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Vom Sex enttäuscht. Das kennen viele Leserinnen von „Cat Person“. Foto: F. Gentsch/dpa
© picture alliance / Friso Gentsch

"Cat Person" von Kristen Roupenian: Der Kerl mit den Katzen

YouToo: Die Short Story "Cat Person" hat rasenden Erfolg im Netz. Weil sie auch die Frage verhandelt, was es für eine junge Frau heißt, ihr Einverständnis zu geben.

Normalerweise sind es lustige Tiervideos, Tweets oder Memes, die virale Erfolge feiern. Literarische Texte haben es dagegen eher schwer im Internet. Doch als der „New Yorker“ am 11. Dezember die Kurzgeschichte „Cat Person“ online stellt, teilen tausende Menschen den bereits in der Printausgabe des Magazins erschienenen Text in den sozialen Medien. Die bis dahin unbekannte Autorin Kristen Roupenian wird über Nacht zum Star der Literaturszene. Inzwischen ist „Cat Person“ der meistgelesene fiktive Text im „New Yorker“ 2017, erfolgreicher auch als Kurzgeschichten von Zadie Smith oder F. Scott Fitzgerald.

Die Story wird aus der Perspektive der 20-jährigen Studentin Margot erzählt, die im Kino arbeitet und dort den älteren Robert kennenlernt. Über Wochen kommunizieren sie via Textnachrichten, bevor es zum Date kommt. Trotz einiger Unstimmigkeiten geht Margot an dem Abend mit zu Robert nach Hause. Sie haben Sex, der für Margot äußert unbefriedigend verläuft. Sie hat keine Lust, ihn wiederzusehen, will aber auch seine Gefühle nicht verletzen. Bis es zum Eklat kommt und Robert – wieder per Textnachricht – sein wahres Gesicht offenbart.

Offenbar trifft Roupenian mit ihrem nüchternen Ton einen Nerv der Zeit. Dating in der Ära von Tinder & Co, wo Menschen oft erst mal lange nur online kommunizieren, bringt es mit sich, dass Personen einander imaginieren und dabei jedes sprachliche Detail interpretieren. Robert schreibt von seinen zwei Katzen, er muss also ein „Katzenmensch“ sein, was Margot gefällt. Aber existieren diese Katzen wirklich? Bis gegen Ende bleibt Roberts Figur vage, der Leser ist sich über dessen wahren Charakter genauso wenig im Klaren wie die Protagonistin.

Viele hielten "Cat Person" für eine wahre Geschichte

Inmitten der „MeToo“-Debatte und von Diskussionen etwa um den schwedischen Gesetzesentwurf, der die Einvernehmlichkeit beim Sex verbindlich regeln will, verhandelt „Cat Person“ auch die Frage, was es für eine junge Frau heißt, ihr Einverständnis zum Sex zu geben. Während Margot anfangs selber die Initiative ergreift, fühlt sie sich im Lauf des Abends nicht mehr zu Robert hingezogen, glaubt aber, nicht mehr Nein sagen zu können, ohne blöd dazustehen. Sie entschließt sich also, mit Robert zu schlafen, da es weniger Mühe bedeutet, das Ganze einfach über sich ergehen zu lassen. Diese Gedankengänge beschreibt Roupenian so schmerzlich realistisch, dass viele Leserinnen und Leser „Cat Person“ nicht für Fiktion hielten, sondern für eine wahre, persönliche Geschichte. Obwohl in der dritten Person erzählt wird.

In Reaktion auf den Text berichten jedenfalls zahlreiche Frauen von ähnlich unangenehmen sexuellen Begegnungen, die sie nur deshalb nicht vorzeitig abbrachen, weil sie glaubten, nett sein zu müssen. Einige männliche Leser reagierten dagegen gereizt – nachzulesen auf Twitter-Accounts wie „Men React to Cat Person“. Sie werfen der Protagonistin Arroganz und Oberflächlichkeit vor und sehen in Robert das Opfer. Ein eigentlich netter Kerl, der trotz guter Absichten abserviert wurde und deshalb seinerseits gereizt reagiert.

„Cat Person“ ist inspiriert von einer schlechten Erfahrung, die die Autorin Kristen Roupenian selbst beim Online-Dating gemacht hat. Eigentlich hatte die jetzt 36-Jährige zunächst eine Karriere im Auswärtigen Dienst angestrebt, wie sie jetzt im Interview mit der „New York Times“ erzählt. Bevor sie ihren Doktor in Harvard machte, arbeitete sie als Kindermädchen und beim Friedenscorps in Kenia. Seit dem Erfolg von „Cat Person“ ist klar, dass ihre Entscheidung, das Schreiben zum Hauptberuf zu machen, wohl richtig war. Der US-Verlag Scout Press hat Roupenian eine siebenstellige Summe gezahlt, für einen Kurzgeschichten-Band („You Know You Want This“, 2019) und die Rechte an ihrem ersten Roman.

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