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Außen vor: Der Grenzzaun zwischen USA und Mexiko
© dpa/AP/Gregory Bull

Mauer zwischen den USA und Mexiko: Die Abschottung hat Tradition

Ressentiments, Krisen, Kartelle: Eine Mauer zwischen den USA und Mexiko gab es schon lange vor Donald Trump. Auch Bill Clinton etwa ließ die Grenze aufrüsten.

„Ich werde einen Zaun bauen. Wir werden ihn dicht machen und sagen: Hör zu, José, du kommst hier nicht rein!“ Die Worte könnten von US-Präsident Donald Trump stammen. Aber sie sind mehr als zwanzig Jahre alt. Der konservative Politiker Pat Buchanan sagte sie, als er sich 1996 um die republikanische Präsidentschaftskandidatur bewarb. „José“, das waren für ihn alle Immigranten aus Mexiko. Seinen Plan verglich Buchanan mit dem Bau der „Großen Mauer von China“.

In Mexiko machte man sich damals über den Vorschlag lustig. Wer würde die „Große Mauer“ bauen, wenn nicht die Mexikaner, die in den USA zu Niedriglöhnen schufteten? Auch diesen Witz hört man in Mexiko nun wieder, seit Donald Trump den Bau des „great wall“ an der Grenze zu Mexiko angekündigt hat.

Nicht Trump, sondern Bill Clinton begann den Mauerbau

So neu und radikal vieles klingt, was Trump vorschlägt, so greift er doch vielfach nur Ideen auf, die eine lange Tradition in den USA haben. Anhand der Grenze zu Mexiko führen die USA seit 170 Jahren ihre eigene Leitkultur-Debatte. Südlich der Grenze verorten Konservative dabei meist all das, was im Gegensatz zum heroischen Selbstbild vom fleißigen Weißen angelsächsischer Herkunft steht: Faulheit, Falschheit, das Sexuelle und Kriminelle.

Aber auch Hollywood bedient sich ihrer gerne. Die südliche Grenze ist dort oft die Trennlinie zwischen Licht und Dunkel, zwischen Ordnung und Anarchie: von Orson Wells’ „Touch of Evil“ (1958) bis hin zu dem Horrorthriller „From Dusk Till Dawn“ (1996). Klar, dass man sich davon abschotten will.

Trumps Rhetorik mag extrem klingen, aber nicht er begann mit dem Mauerbau zu Mexiko, sondern Bill Clinton. Der Demokrat ordnete Mitte der neunziger Jahre die Aufrüstung der Grenze an und legte den Grundstein für das, was Donald Trump nun vollenden möchte.

Die Sodwirkung der US-Wirtschaft ist größer als die Mauer

Schon kurz nach seiner Wahl sagte Clinton 1993: „Wir werden es härter für illegale Einwanderer machen, in unser Land zu kommen.“ Das kam bei großen Teilen der verunsicherten weißen Bevölkerungsmehrheit an, die sich damals dem „nativism“ zuwandte. Diese Ideologie, die auf die Vorrechte der Weißen pocht, wird stets in wirtschaftlichen Umbruchszeiten stark. Auch Donald Trumps „Make America great again“ evoziert geschickt das Bild eines Amerikas vor der Einwanderungswelle aus Lateinamerika.

1994 errichteten US-Reservisten eine Barriere aus 180.000 Stahlplatten zwischen den Grenzstädten San Diego und Tijuana. Die Border Patrol wurde aufgestockt und mit der neuesten Überwachungstechnologie ausgestattet. Das Ziel lautete: „Die Grenze muss unter Kontrolle gebracht werden.“ Bei Donald Trump hört sich das heute so an: „Ohne Grenze gibt es kein Land.“ Damals wie heute hat diese Rhetorik ein Ziel: Die Öffentlichkeit soll den Eindruck gewinnen, dass die Grenze gerettet werden müsse.

Die praktische Überlegung hinter Clintons Mauerbau lautete: Viele Einwanderer würden abgeschreckt. Der verbleibende Strom würde in abgelegene Gegenden umgeleitet, wo er endlich versiegte. Natürlich funktionierte das nicht. Die Sogwirkung der US-Wirtschaft auf die von Armut getriebenen Arbeiter aus dem Süden war und ist stärker. Die Aufrüstung beförderte den Aufstieg professioneller Menschenschmugglerorganisationen und die Machtausweitung der mexikanischen Drogenkartelle.

1848 nicht mehr als eine Linie im Sand

Schwerer noch wiegt der Tod tausender Menschen, die in den Wüsten des Grenzgebiets bei dem Versuch verdursten, in die USA zu laufen. Was das Mittelmeer für die Flüchtlinge aus Afrika, ist die Wüste heute für Migranten aus Lateinamerika: ein riesiges Grab.

Vergangenes Jahr kam der Film „Desierto“ von Jonás Cuarón heraus, der die Grenzregion als Todesfalle porträtiert. Die Gefahr in dem Thriller geht dabei weniger von der Sonne aus als vielmehr von einem selbst ernannten Grenzsheriff, der auf undokumentierte Einwanderer schießt. Das hat einen realen Hintergrund: Seit Jahren machen paramilitärische Gruppen an der Grenze Jagd auf Migranten. Wer etwas über diese Situation erfahren will, muss sich die Dokumentation „Cartel Land“ von Matthew Heinamann anschauen. Er folgt einer solchen Einheit hautnah. Man kann davon ausgehen, dass alle ihre Mitglieder Trump-Wähler sind.

