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Verkaufsschlager. Ein Leopard II, hier präsentiert von Hans-Werner Kroesingers Performern, kostet 12 Millionen Euro.
© David Baltzer/HAU

Hans-Werner Kroesingers "Exporting War" im HAU: Die Kunst des Tötens

Mit „Exporting War“ von Hans-Werner Kroesinger eröffnet das HAU ein Programm zum Thema Waffenexport. Sein Theaterabend ist exzellent recherchiert.

Den Slogan kennt man von jeder Antifa-Demo: „Deutsche Waffen, deutsches Geld, morden mit in aller Welt!“ Was sicher nicht falsch ist. Aber ein bisschen unpräzise. Genauer weiß es Hans-Werner Kroesinger: „Nach Schätzungen wird alle 14 Minuten ein Mensch mit einer Waffe von Heckler & Koch erschossen“, sagt der Dokumentartheatermacher im Interview. Und in seiner Inszenierung „Exporting War“ am Berliner HAU reicht er noch sehr viel mehr Fakten und Hintergründe über automatische Gasdrucklader wie das G36-Sturmgewehr, über Glattrohrpanzer, kanonenbasierte Flugabwehr und die Knochensplitter von ins Mark Getroffenen nach, die zu „Sekundärgeschossen“ werden können.

Sogar eine Preisliste für den solventen Waffennarren gibt’s: 12 Millionen Euro muss man für einen Leopard II auf den Tisch legen (zärtlich Leo genannt). Eine Kalaschnikow bekommt man auf dem Schwarzmarkt schon für 200 Euro. Und Markt ist das Stichwort hier. In „Exporting War“ geht es um das Geschäft mit Krieg und Konflikt. Um eine Branche mit Milliardenumsatz, in deren Jargon Menschen „Weichziele“ genannt werden. Und in der das Siegel „Made in Germany“ eine Qualitätsgarantie ganz eigener Art bedeutet. Das HAU widmet sich bis ins neue Jahr hinein der Technik des Tötens.

Über die Alltäglichkeit des Krieges

„Waffenlounge“ ist dieser thematische Schwerpunkt getauft, der mit Performances, Installationen und Expertengesprächen die Ökonomien der Gewalt durchleuchten will. „Ganz gleichgültig, ob wir den Fernseher einschalten, um uns die neueste Folge des ‚Tatort' anzuschauen, oder im Internet auf Videos mit den Gräueltaten des IS stoßen: Bilder kriegerischer und sonst wie gewalttätiger Auseinandersetzungen sind so sehr zum Bestandteil unserer ‚visuellen Diät’ geworden, dass uns ihre Existenz kaum noch auffällt“, schreibt HAU-Chefin Annemie Vanackere. Entsprechend soll das Sichtbare wieder bewusst gemacht werden.

Unter anderem zeigen Rimini Protokoll ihre Multimedia-Inszenierung „Situation Rooms“ (ab 14.12.), die in diesem Jahr zum Theatertreffen eingeladen war, dort aber aus Termingründen nicht gezeigt werden konnte. Darin begegnet man, mit iPads ausgerüstet, 20 Menschen, deren Biografien auf verschiedene Weise von Krieg und Waffen geprägt sind. Die Gruppe andcompany & Co spürt in ihrem Lecture-Konzert „Sounds like war“ dem Begriff „Kriegserklärung“ nach. Und mit Filmen von Harun Farocki werden „Bilder von Gewalt“ hinterfragt (18.12.).

Im Spannungsfeld deutscher Rüstungsproduktion

Es ist ein Thema, bei dem allzu leicht moralische Entrüstung die Auseinandersetzung überblendet. Ein Hans-Werner Kroesinger gerät nicht mal in die Nähe dieser Gefahr. Seine Performer – Judica Albrecht, Katrin Kaspar, Lisa Scheibner, Lajos Talamonti und Armin Wieser – schlagen einen Tonfall sarkastischer Distanz an, während sie gewohnt gründlich recherchiert das Spannungsfeld deutscher Rüstungsproduktion durchmessen.

Ganz so, als seien sie professionelle Präsentatoren auf der Waffenmesse „Idex“ in Abu Dhabi, die jährlich das Kriegsgerät der Zukunft vorstellt. Wobei der Trend zur Drohne und anderen fernsteuerbaren Technologien geht. Vom blutigen Nahkampf zum anonymen Klick: die Illusion vom sauberen Krieg wird durch die fortschreitende Digitalisierung befeuert wie nie zuvor. Immer wieder verschwinden Kroesingers Performer dabei auf der Drehbühne zwischen Raumteilern im Container-Look (Bühne: Valerie von Stillfried). Ein Spiel mit der Unsichtbarkeit – von Kriegstoten und Waffenwegen.

Zwischen Waffenlobbyisten und Rüstungsgegnern

Deutschland ist hinter den USA und Russland der drittgrößte Rüstungsexporteur der Welt. Welche Konflikte das birgt, dringt nur sporadisch an die Öffentlichkeit. Wenn es zum Beispiel um Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien geht. Oder um die Aufrüstung von kurdischen Peschmerga im Kampf gegen den IS. Das „Kriegswaffenkontrollgesetz“ allein bietet wenig Orientierung im Dschungel aus Geschäfts- und Politinteressen.

Kroesingers Inszenierung lässt dazu den Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt genauso zu Wort kommen wie den Hauptinhaber von Heckler & Koch. Seine Textcollage kontrastiert die Stimmen von Waffenlobbyisten und Rüstungsgegnern. Sie drängt einem keine Haltung auf. Sondern legt den immanenten Zynismus einer Branche offen, die in Deutschland über 300 000 Arbeitsplätze schafft, viele davon rund um den schönen Bodensee. Und die gern mit dem „Sicherheitsbedürfnis“ der Menschen argumentiert.

In Zukunft werden wohl zunehmend Kampfroboter das Töten übernehmen. Die müssen nur mit Koordinaten gefüttert werden, wie sie jeder Smartphone-Besitzer unentwegt preisgibt. „Wir sind“, heißt es am Ende des Stücks, „perfekte Ziele für autonome Waffensysteme“.

„Exporting War“: wieder 8. bis 10.12., 13./14.12.,16./17.12., 19./20.12. im HAU1

Patrick Wildermann

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