Deutsches Zentrum für Kulturgutverluste in Magdeburg: Bund treibt Suche nach NS-Raubkunst voran
Länder und Kommunen lassen sich vom Bund nur ungern in Sachen Kultur reinreden. Bei der Suche nach NS-Raubkunst wollen jetzt aber alle an einem Strang ziehen.
Der spektakuläre Schwabinger Kunstfund vor einem Jahr hat düstere Gefühle wachgerufen. Vor allem im Ausland gab es Befürchtungen, Deutschland gehe immer noch zu nachlässig mit seiner NS-Vergangenheit um. Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Roland S. Lauder, warf der Bundesrepublik gar schwere Versäumnisse bei der Suche nach gestohlener Kunst aus jüdischem Besitz vor. Im November 2013 war bekanntgeworden, dass beim Kunsthändlersohn Cornelius Gurlitt in München-Schwabing Hunderte Bilder gefunden worden waren. Bei etlichen könnte es sich um Raubkunst handeln.
Mit dem jetzt beschlossenen „Deutschen Zentrum Kulturgutverluste“ wollen Bund, Länder und Kommunen ein gemeinsames Signal setzen. In Magdeburg sollen die bisher zersplitterten Aktivitäten zur Herkunftsforschung unter einem Dach gebündelt und ausgebaut werden. Nach dem Bundeskabinett in Berlin gab am Freitag auch die Kultusministerkonferenz der Bundesländer nach einer Sitzung in Essen grünes Licht. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sprach als Initiatorin des Projekts von einem „Meilenstein“.
In 60 Prozent der Museen besteht NS-Raubkunstverdacht
Tatsächlich ist der Nachholbedarf noch groß. Nach einer Untersuchung des Berliner Instituts für Museumsforschung vom Herbst 2013 gibt es in 60 Prozent der Museen Bestände, die auf NS-Raubkunstverdacht hin untersucht werden müssten. Aber nur zehn Prozent der Häuser haben sich bisher mit dem Thema beschäftigt. „Es ist schlicht unerträglich, dass fast 70 Jahre nach dem Sieg über den Nazi-Terror in vielen deutschen Museen immer noch verdächtige NS-Raubkunst lagert“, sagte Grütters der Nachrichtenagentur dpa.
Die Nazis hatten schon von früh an jüdische Kunstsammler beraubt, enteignet und unter Druck zum Verkauf ihrer hochkarätigen Sammlungen gezwungen, oft zu Spottpreisen. Nach dem Krieg gaben die westlichen Alliierten mehr als eine Million Kunstwerke an die ursprünglichen Eigentümer zurück. Eine kaum schätzbare Zahl von Bildern, Büchern und Skulpturen blieb jedoch bei unrechtmäßigen privaten Eigentümern oder landete über oft verschlungene Umwege in deutschen Museen. Nach der „Washingtoner Konferenz“ von 1998 hatten sich Bund, Länder und Kommunen in einer gemeinsamen Erklärung verpflichtet, die Suche nach NS-Raubkunst aktiv zu betreiben, Verdachtsfälle offenzulegen und gegebenenfalls mit den rechtmäßigen Besitzern oder ihren Erben eine „gerechte und faire Lösung“ zu finden.
Magdeburg hat die Datenbank "Lost Art" aufgebaut
Die dafür eingerichtete Koordinierungsstelle in Magdeburg hat seither die Datenbank „Lost Art“ aufgebaut, in der inzwischen mehr als 29 000 verdächtige Werke aus öffentlichem Besitz stehen. Zugleich wurden nach Einschätzung der Magdeburger Experten in diesem Zeitraum rund 12 200 Objekte zurückgegeben. Seit 2008 unterstützt zudem die Arbeitsstelle für Provenienzforschung in Berlin zahlreiche Museen in 150 Rechercheprojekten bei der Klärung von Zweifelsfällen.
Bis Ende des Jahres sollen die beiden Institutionen nun an einem neuen Dienstsitz in Magdeburg zusammengefasst und mit weiteren Aktivitäten wie der Task Force zum Münchner Kunstfund vernetzt werden. Das Personal wird von 14 auf 20 Mitarbeiter aufgestockt, zudem soll die Stiftung mit den vielen freien Provenienzforschern vor Ort zusammenarbeiten. Im kommenden Jahr will Grütters die Mittel für die Herkunftsforschung insgesamt von 4 auf 6 Millionen Euro erhöhen.
Kleine Schritte, wichtiges Statement
Alles keine Riesenschritte. Aber dass sich Bund, Länder und Kommunen in vergleichsweise kurzer Zeit auf dieses Gemeinschaftsprojekt verständigt haben, ist angesichts der sonstigen Nickeligkeiten im deutschen Kulturföderalismus alles andere als selbstverständlich.
Als Präsidentin der Kultusministerkonferenz sagte Nordrhein-Westfalens Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne), das beweise den Stellenwert, den alle politisch Verantwortlichen der Aufarbeitung des beispiellosen NS-Kunstraubes noch heute beimessen. (dpa)