Bode-Museum Berlin: Die Madonna und der Nagelmann
Kunst aus Afrika trifft auf die europäischen Skulpturen im Berliner Bode-Museum: Die Ausstellung „Unvergleichlich“ übt für das Humboldt-Forum.
Afrikanische Bildwerke und westliche Kunst des 20. Jahrhunderts hat man schon häufiger beieinander gesehen. Die kubistische Avantgarde um Picasso und Braque sammelte die sogenannten Exoten und übernahm ihren Gestus, ihre Fähigkeit der Abstraktion, lieh sich dort Kraft und Eleganz. Die Ausstellung des Museum of Modern Art in New York Mitte der Achtziger – „Primitivism in 20th Century Art: Affinity of the Tribal and the Modern“ hat vielen die Augen geöffnet. Aber bis heute halten noch die alten Hierarchien: hier die Kunst, nämlich unsere, dort die Objekte der Ethnologie. In den meisten Museumsstrukturen bleibt es bei der kolonialistischen Aufteilung des Planeten.
Aber es ist auch manches in Bewegung. Das Humboldt-Forum steht für eine Neubewertung der Sammlungen der Kunst außerhalb Europas; die Berliner Bestände, die von Dahlem nach Mitte umziehen, gehören zu den besten der Welt. Vieles um das Humboldt-Forum herum wirkt zäh, bürokratisch, unübersichtlich. Aber dann gibt es auch einmal Bewegung, wie jetzt im Bode Museum. Dort sind achtzig Artefakte aus der afrikanischen Sammlung eingezogen. Bis Frühjahr 2019 werden sie bei den christlich-europäischen Altären, Madonnen, Märtyrern und anderen Heiligen stehen, unter dem Motto „Unvergleichlich“.
Schon auf den ersten Blick sind sie nicht so fremd, wie man denken könnte. Die Afrikaner wirken selbstbewusst, sie verstecken sich nicht wie etwa die meso-amerikanische Schlange bei den Ägyptern im Neuen Museum, bei den „Neuen Nachbarn“. Die Staatlichen Museen probieren dies und das „auf dem Weg zum Humboldt Forum“, wie es heißt. Dieser Weg ist nicht so weit und auch nicht furchtbar kompliziert. Das beweisen hier Julien Chapuis, der Direktor des Bode-Museums, und die Kuratoren Paola Ivanov und Jonathan Fine vom Ethnologischen Museum. Geht doch!
Was ist Kunst, was ritueller Gegenstand?
In der großen Eingangshalle des Bode-Museums teilen sich eine Göttin aus Benin (16./17. Jahrhundert) und ein Putto von Donatello aus der Toskana (um 1430) eine Vitrine. Und sogleich wackeln die Begriffe: Was ist Kunst und was ist ritueller Gegenstand? Die christlichen Skulpturen im Bode-Museum müssten in diesem Sinn auch nicht als Kunstgegenstände, sondern vielmehr als aktive Objekte im Kirchendienst gelten. Und das ist schon mal gut: eine kleine heilige Verwirrung.
Das setzt sich fort, wenn eine Kraftfigur aus dem Kongo, ein hölzerner Kerl mit Nägeln im Oberkörper und offensiver Haltung, bei einem Flügelaltar auf eine deutsche Schutzmantelmadonna trifft. Auch sie aus Holz gefertigt, auch sie, nobel und hoch gewachsen, eine eindrucksvolle Erscheinung, die Menschlein behütet, ihnen Energie und Wärme schenkt.
„Unvergleichlich“ bietet zweiundzwanzig solcher Gegenüberstellungen. Ein Bronzekopf aus Benin und ein Kopf Johannes des Täufers. Eine Reliquienbüste eines Bischofs und ein Reliquiar aus Kongo oder Gabun, ein abstrakter Vogel (Brancusi!?). Eine kongolesische Ahnenfigur (19. Jahrhundert) und die Büste eines Nürnberger Patriziers (um 1570). Differenz und Ähnlichkeit, das Unterschiedliche und das Gemeinsame: Die Dinge sprechen miteinander, aber man wird genau hinhören müssen, was sie sich sagen. Sie schaffen Geheimnis und sie werfen Schlaglichter bei ihren Dates: Wie klar zeigt sich die Brutalität der christlichen Bildsprache, die Härte der westlichen Einstellung zu Leben und Tod, Schuld, Gott.
Wunderbare Begegnung: ein Engel aus Köln, ein Ahnenpaar aus dem Kongo
„Museen können aufklären“, sagt Jonathan Fine. Im Untergeschoss stehen Afrikaner und Europäer in thematischen Abteilungen (Gender, Performance und Ästhetik, wie sehen sich die jeweils anderen?). Stärker aber wirkt die Präsenz der Gäste in den Sälen der Dauerausstellung. Man freut sich auf den nächsten Überraschungsmoment. Was für eine wunderbare Begegnung: Ein zarter „Engel“ vom heiligen Grab in Köln (um 1170) grüßt ein Ahnenpaar aus dem Kongo, das die Last der Welt in Form eines Hockers leicht auf Fingerspitzen trägt. Leider zeigt der Katalog die herrlichen Objekte wieder für sich und nicht zusammen mit den gar nicht so entfernten Verwandten.
Nicht nur für das Humboldt-Forum kann man auf der Museumsinsel hier lernen: Der ethnologische Blick auf die eigene Kunst und Kultur verhilft zu Freiheit und Größe. Es ist auch ein ästhetischer Gewinn. Im Übrigen stammt das Christentum ja nicht aus Köln oder Rom, sondern aus der Wüste. Und alle Welt ist synkretisch.
„Unvergleichlich: Kunst aus Afrika im Bode-Museum“. Dienstag bis Sonntag, 10-18 Uhr, Donnerstag 10-20 Uhr. Katalog: 24,95 €.