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Cornelius Gurlitts Haus in Salzburg
© dpa-bildfunk

Neues zum Fall Gurlitt: Cornelius Gurlitt tritt an die Öffentlichkeit - und eröffnet eine Website

Rückgabeanspruche? Höchstens bei drei Prozent aus dieser Sammlung: Die Anwälte von Cornelius Gurlitt gehen in die Offensive und verteidigen dessen Haltung.

Der Fall Gurlitt nimmt nochmals eine neue Wendung. Schon letzte Woche, nachdem 60 Bilder aus dem seit Jahren verlassenen Salzburger Haus des 81-Jährigen mit seiner Zustimmung abgeholt und von seinen Anwälten an geheimem Ort sichergestellt worden waren, hatte sich Cornelius Gurlitt über seine Kanzlei an die Öffentlichkeit gewandt und seine Haltung zu erklären versucht. Eine Woche später nun macht er den nächsten Schritt: Seit Montag ist eine Website (www.gurlitt.info) freigeschaltet, die den ganzen Vorgang aus seiner Sicht darlegt, ja mehr noch: die Deutungshoheit zu gewinnen sucht, nachdem Gurlitt seit dem spektakulären „Schwabinger Kunstfund“, des „bösgläubigen“ Besitzes von Raub- und Beutekunst verdächtigt wurde

Wochenlang hielt sich der Erbe des umstrittenen Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt, der unter den Nationalsozialisten seinen Geschäften nachging und sich eine exquisite Sammlung zulegte, verborgen. Nicht einmal für die Augsburger Staatsanwaltschaft war er erreichbar, die wegen Steuerhinterziehung gegen ihn ermittelt. Assistiert von seinen Anwälten und dem ihm zugewiesenen Betreuer ändert der alte Herr nun seine Strategie und wählt die direkte Ansprache. „Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kunstinteressierte,“ schreibt er auf dem Eingangsportal der Website. „So viel ist in den vergangenen Wochen und Monaten passiert und passiert noch immer. Ich habe nur mit meinen Bildern leben wollen, in Frieden und Ruhe.“

Die scheinbar arglosen Worte stehen unter dem Foto eines weißhaarigen älteren Herrn in tadellosem Anzug, das aber nicht Cornelius Gurlitt darstellt, sondern ein Senior-Fotomodel, das offensichtlich als Ausweis der Seriosität des gesamten Unterfangens und der Münchner Kanzlei dienen soll. Da manches von dem, was über seine Sammlung und ihn berichtet worden sei, nicht stimme, wolle er die Diskussion um seine Person und die Sammlung versachlichen, schreibt Gurlitt weiter.

"Ich habe nur mit meinen Bildern leben wollen, in Frieden und Ruhe", so Gurlitt

Ein kluger Schritt, möchte man meinen, wenn nicht erneut Verwirrung gestiftet würde. Denn nun recherchieren zwei Parteien: Die von der Augsburger Staatsanwaltschaft eingeschaltete Taskforce „Schwabinger Kunstfund“ hat sich die knapp 1200 konfiszierten Werke aus der Münchner Wohnung des Kunsthändlersohns vorgenommen. Ein nicht näher genanntes Team wurde nun zusätzlich von Gurlitts Anwälten eingesetzt, um die Provenienz der 60 österreichischen Werke zu klären. Wie schon in einer fast unmittelbar nach dem Abtransport der Salzburger Bilder herausgegebenen Pressemitteilung der Kanzlei heißt es nun erneut, dass sich keine einzige Übereinstimmung mit Suchmeldungen in Verlustregistern ergeben habe. Man will weiter prüfen.

Über den Schwabinger Teil seiner Sammlung wird angegeben, dass nur für 3 Prozent nachvollziehbare Rückgabeansprüche von Erben jüdischer Verfolgter geltend gemacht werden. Konkret handele es sich um die Familien Rosenberg, Friedmann, Glaser und Littmann, genannt werden „Femme assise“ von Matisse und „Zwei Reiter am Strand“ von Liebermann. Die Anwälte fordern die Rückgabe der Sammlung durch die Behörden an Gurlitt. Erst dann wäre er bereit, eine faire und gerechte Lösung mit den Anspruchstellern auszuarbeiten, „wo es moralisch geboten ist“

Das klingt wie Hohn, nachdem in den letzten Monaten bekannt wurde, unter welchen Umständen sein Vater die Sammlung zusammentrug. So akquirierte er in Paris und den besetzten Gebieten für das „Führer-Museum“ in Linz im Windschatten der deutschen Truppen. In nüchternen Juristen-Worten steht es dann klipp und klar unter der zunächst so liebenswürdigen Anrede Gurlitts, zur Steigerung des persönlichen Appeals mit einer krakeligen Unterschrift signiert: Durchsetzbare Ansprüche gebe es nicht, das Bürgerliche Gesetzbuch sehe eine Verjährung nach 30 Jahren vor, mithin habe er das Eigentum erworben. Außerdem sei Gurlitt überzeugt gewesen, heißt es weiter, dass die Sammlung im Wesentlichen aus sogenannter „entarteter Kunst“ aus öffentlichen Museen bestehe. Als wenn das die Sache im Nachhinein besser machen würde. Ansprüche öffentlicher Häuser pariert Gurlitt sofort: Er sei gerne bereit, Rückkaufangebote von Museen gewissenhaft zu prüfen, so sie dem Marktwert des Werks entsprechen. Er will also weiter Geschäfte machen.

Die Gurlitt-Webseite hält mit den Ambivalenzen der Causa nicht hinter den Berg. So werden 36 Fragen über Gurlitts Gesundheitszustand, seine Betreuung, die Möglichkeit einer Anklageerhebung aufgeführt und – meist eher ausweichend – beantwortet. Interessant aber ist das Statement der Kanzlei zu ähnlich gelagerten Fällen. So erklären die Anwälte mit einer gewissen Süffisanz, dass es mit Sicherheit in vielen Privatsammlungen noch sehr viel Raubkunst gebe: „Quantitativ dürften die privaten und öffentlichen Sammlungen wesentlich mehr Raubkunst-Verdachtsfälle enthalten als bei Cornelius Gurlitt.“ Wenn die Diskussion der vergangenen Monate eine Erkenntnis gebracht hat, dann gewiss diese. Sie von Gurlitts Anwälten noch einmal eingeschenkt zu bekommen, dürfte gerade für die Provenienzforschung bitter sein. So lässt sich die Kanzlei auch zum Thema Verlängerung der Verjährungsfrist fiktiv befragen. Hier heißt es erwartungsgemäß: keine Stellungnahme. Ein Schritt vor, zwei zurück.

Nicola Kuhn

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