Filmfestival San Sebastian: Die Goldene Muschel geht nach Island
Der Isländer Runar Runarsson gewinnt mit seinem Jugenddrama "Sparrows" überraschend den Hauptpreis des 63. Filmfests San Sebastian. Eine Festivalbilanz.
Das Jugenddrama „Sparrows“ (Spatzen) des Isländers Runar Runarsson hat den Hauptpreis für den besten Film beim internationalen Filmfestival in San Sebastián gewonnen. Dies gab die Jury am Samstag auf der Abschlussgala der 63. Ausgabe der Festspiele in der nordspanischen Küstenstadt bekannt. Das mit der Goldenen Muschel ausgezeichnete Sozialdrama erzählt einfühlsam die Geschichte des 16-jährigen Ari, der sich, aus der Hauptstadt Reykjavik kommend, in einem abgeschiedenen Dorf an der Westküste Islands zurechtfinden muss, das zudem unter der Finanzkrise leidet. "Sparrows" bekam beim Publikum den meisten Applaus. Dass die Jury unter dem Vorsitz der dänischen Schauspielerin Paprika Steen den Film, den zweiten des Regisseurs, mit dem Hauptpreis bedachte, kam insofern nicht überraschend. Insgesamt 18 Produktionen hatten am Hauptwettbewerb teilgenommen, eine deutsche Produktion war nicht dabei.
In diesem Jahr gab es besonders viele spanische und lateinamerikanische Filme
Der Belgier Joachim Lafosse erhielt für seine belgisch-französischen Koproduktion „Les Chevaliers Blancs“ (Die weißen Ritter) die Silberne Muschel für die beste Regie. Darin geht es die umd die fragwürdigen Machenschaften in Sachen Kinderadoption einer Hilfsorganisation im Tschad. Der Argentinier Ricardo Darín und der Spanier Javier Cámara wurden für ihre Rollen im Film „Truman“ des Katalanen Cesc Gay als beste männliche Hauptdarsteller ausgezeichnet. Die Kubanerin Yordanka Ariosa erhielt die Silberne Muschel für die beste weibliche Hauptrolle in „El Rey de La Habana“ (Der König von Havanna) des Spaniers Agustí Villalonga. Den Sonderpreis der Jury erhielt „Evolution“ von Lucile Hadzihaliloviic. Diesem bildmächtigen Film, eine eigenwillige Mischung aus Science Fiction und Horror, sprach die Jury auch den Preis für die beste Kameraarbeit zu. In diesem Jahr waren besonders viele spanische und lateinamerikanische Beiträge im Programm vertreten.
Dem Phänomen Familie widmeten sich zahlreiche Beiträge
Das Festival in der baskischen Metropole gilt ähnlich wie Locarno als kleinerer Bruder der großen europäischen Filmfestivals Cannes, Berlin und Venedig und setzt traditionell seinen Schwerpunkt auf Autorenfilme. Dieses Jahr befassten sich zahlreiche Beiträge mit dem Phänomen „Familie“: So versucht etwa in dem stillen, in Cinemascope und Schwarzweiß gedrehten chinesischen Beitrag „Xiang bei fang“ („Back to the North“) von Liu Hao eine kranke, todgeweihte junge Frau, ihre Eltern zu einem weiteren Kind zu bewegen. In „Amama“ des baskischen Regisseurs Asier Altuna geht es um den Generationenkonflikt in einer Familie, die in einer abgelegenen Gegend in den Bergen einen Hof bewirtschaftet. Ein Film über den Einbruch der Moderne in jahrtausendealte Traditionen, mit fast mystisch wirkenden Naturaufnahmen. Und in „Sunset Song“ hat der Brite Terence Davies den gleichnamigen Roman von Cedric Gibbons verfilmt: die Geschichte einer schottischen jungen Frau von Anfang des 20. Jahrhunderts bis in den Ersten Weltkrieg, aufgewachsen in einer patriarchal strukturierten Familie.
Auch "Evolution" von Lucile Hadzihalilovic, der vielleicht schrägste Film des Wettbewerbs behandelt auf seine Weise das Familienthema: Mütter leben mit ihren Kindern, allesamt Jungs gleichen Alters, in einem abgelegenen Dorf am Meer. Die Jungs erhalten merkwürdige Medikamente, Injektionen in ihre Bäuche scheinen irgendwelche Wesen heranwachsen zu lassen - eine Parabel auf den Eingriff der medizinischen Technik in die Natur à la David Cronenberg.
Begonnen hatte das Filmfest am 18. September mit der außer Konkurrenz gezeigten Weltpremiere des Psychothrillers „Regression“ des spanisch-chilenischen Regisseurs Alejandro Amenábar, in dem Ethan Hawke und Emma Watson in den Hauptrollen auftreten. Die britische Schauspieler Emily Watson ("Breaking the Waves") war bereits während des Festivals mit dem Ehrenpreis für ihr Lebenswerk ausgezeichnet worden. dpa/epd
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