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Hallo und Goodbye. Leonard Cohen auf seiner Comeback-Tour 2008.
© dpa

Auf den Spuren des Liedermachers: Die Karriere kostete Leonard Cohen die große Liebe

Eine Doku ergründet die traurige Liebesgeschichte des Sängers mit Marianne. Und bald erscheint sein letztes Album posthum. Der Abschied fällt schwer.

Es waren bittere Tage im November 2016. Donald Trump gewinnt die Wahl zum US-Präsidenten, und Leonard Cohen verlässt uns. Seither scheint eine Ewigkeit vergangen zu sein. Der Eine fehlt, der Andere ist überfällig.

Im Sommer jenes Jahres, in dem wir uns auch von Prince und David Bowie verabschieden mussten, war in Oslo Marianne Ihlen gestorben, Cohens Partnerin so vieler Jahre, seine „griechische Muse“, wie sie selbst sagt. Ihre Liebe dauerte bis in den Tod: Nur dass zwei Menschen sehr unterschiedliche Vorstellungen davon haben können, was Liebe heißt.

Davon erzählt Nick Broomfields Dokumentarfilm „Marianne & Leonard – Words of Love.“ Eine Elegie im Schwarzweiß der knalligen, bunten, überdrehten Sechzigerjahre, mit bisher unveröffentlichtem Material des vor vier Monaten verstorbenen Doku-Meisters D. A. Pennebaker, der mit „Don’t Look Back“ berühmt wurde: Bob Dylan 1965 on tour in Großbritannien. Ein ähnliches Muster: Da ist es John Baez, die dem bockigen Barden den Weg ebnet und verlassen wird.

Hydra, 1960. Auf der Insel leben damals Künstler, Aussteiger, spirituelle Tramps. Der junge kanadische Dichter aus Montreal und die schöne blonde Frau aus Norwegen, mit dem Schriftsteller Axel Jensen verheiratet und Mutter eines kleinen Sohns, verlieben sich episch.

Sie bauen sich etwas auf, das man für ein Paradies halten könnte. Er schreibt wie im Fieber seinen Roman „Beautiful Losers“ (es wird ein schlimmer Misserfolg, erstmal), sie umsorgt ihn. Er genießt das familiäre Arrangement.

Auf den alten Fotos sieht Cohen mit Schnurrbart aus wie ein mediterraner Pirat. Viel kostet das Leben auf Hydra nicht, aber sie haben auch dafür zu wenig Geld. Dafür Freiheit in Überfülle. Die Welt steht denen offen, die sich von ihren Geliebten lösen können.

Viel Sex, größte Freiheit

Sex, Romantik, Drogen, das Meer, die griechische Sonne: Regisseur Nick Broomfield hat den magischen Ort als 20-Jähriger kennengelernt. Er traf auf Hydra Marianne, deren Leonard nun schon, 1967/68, in New York in eine Karriere als Sänger und Songschreiber stolpert. „Suzanne“ kommt auf die Bühne.

Erst mit Judy Collins, dann traut sich Cohen selbst ans Mikrofon. Er leidet unter heftigen Angstattacken. Und noch viele Jahre später muss er mit seiner Depression kämpfen, seiner „Dunkelheit“, die so vielen Menschen Trost und Licht gebracht hat. Viele Menschen verbinden mit seiner Poesie und seinen Melodien unvergessliche Momente.

Man erreicht das Ende dieses Film nicht trockenen Auges. All die Erinnerungen ... wenn man es biblisch will, wäre Marianne seine Maria Magdalena gewesen. Cohen wird ein Star, Frauen reißen sich um ihn, er bekommt nicht genug. „Ich habe mich damals in eine Art Pornofilm“ gestürzt, sagt Cohen. Musiker und Manager aus der Zeit bestätigen die Selbstdiagnose des Womanizers, der später mit Phil Spector sein schwächstes Album aufnimmt: „Death of a Ladies' Man“.

