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Da bin ich. Chappie (Sharlto Copley) räumt auf.
© Sony Pictures

Science-Fiction-Movie aus Südafrika: "Chappie": Die Polizei, dein Freund und Panzer

Mit "District 9" und "Elysium" hat der südafrikanische Filmregisseur Neill Blomkamp Eindruck gemacht bei Science-Fiction-Fans. In "Chappie" ist ihm die nahe Zukunft allerdings ziemlich retro geraten: Polizeiroboter sorgen für Ordnung. Nur allzu intelligent sollten sie nicht sein.

Nummer 22 ist ein Pechvogel. Schon beim letzten Einsatz auf den Straßen der gefährlichsten Stadt Südafrikas wurde dem Polizeidroiden ein Ohr abgeschossen, nun werden dem mechanischen Ordnungshüter mit der Panzerfaust die titaniumverstärkten Innereien lädiert. Ein Fall für die Schrottpresse.

Verbrechensbekämpfung ist lebensgefährlich im Johannesburg der nahen Zukunft. Auf die anarchischen Zustände haben die Behörden mit dem Aufbau einer Robotereinheit reagiert. Die Herstellung und Programmierung der Droiden ist ein einträgliches Geschäft für den Hightech-Waffenkonzern von Michelle Bradley (Sigourney Weaver), doch dem ehrgeizigen Entwickler Deon (Dev Patel) schwebt Höheres vor: Er will Maschinen mit künstlicher Intelligenz ausstatten. Da seine Chefin wenig von der Aussicht hält, bücherlesende Roboter im Portfolio zu haben, implantiert Deon sein Programm heimlich dem ausgemusterten Droiden 22.

Dummerweise wird Deon vor Umsetzung seines Vorhabens von Ninja und Yolandi (quasi sich selbst spielend: das südafrikanische Brachial-Rap-Duo Die Antwoord) entführt, einem unterbelichteten Gangsterpärchen, das in dem Blechkameraden einen potenziellen Komplizen für künftige Raubzüge erkennt. Allerdings verhält sich das Geschöpf nach dem Bewusstseins-Upload wie ein Neugeborenes, ist scheu, noch ohne Sprache. Doch Chappie (im Motion-Capture-Verfahren von Sharlto Copley verkörpert), wie ihn die von Mutterinstinkten überwältigte Yolandi tauft, lernt rasend schnell und hantiert schon bald in kindlicher Naivität mit Ninjawurfsternen und Handfeuerwaffen und imitiert den Gossenslang und Goldkettchenlook seiner Quasi-Familie. Doch der fiese Waffenerfinder Vincent (Hugh Jackman) kommt Deon auf die Schliche und will Chappie mit einem lastwagengroßen Kampfroboter plattmachen.

Maschinen sind auch nur Menschen

Der südafrikanische Regisseur Neill Blomkamp geht ein Thema an, das Filmemacher seit Langem umtreibt: Welche Konsequenzen könnte es haben, wenn Maschinen ein eigenes Bewusstsein erlangen? Die Antworten darauf waren oft dystopisch wie 1968 bei Stanley Kubricks „2001“ oder später in den apokalyptischen „Terminator“- und „Matrix“-Filmen, manchmal melancholisch wie bei Steven Spielbergs rührseligem „A. I.“, selten auch optimistisch wie beim humanistischen Androiden Data aus dem „Star Trek“-Universum. Im besten Fall kam ein Film wie Spike Jonzes „Her“ heraus, der mit philosophischer Tiefe eine nahe Zukunft beleuchtet, in der Menschen echte Beziehungen mit empfindungsfähigen Computerprogrammen eingehen.

Man ahnt, dass Blomkamp nach der Kritik an seinem Hollywood-Ausflug „Elysium“ (2013) noch mal einen Volltreffer landen will wie bei seinem Low-BudgetKinodebüt „District 9“ (2009). Doch nicht nur von der Präzision dieser sarkastischen Aliens-als-Asylanten-Parabel ist „Chappie“ Welten entfernt, der Film fällt auch hinter die Gesellschaftskritik zurück, die etwa Paul Verhoevens „Robocop“ (1987) zu einem Meisterwerk des pessimistischen Science-Fiction-Films machte. Blomkamp dagegen kratzt nur an der Oberfläche der komplexen Thematik und findet auch stilistisch keine Linie: Der Film springt abrupt zwischen komödiantischen Momenten und brachialer Action, zwischen klebriger Sentimentalität und zynischem Splatter hin und her.

Die Gangsterbraut wird zur Ersatzmutti

Zudem leidet er unter Fehlbesetzungen: Yolandi und Ninja sind als Vertreter des südafrikanischen White Trash beeindruckend. Ihre darstellerischen Qualitäten sind es leider nicht, was vor allem im Fall von Yolandi, der das Drehbuch eine so unglaubwürdige wie weibliche Rollenklischees übererfüllende Wandlung von der toughen Gangsterbraut zur protektiven Ersatzmutter diktiert, für unfreiwillige Komik sorgt. Auch die zur besseren Globalvermarktung gecasteten Hollywood-Stars bleiben Staffage: Sigourney Weaver ist als skrupellose CEO ähnlich unterfordert wie Jodie Foster in einer ähnlichen Rolle in „Elysium“, und Hugh Jackman darf als Vokuhila-Proll zwar gegen den Strich besetzt den Bösewicht mimen, liefert aber auch kein Glanzstück ab.

Hätten Blomkamp und Co-Autorin und Ehefrau Terri Tatchell einen Bruchteil jener (künstlichen) Intelligenz in das Drehbuch investiert, die der sympathische Titelheld nach wenigen Tagen zeigt, wäre wohl mehr dabei herausgekommen als ein solider Genrefilm – mit immerhin überzeugendem Production Design und robustem Humor.

In 16 Berliner Kinos; Originalversion im Cinestar SonyCenter

Jörg Wunder

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