Ausstellung zum Krieg von 1870/71: Das doppelte Trauma der Franzosen
Paris zeigt eine ausgewogene Ausstellung zum Krieg gegen Deutschland von 1870/71 – und dem Schrecken der blutig niedergeschlagenen "Commune".
100 Jahre liegt der Erste Weltkrieg zurück, ein historisches Ereignis, an das seit 2014 vielfach erinnert worden ist. Nun zeichnet sich bereits das nächste runde Kriegs-Datum ab: der 150. Jahrestag des Deutsch-Französischen Kriegs von 1870/71 im Jahr 2020. In Paris wird schon jetzt ein umfassender Blick auf das Geschehen vor 150 Jahren geworfen. Das Armeemuseum, einst gegründet zum Ruhm der französischen Streitkräfte, hat es sich zur Aufgabe gemacht, das doppelte Trauma dieses für Frankreich verlorenen Krieges aufzuarbeiten.
Die Sonderausstellung "Frankreich – Deutschland 1870-1871", zu der das Deutsche Historische Museum Berlin zahlreiche Leihgaben beisteuert, beleuchtet zum einen die militärische Niederlage Frankreichs im Krieg mit Deutschland, im Kern ein Krieg mit Preußen. Zum anderen rührt die Ausstellung an das tief sitzende Trauma der "Pariser Commune", jener kurzlebigen Räteregierung , die aus dem Aufstand der Pariser Bevölkerung gegen das eigene Militärkommando entstand. Nicht die preußischen und süddeutschen Truppen, die einen Belagerungsring um Paris geschlossen hatten, kämpften die Kommune nieder, sondern das französische Militär selbst – unter den Augen der deutschen Truppen.
Die Ausstellung prunkt nicht mit Waffen und Uniformen, auch wenn etliche zu sehen sind. Wichtiger sind die Reaktionen in Frankreich selbst und in seiner Gesellschaft. Durch sie ging fortan ein tiefer Riss. Auch die Generalamnestie, die den verurteilten ins Ausland geflohenen Kommunarden 1880 gewährt wurde, konnte den Riss nicht heilen. Der Gegensatz zwischen "links" und "rechts" blieb für die französische Republik bestimmend und besteht im Grunde bis heute fort.
Wie verarbeitet eine Gesellschaft die Niederlage gegen einen äußeren Feind und zudem den Bürgerkrieg im Inneren? Überdies ging der preußen-deutsche Sieg einher mit der Proklamation des neuen deutschen Kaiserreichs – ausgerechnet im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles, dem Allerheiligsten der französischen "Gloire". Nun wurde dort der preußische König Wilhelm I. zum Kaiser ausgerufen!
Dagegen steht das Leiden der Zivilbevölkerung in den besetzten Landesteilen und die Abtrennung Elsass-Lothringens. Paris, diese stets zu Revolutionen bereite Stadt der Handwerker und Arbeiter, wollte sich den Deutschen nicht ergeben. Brotmarken und Ratgeber für das "Kochen unter der Belagerung" wurden ab Ende 1870 ausgegeben, als Frankreich trotz der verheerenden Niederlage von Sedan am 1. September 1870 weiterkämpfte.
Dort hatte der selbsternannte Kaiser Napoleon III. abdanken müssen. Die neue, nunmehr republikanische Regierung führte den Krieg zunächst weiter. Doch die Mobilisierung des ganzen Landes blieb ohne Erfolg. Umgekehrt zeigte sich das deutsche Militär mit 383.000 französischen Kriegsgefangenen, weit mehr als je für möglich gehalten, logistisch überfordert. Propaganda wurde im Kriegsverlauf immer wichtiger. Die Zerstörungen, die die Bombardements von Straßburg, Belfort und Paris angerichtet hatten, wurden von den Zeitungen berichtet und in Fotografien dokumentiert.
Noch aber spielte die Kunst eine bedeutende Rolle
Schlimmer aber als die deutsche Artillerie wüten die Kommunarden: Sie brannten Tuilerienschloss und Rathaus nieder, und sie stürzten die Vendômesäule mit der Statue Napoleons I. obenauf.
Noch aber spielte die Kunst eine bedeutende Rolle. Das Erlebnis des Krieges, auf den Schlachtfeldern wie in den Gassen von Paris, wurde auf Gemälden dramatisch dargestellt. Das Armeemuseum zeigt die ganze Bandbreite: von Verherrlichungen der – damals schon altmodischen – Kavallerie bis zu den stummen Opfern auf dem Straßenpflaster. Die deutsche Delegation, die zu Verhandlungen in Belfort eintrifft, wird auf einem besonders patriotischen Gemälde von wütenden Hausfrauen beschimpft.
Gleich am Beginn der Ausstellung hängt das von der Berliner Nationalgalerie ausgeliehene Gemälde "Abreise König Wilhelms I. zur Armee am 31. Juli 1870" von Adolph Menzel. Da sitzt der greise König unscheinbar in seiner Kutsche, die Unter den Linden entlangfährt, während Passanten neugierig schauen. Das ist alles andere als gemalter Hurra-Patriotismus, sondern das Werk eines friedliebenden Bürgers.
Nicht erst der Weltkrieg von 1914-18 wurde mit industriell hergestellten Waffen geführt und durch die Technik entschieden. Die Ausstellung zeigt die ersten Maschinengewehre. Ballons dienten zur Feindaufklärung, aber ebenso zur Flucht. Folgerichtig gibt es die ersten Flugabwehrkanonen. Ohne die Eisenbahn wären die raschen Truppenverschiebungen nicht möglich gewesen. Und mit der Technik kamen furchtbare Verletzungen – und der Fortschritt der Medizin: Operationen werden wie am Fließband durchgeführt, Prothesen massenhaft hergestellt.
Die französische Regierung unter Adolphe Thiers ließ die Kommune stürmen. In der „blutigen Woche“ vom Mai 1871 loderten Brände in ganz Paris, wurden mehr als 30.000 Kommunarden von regulären Truppen niedergemetzelt. Die letzten 147 trifft es an der "Mauer der Verbündeten" direkt am Friedhof Père Lachaise. Die "Mauer", deren Opfer in Massengräber verscharrt werden, ist bis heute das einzige Denkmal der Kommune – und damit zugleich eines des Krieges mit Preußen-Deutschland. Der ist heute für beide Länder zum Glück nur noch Vergangenheit. Die Ausstellung ist ein weiterer Beleg dafür, wie tief die deutsch-französische Aussöhnung mittlerweile verankert ist.
Musée de l’Armée, Hôtel des Invalides, bis 30. Juli. Katalog im Verlag Gallimard, 35 €. Infos unter: www.musee-armee.fr
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