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Früh üben, lange etwas davon haben. Schon in der Schule ist die Handschrift nicht ganz selbstverständlich. Immer häufiger wird auf Tablets geschrieben.
© Patrick Pleul/dpa

Tippen statt Handschrift: Die Digitalisierung verdrängt ein Persönlichkeitsmerkmal

Die Handschrift hat heute einen schweren Stand. Dabei erfüllt sie das menschliche Verlangen nach Mehrdeutigkeit und Intimität. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Max Tholl

Franz Kafka würde sich in seinem Grab umdrehen. Für satte 150 000 Euro wurde am Samstag in Hamburg ein Manuskript des Schriftstellers versteigert. Kafka hatte in seinem Testament festgehalten, dass sämtliche seiner Aufzeichnungen, Briefe und Manuskripte nach seinem Tod zu zerstören seien. Zum Glück folgte Kafkas enger Freund Max Brod diesem Wunsch nicht und schenkte der Weltliteratur einige ihrer größten Erfolge. Kafkas Handschriften sind Raritäten und bei Sammlern und Museen heiß begehrt. Vergangenes Jahr zeigte der Berliner Martin-Gropius-Bau das Originalmanuskript von Kafkas „Der Prozess“, der Andrang war erwartungsgemäß groß. Denn unter der Glasvitrine lag mehr als einfach vergilbte Seiten mit teils schwer entzifferbaren Wörtern. Was den Reiz des Manuskripts ausmacht, ist die Handschrift des Schriftstellers und sind die Interpretationsspielräume, die sie eröffnet.

Rettungskampagne durch die Industrie

Die Handschrift hat heute einen schweren Stand. Sie ist ein Anachronismus im digitalen Zeitalter, eine Kulturtechnik, die nur noch wenig Nutzen hat. In vielen Ländern wird im Unterricht bereits vermehrt auf Tablets statt auf Schulhefte gesetzt. Wort und Schrift sind längst digitalisiert. Wer etwas mitteilen will, tut dies per Sofortnachricht oder Email. Angesichts dieser Entwicklung rief der weltweit führende Kugelschreiberhersteller BIC mittels einer Kampagne 2015 zur Rettung der Handschrift auf – mit mäßigem Erfolg. Die Aktion war natürlich nicht ganz selbstlos aber in der Sache trotzdem richtig. Denn das Handschriftliche erfüllt das menschliche Verlangen nach Mehrdeutigkeit und Intimität.

Die Manuskripte von Franz Kafka sind mehr als der literarische Text, sie sind auch ein nahezu voyeuristischer Einblick in das Schaffen und in die Gedankenwelt des Schriftstellers. Sie eröffnen Spielräume der Imagination und Interpretation: An welcher Stelle zögerte er, wieso ersetzte er dieses durch jenes Wort? So viel Grundlage zur Analyse bietet das Digitale nicht. Es hat nichts Persönliches und ist komplett austauschbar.
Die Handschrift hingegen ist einzigartig und Ausdruck unserer Persönlichkeit und gerade deshalb so reizvoll. Es kommt nicht nur darauf an, was geschrieben wird, sondern auch wie. Die Handschrift gilt als Beweis der Authentizität, sie stellt eine direkte Verbindung mit dem Verfasser oder der Verfasserin her. Diese Intimität ist in Zeiten von Autovervollständigung und automatisierten Antwortnachrichten rar – und scheinbar eine Stange Geld wert.

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