Neue Ausstellung in Liebermann-Villa Wannsee: Nichts dem Zufall überlassen
Der Maler Max Liebermann war bei der Gestaltung seines Gartens "topaktuell", das nach historischem Vorbild rekonstruierte Gartendenkmal ist ein Gesamtkunstwerk. Eine neue Ausstellung in der Liebermann-Villa erzählt die Geschichte der "Reformgärten".
Für seine Enkelin hat der Künstler Max Liebermann eine Ausnahme gemacht. Die strenge Geometrie des Gartens seiner Villa am Großen Wannsee wurde durchbrochen, ein Sandhaufen aufgeschüttet, damit die Kleine spielen konnte. So ist es überliefert, erzählt Martin Faass, der Direktor des Museums Liebermann-Villa am Wannsee. Immerhin gilt der nach historischem Vorbild rekonstruierte Liebermann-Garten als architektonisches Gesamtkunstwerk. Jedes Element hat einen festen Platz. Die Konzeption folgt dabei den Prinzipien eines „Reformgartens“. Und speziell diesem Thema widmet sich jetzt eine neue Ausstellung in der Liebermann-Villa.
Im Hinblick auf den gesellschaftlichen Wandel im Verlauf des 19. Jahrhunderts – motiviert durch die industrielle Revolution – kam es in vielen Bereichen zu Veränderungen; etwa auch in der Gartengestaltung, erklärt Martin Faass: „Es entstand eine bürgerliche Schicht mit eigenen Häusern und Gärten.“ Architekten, Künstler, Landschaftsplaner forderten zu Beginn des 20. Jahrhunderts dafür „neue Gärten“.
Geometrisch angelegte Gartenräume
Als Vorbild diente die englische Gartenreformbewegung. Anstelle Landschaft zu imitieren - etwa mit ausgedehnten Rasenflächen, schlängelnden Wegen, bewusst platzierten Bäumen und Sträuchern, mit Blickachsen und Ruheplätzen - entstanden geometrisch angelegte Gartenräume. Denn der Platz in den bürgerlichen Privatgärten war begrenzt.
Auch Max Liebermann wünschte sich für seine Villa am Wannsee einen Garten im Sinne dieser neuen Ideen und zugleich als Motiv für seine Kunst. Viele seiner Werke seien später hier entstanden. Oft habe er mit seiner Staffelei im Garten gesessen. Dabei war der Künstler selbst maßgeblich an der Konzeption beteiligt. Im Oktober 1909 begann er, sich die ersten Gedanken über seinen Garten zu machen. In einem Brief an seinem Freund, dem Direktor der Hamburger Kunsthalle Alfred Lichtwark, der als führender Kopf der damaligen Gartenreformbewegung gilt, schrieb er: „Wenn Sie nächstens herkommen … müssen Sie mit hinaus, da ich besonders wegen der Gartenanlage Ihren Rath hätte.“
„In seiner Auffassung von Gartenkunst topaktuell"
So entstand hier auf Grundlage der Entwürfe Liebermanns und in enger Zusammenarbeit mit Lichtwark ein Ensemble verschiedener Gartenräume. Es wurden ein Bauerngarten mit Stauden, ein Nutzgarten, eine Blumenterrasse, drei Heckengärten und eine sich zum Wannseeufer erstreckende Rasenfläche mit einem Birkenwäldchen angelegt. Für die praktische Umsetzung war Gartenarchitekt Albert Brodersen zuständig. „In seiner Auffassung von Gartenkunst war Liebermann topaktuell, während seine Malereien dem Stil des Ende des 19. Jahrhunderts entsprachen“, sagt Faass.
Inspirieren ließ sich der Künstler unter anderem von den Bauerngärten in Vierlande; einer ländlich geprägten Region im Südwesten Hamburgs. Diese Gärten, die er während eines Besuches bei Alfred Lichtwark kennen lernte, hatten offensichtlich einen großen Eindruck bei ihm hinterlassen. „Wenn ich mir jetzt zuhause eine Villa bauen lasse … dann lasse ich mir einen Garten anlegen wie diesen“, schrieb Liebermann in einem Brief an Lichtwark.
In der neu eröffneten Ausstellung der Liebermann-Villa ist beispielsweise ein Modell des Liebermann-Gartens zu sehen. Es macht die geometrische Gestaltung der Anlage deutlich. Nichts wurde dem Zufall überlassen. Das entscheidende Element für die Raumaufteilung sind Hecken. Die etwa 7000 Quadratmeter große Fläche wird von einer Buchshecke, einer Lindenhochhecke und einer hoch gewachsenen Hainbuchenhecke in die jeweiligen Räume unterteilt.
Liebermanns Garten: einzigartig in Deutschland
Der zwischen 2002 und 2014 rekonstruierte Garten entspricht heute wieder seiner ursprünglichen Form. Er gilt als einzigartig in Deutschland, weil er einen „exemplarischen Reformgarten“ zeigt, erklärt Museumsdirektor Martin Faass. Zu Liebermanns Zeiten kümmerten sich zwölf Gärtner um die Anlage. Heute pflegen ihn unter fachlicher Anleitung einer Gärtnermeisterin etwa 25 ehrenamtliche Helfer.
Die Hintergründe zur Entstehung des Liebermann-Gartens bilden nur einen Teil der Ausstellung, die in Kooperation mit der Stiftung Schloss und Park Benrath entstand. Überdies werden die Ursprünge der Gartenreformbewegung und ihre Auswirkung auf die Gartenkunst um 1900 dargestellt. Zu sehen sind ausgewählte Gemälde, Pläne und Dokumente.
Auch in Berlin und im Brandenburger Umland finden sich Beispiele dieser damals neuen Gartengestaltungsideen. In diesem Zusammenhang wird in der Ausstellung der spätere Stadtgartendirektor Erwin Albert Barth vorgestellt. Er entwickelte unter anderem Pläne für Brandenburger Villenkolonien, für den Volkspark Jungfernheide, den Dernburgplatz, den Kuno-Fischer-Platz und den Lietzenseepark. Die Ausstellung läuft unter dem Titel „Neue Gärten – Gartenkunst zwischen Jugendstil und Moderne“. Sie ist bis zum 28. Mai in der Liebermann-Villa zu sehen.
Anett Kirchner