Bilanz des Kunstmarkts 2017: Retter der Rekorde
Erst schien es kein gutes Jahr für den Kunstmarkt zu werden – dann explodierten die Preise. Auch deutsche kontemporäre Kunst verkaufte sich gut.
Die Prognosen waren mäßig für 2017. Jahrelang hatte ein Verkaufsrekord den nächsten gejagt, doch im vergangenen Jahr ging der Umsatz auf dem internationalen Kunstmarkt erstmals zurück. Allzu viel schien gegen eine baldige Erholung zu sprechen: das junge Kulturgutschutzgesetz, die anhaltende Niedrigzinspolitik der Zentralbanken, der drohende Protektionismus der Trump-Regierung und nicht zuletzt die ungewissen Konsequenzen des nahen Brexit. Vor allem dem Segment der zeitgenössischen Kunst, das aufgrund seiner rasanten Entwicklung als besonders spekulationsanfällig gilt, traute man im abgelaufenen Jahr wenig zu.
Soweit die bislang ermittelten Daten eine Bewertung zulassen, waren die Befürchtungen allerdings unbegründet. Gemessen an den Zuwächsen des vergangenen Jahrzehnts verspricht die Investition in Zeitgenössisches nach wie vor verführerische Renditen, und so wurde hier nach einer kurzen Phase der Zurückhaltung wenigstens für das erste Halbjahr denn auch bereits wieder ein sattes Umsatzplus von 14 Prozent notiert.
Längst haben sich Künstler aus dem Umfeld der Street Art als Umsatzgrößen etabliert. Zwar hechelt der immer noch populäre Banksy bislang vergeblich den Millionenwerten seines Erfolgsjahres 2008 hinterher, doch dafür hat der Handel in diesem Bereich mit Jean Michel Basquiat längst gefunden, was Picasso für die Moderne oder Monet für die Impressionisten sind: den mit Abstand bedeutendsten und verlässlichsten Umsatzbringer. Bis zum Sommer wurden auf internationalen Auktionen innerhalb eines Jahres allein mit Basquiat mehr als 300 Millionen US-Dollar umgesetzt, gleich drei seiner Gemälde platzierten sich in den Top Ten der teuersten Lose. Zum Vergleich: Mit „nur“ 60 Millionen rangiert der britische Landschaftsmaler Peter Doig inzwischen abgeschlagen auf Platz zwei. Zudem hat Basquiat jüngst erneut Auktionsgeschichte geschrieben: Er ist der erste Künstler seiner Generation, von dem ein Werk mit Aufgeld in den dreistelligen Millionenbereich (gut 110 Millionen) gehoben wurde. Den Zuschlag erhielt im Mai der einflussreiche japanische Sammler Yazaku Maezawa im New Yorker Auktionshaus Sotheby's für eine unbetitelte Arbeit von 1982 erst bei 98 Millionen US-Dollar. Einen Tag zuvor hatte der Konkurrent Christie's das Bild „La Hara“ für 31 Millionen US-Dollar an einen Sammler vermittelt.
Die Entwicklung deutscher Künstler war beeindruckend
Daneben ist auch Keith Haring in der Spitzengruppe der teuersten Gegenwartskünstler vertreten, der wie Basquiat aus der New Yorker Sprayerszene stammte. Es dürfte sich lohnen, ihren französischen Kollegen JR im Auge zu behalten, der, mittlerweile durch einen Auftritt auf der Biennale in Venedig und eine Schau in der Tate Modern geadelt, vermutlich ebenfalls im Preis anziehen wird. Ebenso wie der Deutsche Albert Oehlen, dem spätestens mit seiner Ausstellung „Elevator Paintings: Trees“ im Frühjahr in der New Yorker Galerie Gagosian der Sprung in die Spitzengruppe der aktuellen Künstler gelungen ist – nicht ganz überraschend, denn wer es einmal ins Portfolio solcher Power-Player wie Gagosian oder Zwirner geschafft hat, setzt sich für gewöhnlich auch auf dem Sekundärmarkt durch.
