Entgegnung auf "Spiegel"-Bericht: Dercon: Volksbühne wird keine Abspielstätte
Der "Spiegel" behauptet, der neue Volksbühnen-Intendant wolle sein Haus zur "Abspielstätte von Fremdproduktionen" machen. Chris Dercon widerspricht und wirft dem Magazin mangelnde Recherche vor.
Die Berliner Volksbühne wehrt sich gegen einen Bericht des „Spiegel“, wonach der neue Intendant Chris Dercon den „Umbau des Theaters in eine Abspielstätte von Fremdproduktionen“ vorantreibe. Das Nachrichtenmagazin zitiert aus Unterlagen für den Haushaltsausschuss des Abgeordnetenhauses. Sämtliche Stellen für Regie und Dramaturgie, mehr als zehn, sollten demnach gestrichen und das Schauspielerensemble von 27 auf 12 Stellen reduziert werden. Verstärkt werden solle hingegen die Besetzung der Pressestelle und die Abteilung für Marketing.
Die Regie wird nicht abgewickelt
Chris Dercon wirft in einer Entgegnung dem „Spiegel“ mangelnde Recherche vor: „Richtig ist, dass nicht wir, sondern Frank Castorf in den letzten Jahren sein Ensemble von 27 fest engagierten Schauspieler*innen auf 11 reduziert hat.“ Auch sei die Größe des neuen künstlerischen Teams kaum verändert worden: „Sechs Dramaturgen und Kuratoren arbeiten in der Programmabteilung, die zum Programmstart am Rosa-Luxemburg-Platz im November noch aufgestockt wird. Regieassistenten heißen im Stellenplan jetzt Produktionsleiter, ihre Aufgabenbereiche wurden erweitert.“ Und die Marketing-Abteilung sei nur um eine Online-Stelle erweitert worden.
Chris Dercon, der 1958 in der belgischen Kleinstadt Lier geboren wurde, war als neuer Volksbühnen-Intendant von Anfang an umstritten. Der studierte Theaterwissenschaftler hatte als Kurator Karriere gemacht und nach Stationen in New York und München zuletzt die Tate Gallery of Modern Art in London geleitet. Anhänger des geschassten Altintendanten Frank Castorf warfen Dercon vor, er wolle das Schauspielhaus und sein Ensemble abwickeln und stehe für ein austauschbares, für den globalen Festivalbetrieb produziertes Durchreisetheater“.
Dercon rechnet mit Besucherschwund
Claus Peymann, der in diesem Sommer abgelöste Intendant des Berliner Ensembles, spottete über eine "Eventbude". Anfang September übergaben Aktivisten Kultursenator Klaus Lederer (Linke) eine Petition für den Erhalt der Berliner Volksbühne als Repertoire- und Ensembletheater, die von 40 000 Menschen unterzeichnet worden war. In den Sozialen Netzwerken entluden sich bereits Hasswellen gegen Dercon und seine Truppe, als von ihren Plänen noch wenig bekannt war. Im Sommer verwahrte sich das Theater auf seiner Facebook-Seite gegen "Hasskommentare, Beleidigungen, vulgäre und xenophobe Aussagen jenseits von Fakten". Angesichts dieses Widerstands hofft Chris Dercon offenbar nicht auf viele ausverkaufte Vorstellungen. Laut "Spiegel" rechnet er mit einem Zuschauerschwund von über 40 000 Besuchern für das nächste Jahr. Das wären 25 Prozent weniger Zuschauer als in diesem Jahr.