Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Das Museum als Universum
Bürgernähe, Provenienzforschung, Bode-Lab: zur Zukunft der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Ein Gastbeitrag des Stiftungspräsidenten.
Kürzlich haben wir kulturinteressierte Berlinerinnen und Berliner befragen lassen, was die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) für sie sei. Der Begriff „preußisch“ war dabei meist eher konservativ konnotiert, als mit Weltläufigkeit verbunden. Doch der Zusammenhang mit Humboldt-Forum und Berliner Schloss war für viele selbstverständlich. Wir hörten von bezaubernden Stunden im Musikinstrumenten-Museum, von der Faszination Nofretetes und von Besuchen in der Alten Nationalgalerie. „Stolz“ waren die Befragten aber auch auf „ihre“ Staatsbibliothek, einige nannten das Geheime Staatsarchiv als wichtigste Institution der Stiftung. Für die meisten sind unsere Archive, Bibliotheken und Museen eine einzigartige Schatzkammer der Kulturen der Welt. Aber sie wollen noch mehr in ihren Bann gezogen werden.
Dies zeigt, wo die Stiftung Preußischer Kulturbesitz 60 Jahre nach ihrer Gründung steht. Die Faszination ihrer Sammlungen und Bestände vermittelt sich nicht von selbst. Wenn wir wollen, dass sich mehr Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft dafür interessieren, müssen wir stärker auf sie zugehen.
Die SPK ist mitnichten nur ein schwerfälliger Tanker, als der sie bisweilen beschrieben wird, wenn im Berliner Kulturleben mal wieder etwas nicht funktioniert. Spätestens seit der deutschen Einheit, die die Zusammenführung der auf Ost und West zersplitterten Bestände ermöglichte, gehört die SPK zu den wichtigsten kulturellen Playern der Welt. Einzigartig an der Stiftung ist, dass sie unterschiedlichste Sparten der kulturellen Überlieferung vereint. Die Staatlichen Museen zu Berlin sind das größte deutsche Universalmuseum. Die Staatsbibliothek zu Berlin ist mit 11 Millionen Bänden die umfangreichste wissenschaftliche Universalbibliothek des deutschsprachigen Raums. Das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz bewahrt 38 laufende Kilometer Akten und Dokumente. Das Ibero-Amerikanische Institut hat sich als zentrale Anlaufstelle für Wissenschaftler und Intellektuelle aus Lateinamerika etabliert. Und das Staatliche Institut für Musikforschung mit dem Musikinstrumentenmuseum gilt als wichtigste außeruniversitäre Forschungseinrichtung der Musikwissenschaft.
Kunst und Kultur, Wissenschaft und Forschung unter einem Dach
Und ja, ein wenig Pathos gehört auch in die Debatte: Weder in London noch in Paris, St. Petersburg oder New York gibt es eine solche Konzentration von Kunst und Kultur, Wissenschaft und Forschung unter einem Dach. Lediglich das Smithsonian Institution in Washington ist, weil ebenfalls spartenübergreifend, in gewisser Weise vergleichbar. Gerade weil die SPK über diesen Wissensverbund verfügt, sind wir in der Lage, auf die großen Fragen von heute Antworten zu finden. Wie haben sich Kulturen gegenseitig beeinflusst, was können wir heute davon lernen? Wie können wir die Kulturgüter in Krisenregionen besser schützen? Wie können wir Menschen aus anderen Ländern über die verbindende Kraft der Kultur integrieren? Wie kamen die Objekte in unsere Sammlungen, und wie können wir heute daraus einen neuartigen Dialog zwischen den Kulturen gestalten?
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist ein Ergebnis der jüngeren deutschen Geschichte. Es war klug, vor 60 Jahren Bund und Länder zu gemeinsamen Trägern der Stiftung zu machen. Zum einen, weil die SPK ganz Deutschland kulturell repräsentiert, nicht nur Berlin oder das ehemalige Preußen. Zum anderen, weil das dem Kulturföderalismus verpflichtete Konstrukt die SPK immer wieder zur Übernahme gesamtstaatlicher Aufgaben im Kulturbereich prädestiniert.
Eine Stiftung wie die SPK braucht jenseits eigener Überzeugungen Verbündete in Politik, Wirtschaft und Verwaltung, die ihr Freiraum verschaffen, ohne sie alleine zu lassen, die sie begleiten, ohne sie zu gängeln, die sie fördern, aber auch fordern. Es geht um Planungssicherheit und Gestaltungsspielraum, damit wir über den Status Quo hinaus denken und die SPK weiterentwickeln können. Die Meinung der Politik ist uns wichtig, in kulturellen Fragen haben aber auch wir eine Stimme, haben auch wir fundierte Angebote.
Respekt und Toleranz kann nur aus mehr Wissen übereinander entstehen
Die digitale Transformation ist eine unserer größten Herausforderungen. Sie bietet die Chance, die Menschen neu einzubinden und den Kosmos der SPK auf neuartige Weise ganzheitlich erlebbar zu machen. Entscheidend sind dabei Projekte wie das vom Bund geförderte „museum4punkt0“ als Experimentierfeld für innovative Einsatzmöglichkeiten digitaler Technologien im Museum. Dort entwickeln wir digitale Prototypen, die neue Formen der Kommunikation, Partizipation, Bildung und Vermittlung ermöglichen sollen.
