Im Kino: "Der Marsianer" von Ridley Scott: Der allereinsamste Mensch
Vergessen im Weltall: Matt Damon kämpft als Astronaut in „Der Marsianer“ ums Überleben.
Es muss irgendwann im Paläoproterozoikum des deutschen Fernsehzeitalters gewesen sein, da war die Quizsendung „Hätten Sie’s gewusst?“ eines gewissen Heinz Maegerlein außerordentlich beliebt. Zwei Kandidaten saßen in schalldichten Kabinen, beantworteten Fragen aus dem Allgemeinbildungskanon und gewannen im besten Fall einen Küchenmixer. Die schönste Kategorie dieses Ratespiels versammelte die fachübergreifend vermischten Themen menschlichen Wissensdursts und hieß, nahezu poetisch, „Was man weiß, was man wissen sollte“.
Heutige Zuschauer wissen spätestens nach der Besichtigung des Films „Der Marsianer – Rettet Mark Watney“ immerhin, wie man auf dem Mars überlebt. Und das sollte auch jeder wissen, der zufällig dort ganz alleine als Teilnehmer einer Raumfahrtexpedition zurückbleibt und sich angesichts von schroff abweisendem Gestein und trockeneisnebulös umhertreibenden rötlichen Mineralsänden dringend die überlebensnotwendige Ernährungsfrage stellt. Also: Man lege unter einer Plastikplane ein großes Beet an, vergrabe darin ein paar Restkartoffeln aus dem Catering-Container und dünge das Ganze mit dem eingeschweißten – und entsprechend aufzuschnipselnden – Scheiß der übrigen Crew. Schon steht einer zumindest mittelfristigen Zukunft auf unserem Nachbarplaneten nichts mehr im Wege.
900 Marstage Einsamkeit
Nun ist es nicht so, dass die von Commander Lewis (Jessica Chastain) eher zart befehligte Nasa-Mission ihren Astronauten-Buddy Mark (Matt Damon) einfach so in dieser unwirtlichen Weltallgegend auf sich allein gestellt hätte. Schließlich war ihm bei einem Sturm, der einen Teil der Station zerstörte, eine Art Satellitenschüssel derart derb ins Gesicht geflogen, dass das Team ihn für tot hielt. War er aber nicht, und das ist, sollte man wissen, fast schon die ganze Geschichte.
Ridley Scott als Regisseur und, mehr noch, Matt Damon als Hauptdarsteller geben sich redlich Mühe, der rund 900 Marstage währenden solipsistischen Odyssee Leben einzuhauchen. Tatsächlich gibt es manches zu beschmunzeln und anderes mit einem Ergriffenheitstränchen zu benetzen im Verlauf der länglichen 141 Filmminuten. Da ist Damons stolzer Ausruf, er sei der „größte Botaniker auf diesem Planeten“. Da ist sein Leiden unter der von Commander Lewis hinterlassenen Discomusik aus dem, sagen wir, Mesozoikum der Popgeschichte. Da sind aber auch die ersten Mail-Chats des Zwangsmarsianers mit der Heimkehrercrew, die zwischen Himmel und Erde plötzlich vor einem folgenschweren Entschluss steht. Natürlich darf die US-Raumfahrt so wenig dahinscheiden wie Nationalheld Mark Watney, und dass sogar die Chinesen logistisch beim U-Turn im Universum mittun, macht die interkontinental und interstellar versöhnliche Note des Unternehmens komplett.
Nur an interhumanem Drama mangelt es der Mission beträchtlich. Schon als Tom Hanks in Robert Zemeckis’ „Cast Away – Verschollen“ (2000) als einziger Überlebender eines Flugzeugabsturzes jahrelang auf einer einsamen Insel vor sich hin verkrautete, hätte man dem zeitgenössischen Robinson mindestens einen Freitag zur Seite gewünscht. Auch die einsamen gärtnerischen Kartoffelklon-Erfolge Matt Damons bleiben nur bedingt abendfüllend. Wie wär’s daher mit einem flinken Remake, etwa durch Tim Burton? Schließlich weiß man doch, dass kleine grüne Männchen den Mars bevölkern. Oder man weiß zumindest, dass man es wissen sollte.
In 23 Berliner Kinos. OV: Alhambra und Cinestar Sony Center
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