Armin Stern im Kunsthaus Dahlem: Blick in die Ferne
Frankfurt, Jerusalem, New York: Das Kunsthaus Dahlem zeigt Werke des jüdischen Malers Armin Stern, der 1933 vor den Nazis floh.
Noch wird das Huhn ruhig im Arm gehalten. Doch wer das Sühneritual Kapparot am Tag vor dem jüdischen Feiertag Jom Kippur kennt, weiß: Mit der Ruhe ist es gleich vorbei. Traditionell wird das Tier über dem Kopf im Kreis geschleudert, um anschließend getötet und geschlachtet zu werden.
Armin Stern hat diesen Ritus in den 1930er Jahren während seiner Palästina- Reise in Jerusalem in mehreren Gemälden festgehalten. Nicht alle davon sind erhalten, die Schleuderszene ist in den USA eingelagert. Der vorgeschaltete Moment der Ruhe jedoch ist derzeit mit etwa 30 anderen Bildern des Malers im Kunsthaus Dahlem zu sehen. Noch bis zum 12. März läuft dort die Ausstellung „Armin Stern – Zionist, Grenzgänger, Kosmopolit“, nach 1945 die erste Ausstellung zu dem Künstler überhaupt.
Warme Farben als Markenzeichen
Schon sein besagtes „Porträt eines jemenitischen Juden mit Huhn“ aus dem Jahr 1934 zeigt ihn dabei als akkuraten Porträtmaler. Sofort fallen die Augen des Porträtierten auf, die mit einem sehr klaren Ausdruck in die Ferne blicken. Hart sind sie nicht, wie überhaupt keine von Armin Sterns Linien. Akzente setzt er durch kräftige Farben. Wie etwa in einem Bildnis seiner Frau Toni Stern, die er vor einen dunkelroten Hintergrund setzt. Oder auch bei den Hautfarben seiner Dargestellten: der blässliche Teint eines jungen armen Mädchens, die wettergegerbte Haut eines Fischers oder die gesunde Gesichtsfarbe von Emil Ludwig, einem Juristen und Schriftsteller aus Ascona.
Die warmen Farben waren eines seiner Markenzeichen, genauso wie das Genre des Porträts. Versucht er sich zunächst in Selbstdarstellungen, fängt er bald Personen des öffentlichen Lebens ein. Albert Einstein etwa oder Thomas Mann sind im Kunsthaus Dahlem als Federzeichnungen zu sehen. Wenn ihn ein Motiv besonders interessiert, dekliniert er es durch die verschiedenen Techniken: Öl, Aquarell, Radierung, Zeichnung und Monotypie.
So geschehen etwa in dem Bild „Talmud-Schüler“ von 1934, eines der bekanntesten Bilder Sterns. Entstanden in Jerusalem zeigt es einen unbekannten Juden, dessen Gesichtszeichnung sehr weich, um Augen und Lippen fast schon weiblich ist. Das Judentum ist eines der großen Themen Armin Sterns. Besonders während seiner Reisen vor dem New Yorker Exil lag sein Fokus auf der religiösen Spiritualität.
Er selbst wird als Herman Stern 1883 in Galánta bei Preßburg im damaligen Österreich-Ungarn in eine jüdisch-orthodoxe Familie geboren. Als Stern 17 Jahre alt ist, geht er nach Frankfurt am Main, studiert an der Städelschule Malerei. Ab 1904 auch in München an der Kunstakademie. In seinem letzten Jahr besucht er die Malerklasse von Franz von Stuck, der unter anderem auch Wassily Kandinsky oder Paul Klee unterrichtete.
Stern hat Talent, er bekommt Stipendien, seinen Vornamen ändert er in Armin und signiert damit fortan seine Werke. Er verbringt mehrere Jahre in Paris, knüpft Kontakte zu Pariser Zionisten und ist begeistert vom französischen Impressionismus. Ein spätes Werk von ihm, das auch in der Dahlemer Ausstellung zu sehen ist, zeugt noch davon. „Long Island“ ist zwischen 1940 und 1944 entstanden und zeigt eine Landschaft in pastelliger Strichführung. Sein Malstil wird schließlich eine Mischung aus Impressionismus, Expressionismus und Neuer Sachlichkeit. Land- und Stadtansichten finden sich einige in seinem Werk. Seine Hafenbilder aus der Bretagne etwa, die ähnlich wie seine Portraits auch, das einfache Leben der Fischer zeigen.
Stern flieht 1933 vor den Nazis
Diese malt Stern mit krummem Rücken neben schiefgelegten Booten und abgeknickter Laterne. Auch in Israel hält er viele Eindrücke fest: Gläubige an der Klagemauer oder das Marktleben in Jerusalem, das Grab eines Rabbiners, Synagogenansichten. Eines seiner eindrücklichsten Werke ist jedoch in den USA angesiedelt: „Luna Park auf Coney Island“ heißt das Bild von 1939. Rot dominiert darauf. In den kleinen Spitzdächern der Türmchen, an den Fassaden und in Herzdekorationen. Auch das Kleid einer Frau, die fast in der Menschengruppe verschwindet, schimmert rot. Die restlichen Kleider leuchten in gelb, blau oder grün. Die Fröhlichkeit, die dieses Bild ausstrahlt, überrascht vor allem deswegen, weil Stern zur Entstehungszeit schon im Exil ist.
1933 muss er vor den Nationalsozialisten fliehen. Seine Werke werden ab 1937 in Museen beschlagnahmt. Schon 1933 wird er durch den Frankfurter Kunstverein von der geplanten Ausstellung „Deutsche Kunst der Gegenwart“ verbannt. Auch davon erzählt die Schau, an Hand von zeithistorischen Dokumenten. In einem Schreiben des Vereins vom 25. April 1933 heißt es „Da die überwiegende Mehrheit der Ausstellungskommission sich gegen eine Mitwirkung nichtarischer Künstler erklärt hat, bitten wir sie höflichst, um Peinlichkeiten zu vermeiden, von einer Beschickung der Ausstellung absehen zu wollen.“ Darunter ist eine Notiz von Sterns Ehefrau Toni zu lesen.
Viele Werke verschollen
Auf seiner Flucht geht Stern zunächst zurück nach Bratislava, muss aber bald erneut fliehen als dort die Nationalsozialisten ebenfalls an die Macht kommen. 1938 gelingt die Übersetzung mit seiner Familie nach New York. Stern kann dort mehrfach ausstellen – seine Geschwister bleiben jedoch in der Slowakei. Sie werden nach Auschwitz und Birkenau deportiert, fast niemand überlebt. Stern selbst stirbt kurz nach seiner Einbürgerung 1944 auf einer Malreise in Gloucester. Auf Grund von Sterns Vertreibung sind viele seiner Werke verschollen – umso wertvoller ist die kleine Sammlung des Dahlemer Kunsthauses.
Kunsthaus Dahlem, bis 12. März, Käuzchensteig 8, Mi-Mo 11-17 Uhr
Sarah Kugler
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