Pariser Kunstmesse Fiac: Der „Wow“-Effekt
Katharina Grosse, Grayson Perry, Alicja Kwade: Die Kunstmesse Fiac im Pariser Grand Palais prägen spektakuläre Soloschauen.
„Wir zünden die Messe an!“, ruft Alexandre Betak und lacht. Der französische Designer und Produzent von Modeschauen steht am Stand der Schweizer Galerie Gmurzynska, den er als Feuerwehrstation de luxe inszeniert hat – mit einer Rotunde aus silber-metallischen Feuerlöschern und feuerroten Wänden aus Folie. An ihnen hängen Werke der großen Pyromanen unter den Künstlern, darunter das Feuer- und Bodyimprint „F87“ (800 000 Euro) von Yves Klein oder das grotesk-surreale Gemälde „Les Fumoisses“ von Roberto Matta aus dem Jahr 1973, das die Exzesse des blauen Dunsts feiert; der Chilene war wie seine Kollegen Kettenraucher. Einmal bekannte er lapidar: „Ich malte, was in mir brannte“.
Was früher das existenzielle „Alles oder Nichts“ war, ist heute der „Wow“-Moment. Erst, wenn er ihn gefunden habe, sei er zufrieden, bekennt Betak, und es scheint, als hätten sich nicht wenige der 195 Galeristen auf der 45. Pariser Kunstmesse Fiac im von einer Glaskuppel überwölbten Grand Palais ebenfalls diesem Moment verschrieben. Dies liegt nicht zuletzt an den zahlreichen Soloshows, um die sie einige ihrer Künstler gebeten haben. Der wohl spektakulärste Stand ist der von Gagosian. Hier hat Katharina Grosse ihre gigantisch schöne Installation „Ingres Wood“ aufgebaut – aus abgestorbenen Stämmen eines von Jean-Auguste-Dominique Ingres in den 1830er Jahren in der römischen Villa Medici gepflanzten Baums. Stoff, von der Künstlerin fulminant funkelnd bemalt, ummantelt das Holz, das zugleich auf üppige Stofflagen gebettet ist. Ein Meisterwerk für rund 550 000 Euro.
Ähnlich popbunt animierend ist der Stand des britischen Transgender-Künstlers und Turner-Preisträgers Grayson Perry bei Victoria Miro, der auf Vasen, Wandteppichen und Holzschnitten den Zustand der Gesellschaft kommentiert. Das Monnaie de Paris widmet ihm gleichzeitig seine erste Überblicksschau in Frankreich: „Vanité, Identité, Sexualité“.
Starke Einzelpräsentation von Alicja Kwade
Auch die Berliner Bildhauerin Alicja Kwade positioniert sich mit einer starken Einzelpräsentation bei der New Yorker 303 Gallery, ebenso wie einige Galeristen aus der deutschen Hauptstadt Künstler um Soloauftritte gebeten haben – so Nagel den französisch-algerischen Künstler Kader Attia mit verstörenden Büsten von kriegsversehrten Veteranen des Ersten Weltkriegs. Vorlagen waren alte Fotoaufnahmen. Chirurgen hatten die Gesichter damals notdürftig operiert, Attia beauftragte Bildhauer aus dem Senegal, damaliger Kolonialstaat, die Arbeiten zu schnitzen, und rekonstruiert so einen Teufelskreis der Ausbeutung, der niemals endet (je 75 000 Euro).
Die Galerie Neugerriemschneider debütiert mit Thilo Heinzmann, der den Stand mit puristisch-minimalistischen Wandarbeiten in Schwerelosigkeit zu versetzen scheint (Preise: ca. 26 000– 40 000 Euro), und Galeristin Esther Schipper ist eine berührend subtile Schau mit Licht- und Glasskulpturen der belgischen Künstlerin Ann Veronica Jannssens gelungen (30 000–60 000 Euro). Die Galerie Capitain Petzel hat eine der betörenden, kleinformatigen Rosen-Studien, „Study for Gong Li B“, aus dem Jahr 2015 von Robert Longo mitgebracht (65 000 Dollar) und Max Hetzler ein hervorragendes, millionenschweres Gemälde von Albert Oehlen.
Verkäufe bereits am Preview-Tag
Ein zweiter Akzent der Aussteller auf der von der ersten Stunde an intensiv besuchten Fiac liegt auf Werken, die aus Textilien gemacht sind: darunter eine expressive Wandarbeit aus Wollsträngen der US-amerikanischen Künstlerin Sheila Hicks in der Galerie Rosemarie Schwarzwälder (181 000 Euro). Wie üblich melden einige Top-Player bereits am Preview-Tag Verkäufe. Unter anderem platzierte die Galerie Hauser & Wirth das Gemälde „Martyr“ von Philip Guston aus dem Jahr 1978 für sechs Millionen Dollar in einer Sammlung, verzeichnete Ropac Verkäufe von Werken des unermüdlichen Georg Baselitz (350 000–450 000 Euro) und notierte man in der Galerie Sprüth Magers die Weitergabe einer Fotoarbeit von Cindy Sherman (300 000 Dollar).
„Es freut mich, von solchen Erfolgen zu hören“ sagt Messedirektorin Jennifer Flay, „doch ebenso wichtig sind mir die Ergebnisse der jüngeren Galeristen.“ Für sie, die auf den Emporen logieren, hat sie die Preise der Standmieten reduziert. Auch hier überzeugen die Aussteller mit Qualität – so wie Karma International, die eine glamouröse Arbeit von Pamela Rosenkranz zeigen (70 000 CHF). Flay verweist auch auf die hochkarätigen Ausstellungen in den Museen der Stadt, ob Thomas Saraceno im Palais de Tokyo oder „Schiele-Basquiat“ in der Fondation Louis Vuitton. Sensationell ist die Schau des in Berlin lebenden Briten Simon Fujiwara in der vor Kurzem eröffneten Fondation Lafayette Anticipations. Wer seine nervenzermalmende Bildersimulation „Empathy I“ gesehen hat, dem fällt danach nur ein Wort ein: „WOW“.
Fiac, Grand Palais Paris; bis 21. 10., www.fiac.com
Eva Karcher