Überhaupt war die Entwicklung deutscher Künstler auf internationalen Contemporary-Auktionen auch dieses Jahr beeindruckend; neben Oehlen schafften es drei weitere Namen unter die 20 umsatzstärksten Künstler der Gegenwart. Allein achtmal in den letzten zwölf Monaten gab es Gebote in Millionenhöhe für Rudolf Stingel – zuletzt im November im Auktionshaus Phillips (New York), wo ein unbetiteltes Bild für 5,4 Millionen US-Dollar versteigert wurde. Immerhin dreimal übersprangen Arbeiten von Anselm Kiefer die Millionengrenze, darunter die Arbeit „Athanor“ im März bei Sotheby's in London für 1 850 000 Pfund. Zum Teil noch höher werden die Skulpturen von Thomas Schütte gehandelt. So konnte im Mai bei Christie's in New York die vor der Jahrtausendwende entstandene „Bronzefrau Nr. I“ des Künstlers ohne Schwierigkeiten von empfohlenen 3,2 auf 4,4 Millionen US-Dollar gesteigert werden.
Richter verabschiedete sich vorübergehend aus der Spitzengruppe
Unterdessen hält die Renaissance für den Zero-Klassiker Günther Uecker an: Zweimal wurden Werte über zwei Millionen Euro notiert, darunter für das Gemälde „Both“, das im November im Kölner Auktionshaus Van Ham mit der vergleichsweise verzagten Taxe von 600 000 Euro zum Aufruf kam. Deutlich mehr Esprit bewiesen die Bieter, die das Gemälde entschlossen auf 2,2 Millionen Euro hoben und damit unterstrichen, dass Spitzenwerte durchaus auch vor nationalem Publikum möglich sind. Ebenso erfreulich fiel im Juni das Ergebnis bei Ketterer (München) für ziemlich flott improvisierte „Zwei halbe Kühe“ von Georg Baselitz im internationalem Vergleich aus, denn die 1968 datierte Arbeit kletterte rasch von geschätzten 500 000 auf 729 000 Euro. Am selben Tag wurde dort auch Gerhard Richters abstraktes Gemälde „Rot-Blau-Gelb“ für 604 000 Euro einem Bieter zugeschlagen. Zwei korrespondierende kleinere Arbeiten mit gleicher Themenstellung aus demselben Jahr (1973) konnte das Haus in der Dezember-Auktion jedoch nur noch für 190 000 Euro vermitteln. Richters „Eisberg“ von 1982, der im März bei Sotheby’s in London für eigentlich vorhersehbare 18 Millionen Pfund den Besitzer wechselte, konnte jedoch ebenfalls nicht verhindern, dass Richter sich im Jahresranking vorübergehend aus der Spitzengruppe verabschiedete.
Ab einer gewissen Höhe geht's aufs internationale Parkett
In Deutschland waren für moderne und Nachkriegskünstler vergleichbare Zuwächse zwar nicht zu verzeichnen, doch immerhin gelang es, ihren Marktanteil zu konsolidieren. Ernst Wilhelm Nay wurde im Dezember im Münchner Auktionshaus Ketterer nochmals zum deutschen Aushängeschild der staatlich geförderten Abstraktion der fünfziger Jahre und in seiner Qualität eindrucksvoll bestätigt. Der Wert seiner 1955 entstandenen Komposition „Scheiben und Halbscheiben“ war im Katalog nur mit einer übervorsichtigen Viertelmillion Euro beziffert worden, doch der Käufer musste fast bis zum Achtfachen gehen, um bei 1 906 500 Euro endlich den Zuschlag zu erhalten. In derselben Auktion wurde auch ein Blatt von Franz Marc mit „Zwei Pferden“ aus dem Jahr 1911 verhandelt, und auch in diesem Fall musste ein Bieter am Ende mit 625 000 Euro ein Mehrfaches der Taxe berappen.
Ab einer gewissen Höhe suchen Investoren aber wohl doch eher den Beifall auf internationalem Parkett: 32 Millionen Pfund brachte im Juni bei Christie's in London Max Beckmanns um 1937 ersonnene „Hölle der Vögel“, während ein beschaulicheres und damit weniger aussichtsreiches „Braunes Meer mit Möwen“ (1941) der Villa Grisebach in Berlin anvertraut wurde, wo es Ende November erwartungsgemäß für 1 208 500 Euro einen Abnehmer fand; Augenmaß hatten die Berliner zuvor auch mit Konrad Felixmüllers „Frau im Wald“ Anfang Juni bewiesen: Mit dem Hammerpreis von 200 000 Euro konnte man lediglich die Taxe bestätigen.
Michael Lassman
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