Gartenkunst in der Liebermann-Villa: Die grüne Avantgarde
Der Reformgarten war eine Symbiose aus Natur und Kunst. Eine Ausstellung in der Liebermann-Villa am Wannsee erzählt seine Geschichte.
Was macht man, wenn beim Blick aus dem Atelierfenster das Häuschen der Dienerschaft im Vorgarten stört? Max Liebermann hat eine Lindenhecke davor pflanzen lassen. Auch wenn aus dem Fenster heute nur noch Besucher der Liebermann-Villa blicken und in dem Häuschen Eintrittskarten verkauft werden: Die Hecke steht noch. Sie ist das einzige original erhaltene Gewächs im rekonstruierten Garten des impressionistischen Malers.
Als Sujet war dieser Garten für Liebermann enorm wichtig, er hat ihn in über 200 Gemälden bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen festgehalten. Gestaltet hat er ihn nach den Prinzipien der Reformgartenbewegung, die Ende des 19. Jahrhunderts aufblühte. Für die Ausstellung „Neue Gärten. Gartenkunst zwischen Jugendstil und Moderne“ ist es also genau der richtige Ort. Die Ausstellung entstand in Kooperation mit der Stiftung Schloss und Park Benrath, die sich dem Thema 2017 im Düsseldorfer Museum für Gartenkunst widmete – deutlich umfangreicher, wie der Katalog verrät. Er schlägt einen Bogen von den Anfängen des Privatgartens bis zu den großen öffentlichen Volksparks, wie sie auch in Berlin das Stadtbild prägen. Die theoretischen Hintergründe zum Wandel in der Gartenkunst werden nun in der Liebermann-Villa in kleinerem Rahmen vermittelt. In Wannsee wird vorrangig der Entstehung des Reformgartens nachgegangen. Besucher erfahren anhand von Plänen, Dokumenten, Modellen und Gemälden mehr über die Neugestaltung der Grünanlagen im Allgemeinen und dem Liebermannschen Garten im Besonderen.
Einheitliche Formensprache für sämtliche Lebensbereiche
Es waren Künstler und Architekten, die für einen Paradigmenwechsel in der Gartenkunst sorgten, als sie im Zuge der Reformbewegung um 1900 nach einer neuen, einheitlichen Formensprache für sämtliche Lebensbereiche suchten. Während Gärtner und Landschaftsgestalter noch an begehbaren Landschaftsgemälden mit schlängelnden Wegen und elegant arrangierten Gebüschen nach englischem Vorbild festhielten, ersetzten Architekten wie Joseph Maria Olbrich oder Peter Behrens die Fake-Landschaften durch architektonische Gärten.
Diese zeichneten sich durch klare Sichtachsen, regelmäßige Beete und in Form gestutzte Hecken aus. Die neuartigen Entwürfe wurden in den großen, populären Gartenbauausstellungen präsentiert, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufkamen. Von Olbrich etwa sind am Wannsee Aquarelle der Farbengärten von der Darmstädter Gartenbauausstellung aus dem Jahr 1905 zu sehen, neben Werken deutscher Maler wie Leopold von Kalckreuth oder Max Clarenbach. Sie übernahmen die neuen Ideen für die Gestaltung ihrer eigenen Gärten und machten sie zum Motiv ihrer Bilder.
Spiel zwischen Strenge und freier Form
Auch Max Liebermann ließ sich von dieser Bewegung begeistern. Zusammen mit dem Hamburger Museumsdirektor und Kunsthistoriker Alfred Lichtwark konzipierte er seinen rund 7000 Quadratmeter großen Traumgarten als ein architektonisches Gesamtkunstwerk. Das wird an dem ausgestellten Modell der Villenanlage anschaulich – und beim anschließenden Spaziergang um das Haus erlebbar. Reizvoll ist dabei vor allem das Spiel zwischen Strenge und freier Form. Auf dem Weg zum See geht der Besucher an geometrischen Heckengärten entlang oder kann die gegenüberliegende Birkenallee wählen, die mit ihren locker stehenden Bäumen geradezu ausgelassen wirkt. Die Birke zeugt davon, wie modern der Garten des Malers war. Im Gegensatz zur patriotisch aufgeladenen deutschen Eiche galt die Birke als Metapher für Jugend und Neubeginn. Sie avancierte zum Baum des Jugendstils. Während Liebermann mit seiner impressionistischen Malerei noch der alten Schule angehörte, war er mit seinem Garten Avantgardist.
2014 wurde die Rekonstruktion des Gartens anhand von Liebermanns Gemälden und historischer Quellen abgeschlossen. Seitdem gilt sein grünes Atelier als eines der wenigen Zeugnisse für die Gartenreformbewegung in Deutschland, ein eindrückliches Beispiel für die Symbiose von Natur, Kunst und Architektur. „Gartenkunst ist Raumkunst, wie jeder andere Zweig der bildenden Kunst, und Garten und Haus schließen sich somit zu einem Gemälde zusammen“, schrieb Alfred Lichtwark 1906. Das vermag die Ausstellung in Verbindung mit dem Anwesen schlüssig zu vermitteln. Momentan muss man für die grüne Pracht noch die Phantasie bemühen, aber bis zum Ausstellungsende im Mai ist sicherlich auch in Berlin der Frühling eingetroffen.
Liebermann-Villa, Colomierstraße 3, bis 28. Mai, Mi bis Mo 11 – 17 Uhr, ab April bis 18 Uhr.
Ina Hildebrandt
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