Kultureinrichtungen wie die SPK leisten wichtige Beiträge zu einem friedlichen Zusammenhalt unserer Gesellschaft, denn Respekt und Toleranz kann nur aus mehr Wissen übereinander entstehen. Dabei wollen wir gerade diejenigen gewinnen, die noch keinen Zugang zur Kultur gefunden haben. In dem neuen Projekt „Lab Bode“ werden die Staatlichen Museen gemeinsam mit der Kulturstiftung des Bundes im Bode-Museum ein Vermittlungslabor einrichten, das künftig eng mit Berliner Schulen zusammenarbeiten wird. Wichtig ist uns auch das Projekt „Multaka“, in dem Flüchtlinge aus dem Nahen Osten zu Museumsführern ausgebildet werden. Solche Ansätze wollen wir strategisch und nachhaltig ausbauen.
Zentralinstitut für Provenienzforschung geplant
Wir werden auch die Provenienzforschung verstärken, und zwar übergreifend. Die Erforschung der Provenienzen ist für alle Sammlungen ein Thema, seien es Handschriften und Bücher in der Staatsbibliothek, Gemälde in der Nationalgalerie, Antiken im Pergamonmuseum oder Ethnografica im Humboldt Forum. Wir wollen die in der SPK vorhandene Kompetenz auf den unterschiedlichen Gebieten der Provenienzforschung in einem schlagkräftigen Zentralinstitut für die ganze Stiftung zusammenführen. Gerade im Hinblick auf das Humboldt Forum ist es dabei von zentraler Bedeutung, internationale Netzwerke mit Wissenschaftlern aus den Herkunftsländern wie Namibia oder Tansania aufzubauen und zu pflegen. Diese Arbeit kostet Geld. Aber wir wissen dabei die Politik an unserer Seite.
Die SPK ist als Vollmitglied der Deutschen Forschungsgemeinschaft an zwei Berliner Exzellenzclustern und weiteren Forschungsverbünden beteiligt. Zusammen mit der Freien Universität und der Humboldt-Universität gestalten die Museen eine Graduiertenschule und Promotionsstudiengänge, gemeinsame Berufungen sind in Vorbereitung. Ein Forschungscampus Dahlem hätte das Potenzial, einen lebendigen Ort des Erkenntnistransfers zu schaffen, wo Wissenschaftler aus aller Welt an den Sammlungen forschen. Dies alles hat viel mit der außenkulturpolitischen Gestaltungskraft der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu tun. Angesichts des zunehmenden Abbaus kleiner kulturwissenschaftlicher Spezialdisziplinen an den Universitäten trägt die Stiftung in vielen Disziplinen zum Fortbestehen dieser Kompetenzen in Forschung und Lehre bei. Für das außenkulturpolitische Gewicht Deutschlands ist dieses Wissen aber unerlässlich.
Die Museen der SPK unterstützen kulturerhaltende Maßnahmen und Projekte in Syrien, Irak und Ägypten. Und die geplante Ausstellung zur Teheraner Moderne in Berlin hat gerade im Iran wichtige Diskussionen ausgelöst. Mit Russland betreiben wir im Kontext der Beutekunstproblematik so viele gemeinsame Projekte wie nie zuvor, geradezu antizyklisch zu den politischen Beziehungen. Es kann kein wichtigeres Ziel geben, als gerade in schwierigen Zeiten miteinander im Gespräch zu bleiben.
Neuausrichtung interner Strukturen
Schon dieser kursorische Überblick über laufende Projekte, Ideen, Pläne und Probleme zeigt, vor welchen enormen Herausforderungen die SPK steht. Unser Ziel muss es sein, unsere Arbeitsfelder, Kompetenzen und Ressourcen nicht mehr nur getrennt zu betrachten, sondern ein vernetztes Denken und Arbeiten zu stärken, um die vorhandenen Potenziale noch besser nutzbar zu machen. Dafür muss die Stiftung auch mit neuen Kapazitäten ausgestattet werden. Darüber wäre idealerweise mit dem Wissenschaftsrat zu sprechen, der eine Evaluierung der SPK in Angriff nehmen sollte.
Wir müssen uns auch in unseren internen Strukturen neu ausrichten. Wir arbeiten daran, unsere Verwaltung effizienter und reaktionsschneller zu machen, Doppelstrukturen aufzulösen und übergreifende Planungen transparenter und kooperativer zu gestalten. Eine Institution wie die SPK muss einem permanenten Modernisierungsprozess unterworfen sein, der die kleinen Aufgaben ebenso umfasst wie die großen. Alles, was wir mit unseren Sammlungen und Objekten tun, müssen wir immer wieder in neue Bezüge setzen. Dann sind eine Lessing-Handschrift, ein orientalischer Teppich, ein Picasso, eine Wurlitzer-Orgel, ein von Friedrich dem Großen verfasster Erlass oder eine Keilschrifttafel nicht mehr nur Objekte mit Inventarnummern, sondern auch Teil einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung.
Die SPK wird ihre neue Rolle nur finden können, wenn sie sich mit der Kraft der Kultur auch in Debatten einmischt, Positionen vermittelt, Impulse gibt und bisweilen auch einmal provoziert.
Der Autor ist seit 2008 Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.