Cohen und Krise, das ist Synonym, oft auch bei seinen Fans. Bis hin zu dem Moment, da ihn eine Vertraute um all sein Geld bringt, während er im buddhistischen Kloster in Kalifornien nach Halt und Ruhe sucht. Und dann folgt das märchenhafte Comeback.

Broomfields Film trägt den Titel „Marianne & Leonard“. Und es geht doch meistens um ihn. Man bekommt einen recht guten Überblick über sein Leben und seine Kunst. Marianne reist ihm eine Zeitlang nach. Es gibt Versuche, ein gemeinsames Leben in Nordamerika zu beginnen.

Abschied von Marianne

Marianne sieht im fast alles nach und geht fast daran zugrunde. Sie kehrt mit gebrochenem Herzen nach Hydra zurück, immer wieder, beginnt später in Norwegen ein „normales Leben“ als Sekretärin, mit norwegischem Ehemann.

Die Frau, die Muse, das Leid. Wo hört Romantik auf, wo fängt Machismo an, wer kann und mag das trennen? Die Frauen, die in dieser Dokumentation sprechen, sicher nicht. Hier geht es um ein sehr großes, unfassbar begabtes, in aller Welt geliebtes Künstler-Ich. Und um die Frau, die am längsten bei ihm war.

Broomfield verschweigt nicht den Preis, den das Paradies fordert. Viele Künstler, die auf Hydra lebten und schwebten, finden keinen bürgerlichen Weg. Ihre Kinder scheitern, ehe sie etwas beginnen können, wie Mariannes Sohn Axel. Er landet in der Psychiatrie, kommt im Film auch nicht zu Wort.

Das Ende: Sie liegt im Sterben. Aus Los Angeles kommt eine Botschaft von Leonard, der einst für sie und mit ihr „So long, Marianne“ schrieb, sein vielleicht schönstes Liebeslied unter all den Oden und Hymnen, es sollte ursprünglich kein Abschied sein, sondern mit „Come on, Marianne“ anheben. Auch „Bird on the Wire“ schließt Marianne ein.

Von weit her und doch so nah schreibt ihr im Sommer 2016 der Mann, der selbst am Abgrund steht und nur noch wenige Monate hat: „I’ve never forgotten your love and your beauty. But you know that. I don’t have to say any more. Safe travels old friend. See you down the road. Love and gratitude. Leonard.“

Das posthume Album: Ein zarter letzter Gruß

Alles ist gesagt. Nichts ist vergessen. Trost kommt aus der Dunkelheit. Das ist auch der Ton des posthumen Cohen-Albums „Thanks for the Dance“ (Columbia), es erscheint am 22. November. Neun Stücke, insgesamt kaum eine halbe Stunde voller Stille, Galgenhumor, hartem Existenzialismus wie auf dem Album „You Want It Darker“, das er kurz vor seinem Tod noch herausbrachte. Da klang es auch noch einmal hymnisch-bitter, er konnte nicht anders.

Nun aber die letzten Skizzen, eine zarte Stimme aus dem Jenseits, vorsichtig und mit fürsorglichen Tupfern und Zupfern von seinem Sohne Adam Cohen produziert. Aber wie schön, von ihm zu hören. Als blättere man ihn seinem Poesieband „The Flame“, der 2018 herauskam, und er würde etwas für die Nacht rezitieren.

„Happens to the Heart“, der längste und kräftigste Song, lässt den Dichter von seiner Disziplin und Ausdauer sprechen, ein letztes Mal, und das darf nicht übersehen werden: Wie Cohen immer wieder seine Verse verworfen, verändert, veredelt hat; bei „Hallelujah“, seinem jetzt berühmtesten Song, vielleicht am häufigsten.

Jetzt ist Ende. Letzter Song auf dem letzten Album, wenn sich nicht noch irgendwo Outtakes und andere Geisterlieder finden. Öffnet die Ohren für seinen letzten Gruß: „Listen to the hummingbird / Whose wings you cannot see / Listen to the hummingbird / Don't listen to me.“ Er ist jetzt irgendwo da draußen.

Rüdiger Schaper

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