Schauspieler Georg Friedrich: Böser Bube, lieber Typ
Georg Friedrich ist eigentlich auf Schurken und Nebenrollen abonniert. In „Aloys“ spielt er erstmals eine Hauptrolle - und zeigt sich introvertiert.
Er ist der fiese Ösi vom Dienst: die Stimme so nölig wie die Barthaare schütter. Die Augen so kalt wie die Gesichtszüge kantig. Seit mehr als 30 Jahren ist Georg Friedrich auf Strizzis, Prolls und Sonderlinge abonniert. Und doch steht nicht viel zu lesen über ihn. Obwohl er doch Stammgast in den Filmen von Haneke, Murnberger oder Seidl ist und von Detlev Buck bis Barbara Albert bei allen gespielt hat. Und obwohl er doch ständig zu sehen ist. Jüngst erst in der deutschen Fernsehserien-Antwort auf „Breaking Bad“, genannt „Morgen hör ich auf“ mit Bastian Pastewka. Zukünftig in Nicolette Krebitz’ Spielfilm „Wild“, der nicht auf der Berlinale, sondern auf dem Sundance Filmfestival Premiere feierte und im April ins Kino kommt. Und gegenwärtig auf der Berlinale in „Aloys“, dem Spielfilmdebüt des für seinen Kurzfilm „René“ 2008 in Locarno mit dem Goldenen Leoparden ausgezeichneten Schweizer Regisseurs Tobias Nölle.
In dem wenigen, was über Georg Friedrich zu lesen steht, wird der harte Kerl als wortkarger Interviewverächter beschrieben. Als einer, der einen Totenkopfring am Finger und Tattoos auf der Haut trägt, also in jeder Hinsicht Ähnlichkeit mit seinen Filmbösewichtern hat. Da kann die Begegnung ja heiter werden! Zum Glück ist „Aloys“ formal bestechend und erzählerisch ambitioniert. Muss man gar nicht flunkern, falls er nach Lob fragt. Es ist ein Film, der in puristisch wohlkomponierten Cinemascope-Bildern von einer surrealen Atmosphäre lebt und sich kein bisschen für dynamische Handlung interessiert.
Der liebste Typ der Welt
Aloys ist frisch verwaist. Der Vater und er betrieben in Arbeits- und Lebenssymbiose ein Detektivbüro in einer anonymen Wohnsiedlung, das er nun alleine weiterführt. Sein Gespensterleben besteht aus dem Observieren anderer mit der Videokamera. Als die samt Bändern gestohlen und er selbst gefilmt und damit sichtbar gemacht und noch dazu von einer Frau (Tilde von Overbeck) telefonisch erpresst wird, beginnt ein Raum und Zeit überwindendes Fantasiespiel. Ein Ohrenkontakt, der zu einer scheuen Romanze in Traum und Wirklichkeit wird. Anfangs aber bewegt sich Aloys eckig, verweigert Kontakt, redet nur, wenn er muss, und spricht Frauen mit „Fräulein“ an.
Das zumindest macht Georg Friedrich schon mal nicht, als er da so im gelben Anorak vor dem Ritz Carlton in Berlin steht. Das Leinenhemd knittert, der goldene Totenkopfring blinkt, im linken Ohrläppchen zwackt ein hohles Piercing, unter echten Kerlen Fleischtunnel genannt. Doch das Böse aus Austria, es trägt ein schüchternes Lächeln im Gesicht. Und schon einen Pfefferminztee später ist klar: Georg Friedrich beißt nicht. Ja, mehr noch, er ist nicht nur ein Guter, sondern auch ein ganz Lieber. Sagt auch sein Regisseur Tobias Nölle, der sich auf Bitten seines Hauptdarstellers ein wenig dazugesellt. Er habe ihn schon wegen der Physiognomie besetzt, aber gegen den Willen der Produzenten, die Friedrich als „zu hart“ ablehnten. „Dann lernten wir uns kennen und er entpuppte sich als der liebste Typ der Welt, ich habe mich richtig erschrocken.“ Na bitte, der Macht der Bilder erliegt selbst ein Bilderschöpfer, der in „Aloys“ genau diese hinterfragt. So jedenfalls ist der Nebenrollen-König zu seiner ersten Hauptrolle gekommen, in der er wirklich jede Einstellung trägt.
"Das ist ja furchtbar, wenn so einer gespielt aussieht"
So langsam gewöhnt sich der 1966 geborene und schon mit 14 Jahren zur Schauspielerei gekommene Wiener auch daran. „Hauptrollen spielen ist gar nicht so undankbar“, sinniert er. Zwar habe man mehr Verantwortung, bekäme aber immer den besten Take. So was wäre ihm vor einiger Zeit nicht über die Lippen gekommen. „Ich habe die Nebenrollen immer gern gemacht. Es gibt viele davon, und sie strengen nicht so an.“
Der introvertierte Aloys mit seiner extrem kontrollierten Physis war eine Herausforderung für Friedrich, der sonst häufig nervöse Aggressionsbolzen spielt. „Ich bin sehr streng mit mir und finde selten, dass mir was gut gelingt.“ Und gerade so eine Rolle sei ein Risiko. „Das ist ja furchtbar, wenn so einer gespielt und nicht natürlich aussieht.“ Deswegen ist er auch gespannt auf die Premiere am 16. Februar und mag noch keinerlei Qualitätsurteil abgeben – weil er den Film noch gar nicht kennt.
Ohne Castorf ist die Einzigartigkeit der Volksbühne dahin!
Außer zahllosen Film- und Fernsehrollen spielt Friedrich übrigens auch Theater, am liebsten an der Volksbühne. Dort hat ihn 2004 sein Stammregisseur Ulrich Seidl eingeführt. Ein paar Jahre später besetzte ihn dann Frank Castorf in „Emil und die Detektive“, seither ist er immer wieder in Castorf-Inszenierungen dabei, aktuell in Dostojewskis „Der Spieler“. Auch für die „Brüder Karamasov“ war er vorgesehen. „Aber da konnte ich nicht proben, weil’s der Mama schlecht ging. Sie hatte ALS und war drei Jahre am Sterben.“
Also muss der Sechsstünder ohne den guten Sohn auskommen. Der ist ein dankbarer Verehrer des scheidenden Volksbühnenintendanten. „Er ist ein Genie. Ich gehe aus jeder Produktion darstellerisch und sprachlich stärker raus.“ Traurig macht ihn, dass die Berliner nicht mehr wissen, was sie an der Volksbühne haben. „Da arbeitet ein Schlag Menschen, die man so nirgends findet. Weil sie verrückt sind, Alkoholiker oder schwierig als Persönlichkeit.“ Die dürften dort auch einfach so sein. „Ich sage immer, die Behindertenrate ist hoch an der Volksbühne, aber das ist schön so, das macht das Theater so einzigartig!“ Ohne Castorf sei das dann für immer dahin. Nun ist es passiert. Georg Friedrich hat sich in Rage geredet. Richtig wütend sieht er aus. Wie sonst im Film.
16.2., 21.30 Uhr (Zoo-Palast 1); 17.2., 13 Uhr (Cinemaxx 7); 18.2., 17 Uhr (Cubix 9); 21.2., 20 Uhr (International)