritische Haltung dazu einnehmen. Darüber mache ich mir Gedanken, seit ich Schauspielerin und Kabarettistin bin. In meinem Programm „In my Sixities“ trage ich ärmellose Kleider. Da sagen sie mir immer wieder im Freundinnenkreis: Das ist grenzwertig, dass du die immer noch trägst.

Wegen des Winkfleischs, also der schlappen Oberarmmuskeln?
Genau, Winkschwabbel. Das ist ein Statement, das den Leuten zuzumuten. Ich zeige damit: ja, ich habe Winkschwabbel, wenn auch nicht viel. Ich ziehe die Kleider aber trotzdem an, weil sie luftig sind und ich gern meine Arme zeige. Wenn das die Freundinnen kritisieren, nehme ich mir das zu Herzen, mache aber einfach weiter. Auch da bin ich im Alter freier.

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