Doch wie wurde die US-mexikanische Grenze zu dieser ideologisch und mythisch aufgeladenen Institution? Als sie 1848 willkürlich von Washington gezogen wurde, war sie nicht mehr als eine abstrakte Linie im Sand. Zuvor hatten die Vereinigten Staaten einen zweijährigen Krieg gegen Mexiko gewonnen, an dessen Ende die Annektierung des heutigen US-Südwestens steht. Nun machten sich die neuen Herren daran, die mexikanischen Landbesitzer gewaltsam zu enteignen. Die Konflikte erreichten ihren Höhepunkt während der mexikanischen Revolution, als Pancho Villa 1916 den Ort Columbus in Texas angriff.

Mexikaner wurden für den Arbeitsplatzmangel verantwortlich gemacht

Diese Ereignisse prägten die Vorstellung von der Grenze als Ort der Rechtlosigkeit. Unzählige Western haben sie aufgegriffen. Etwa der wegen seiner Brutalität epochale „Wild Bunch“ (1969) von Sam Peckinpah oder der ebenfalls schwer gewalttätige „No Country for Old Men“ (2007) von den Coen-Brüdern.

Mit dem Ende der mexikanischen Revolution beruhigte sich die Grenzregion zunächst. Die Frage nach ihrer gesellschaftlichen Identität stellten sich die USA an anderer Stelle. Wieder ist die Ähnlichkeit mit heute verblüffend. Donald Trump hat verfügt, dass Menschen aus sieben muslimischen Ländern kein US-Visum mehr erhalten. Doch schon 1924 verabschiedete der US-Kongress den National Origins Act, der die Einwanderung aus Süd- und Osteuropa stark beschnitt. Er war Ausdruck der Ressentiments gegen jüdische und katholische Einwanderer.

Dieser frühe Nativismus wandte sich während der Weltwirtschaftskrise 1929 auch gegen die Mexikaner, die man für den Arbeitsplatzmangel verantwortlich machte. In Restaurants las man Schilder: „No Dogs or Mexicans“. Es folgte die erste große Deportationswelle. Bis zu einer Million Mexikaner wurden über die Grenze geschafft. Es ist ein Szenario, wie es nun Donald Trump vorschwebt, der geschätzte elf Millionen illegale Einwanderer ausweisen möchte. Bis heute hat diese Politik vor allem einen Effekt: Die Arbeitskraft der rechtlosen und bedrohten Arbeiter wird billiger, und die US-Wirtschaft und die Konsumenten profitieren davon.

Die Grenze war zur Drehtür geworden

Als der Zweite Weltkrieg dann zum Mangel an männlichen Arbeitern führte, beschloss Washington ein Gastarbeiterprogramm. Zwischen 1942 und 1964 kamen bis zu fünf Millionen mexikanische Männer legal in die USA, Frauen waren ausgeschlossen. Ein Bauer kommentierte: „Früher hatten wir Sklaven, jetzt mieten wir sie von der Regierung.“

1954 folgte mit „Operation Wetback“ eine weitere Deportationswelle. Politiker und Medien beschuldigten die Mexikaner, Mord, Prostitution und Drogenhandel ins Land gebracht zu haben. Nun wurden sie auf Farmen, Baustellen, in Fabriken und Restaurants aufgespürt und deportiert. Viele standen nur wenig später schon wieder auf den Feldern Kaliforniens. Die Grenze war für die Arbeiter aus Mexiko zu einer Drehtür geworden. Herrschte Bedarf an billigen Arbeitskräften: rein. Herrschte Krise: raus.

Während der Ölkrise Mitte der siebziger Jahre fand man in den Mexikanern erneut den perfekten Sündenbock. Präsident Gerald Ford sagte: „Das größte Problem ist: Wie werden wir die sechs bis acht Millionen Fremden los?“ Sein Justizminister fügte hinzu: „Am Ende des Jahrhunderts gibt es 120 Millionen Mexikaner. Wir haben nicht genug Kugeln, um sie zu stoppen.“

Trumps Rassismus und die Mauer sind nichts Neues

Zur Beschwörung der Invasion aus dem Süden gesellte sich in den Siebzigern die Furcht vor einer mexikanischen Separatistenbewegung im US-Südwesten. Dass die Mexican-Americans die annektierten Territorien einfordern könnten, warnte der damalige CIA-Direktor. Diese Angst existiert bis heute.

Donald Trumps Rassismus und seine Mauer sind also nichts Neues. Aber er hat in seinem Größenwahn den Diskurs auf eine neue Stufe gestellt. Er will die gesamte Grenze auf 3200 Kilometern abschotten – es ist die Luftlinie zwischen Madrid und Moskau. Und er begreift die Mauer auch als ökonomischen Schutzwall. War Clintons Mauerbau auch eine Folge des Freihandelsabkommens Nafta, weil die wirtschaftliche Entgrenzung Ängste vor Einwanderungsströmen und zunehmendem Drogenhandel geweckt hatte, so betreibt Trump einen neuen Isolationismus. Nicht nur Mexikaner sollen ausgeschlossen werden, sondern auch Produkte aus Mexiko. Auf das Primat des Freihandels folgt unter Trump das Primat der Mauer.

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