Wie die FPÖ Österreich verändert: Bis zur Heimholung Südtirols
Österreich steht Kopf: Touristen sind willkommen, Flüchtlinge nicht. Der Kanzler ist zurückgetreten, ein möglicher Bundespräsident trägt ein altes Nazi-Symbol am Revers. Und dann geht es auch noch um Registrierkassen.
Ob jetzt noch alles gut wird in Österreich? Seit Donnerstag hat das Land nach dem Rücktritt von Werner Faymann wieder einen designierten Bundeskanzler. Der SPÖ-Parteivorstand hat sich auf einen erfolgreichen Manager geeinigt, der aus der Sozialdemokratie in die Wirtschaft gewechselt ist und jetzt zurück in die Politik geht. Christian Kern, bisher Generaldirektor der Österreichischen Bundesbahn, wird nächste Woche sein Amt als SPÖ-Parteichef antreten und plant auch eine Regierungsumbildung.
Der entscheidendere, Österreich vermutlich sehr ins Blau-Dunkle rückende Termin ist der 22. Mai, die Stichwahl des Bundespräsidenten. Es treten an: Norbert Hofer von der rechten FPÖ mit 35 Prozent im ersten Wahlgang, dahinter der favorisierte Grüne Alexander van der Bellen mit 22 Prozent. Die Kandidaten der regierenden Sozial- und Christdemokraten landeten abgeschlagen bei je knapp über 10 Prozent und sind nicht mehr dabei.
Es wird vor allem eine Protestwahl sein – nur dass der Wirtschaftsprofessor und langjährige Grünen-Vorsitzende van der Bellen kein Mann für Protestwähler ist. Die Grünen koalieren in einigen Bundesländern mit den Schwarzen, in Wien mit den Roten. In Wien leben viele Migranten. Da lag van der Bellen im ersten Wahlgang vor Hofer. Van der Bellen war zudem in Graz Erster, in Innsbruck, in St. Anton am Arlberg und im Kaunertal, wo er herkommt. Oder besser: Wo er hingekommen ist als Flüchtlingskind mit den Eltern aus Estland. Auch in Vorarlberg wird er wohl die Stichwahl gewinnen. Aber sonst?
Außerhalb der Städte, in den Landgemeinden, lässt sich noch gut Angst haben vor den Asylbewerbern, die uns den Fernsehabend verderben. In Tirol haben zwei Drittel der Gemeinden noch keinen einzigen Flüchtling beherbergt. Und besonders zahlreich Hofer gewählt. Dafür floriert der Fremdenverkehr. Verkehrte Welt. Bei den Landtagswahlen in Oberösterreich hat die FPÖ in jenen Orten, in denen Flüchtlinge untergebracht sind, meist schlechter abgeschnitten als in solchen ohne.
Bis in die Diktion wiederholt die Hofer-FPÖ die Demagogik Jörg Haiders
Im Unterstützungskomitee für van der Bellen haben sich inzwischen über tausend Leute eingeschrieben. Künstlerinnen, Burgschauspielerinnen, Musiker, Dichter, Denker, Biobauern, Winzer, Ärzte. André Heller ist dabei, der Oscar-Preisträger Christoph Waltz, ein ehemaliger EU-Kommissar, der Ex-Vizekanzler Josef Pröll, Bürgermeister, Sozialdemokraten, Banker und sogar ein leibhaftiger früherer Generalsekretär der FPÖ. FPÖ-Kandidat Norbert Hofer hat dagegen nur einen einzigen Promi als Unterstützer gefunden, den Stratosphärenspringer Felix Baumgartner. Dieser wohnt zur Steueroptimierung in der Schweiz und schimpft von dort auf Asylanten und die Idioten in der Regierung.
Was sagt Hofer zu dieser Ungleichheit? Der Konkurrent habe die Hautevolee auf seiner Seite, er aber die Menschen im Land. Hofer hat viel vor. „Ich werde als Präsident ein Schutzherr für Österreich sein.“ Letzthin hat seine Partei in den Printmedien inseriert: „Norbert Hofer. Nur ER will das Bargeld erhalten. Die STIMME der VERNUNFT“. Bis in die Diktion wird die erfolgreiche Demagogik des verunfallten Jörg Haider wiederholt. Das groß geschriebene ER, die direkte Ansprache, „Aufstehen für Österreich“, „Deine Heimat braucht Dich jetzt“.
Hofer ist auch Ehrenmitglied einer rechten, deutschnationalen Burschenschaft. Wie andere FPÖ-Mandatare trägt er sogar bei offiziellen Gelegenheiten die Kornblume am Revers, das Erkennungszeichen der illegalen Nazis vor 1938. Hofer trägt sie nur wegen der blauen Farbe, der FPÖ-Parteifarbe, sagt er. Dafür vertritt er als Autor des „Handbuchs freiheitlicher Politik“ rechtsextreme Positionen. Als Kandidat distanziert sich Hofer von den Identitären, einer neu-rechten Gruppierung, die kürzlich die Aufführung eines Elfriede-Jelinek-Stücks gestört hat. FPÖ-Parteichef HC Strache unterstützt die Identitären, Funktionäre machen sich mit ihnen gemein, Hofer will mit ihnen nichts zu tun haben. Der eine Rechte weiß halt nicht, was der andere tut.
Wie wär's, den Zaun am Brenner unter Strom zu setzen?
Aktuelle Umfragen sehen Hofer vor van der Bellen. Das will was heißen. FPÖ-Wähler halten sich nämlich gerne bedeckt. Sie sind aber leicht daran zu erkennen, dass sie sich darüber aufregen, wenn sich das Ausland „einmischt“ und die Vorgänge in Österreich besorgt kommentiert. Das war schon bei Haider so, noch früher bei Waldheim. Das geht das Ausland nichts an. Wir wählen, wen wir wollen, auch wenn wir nicht immer verraten, wen. Das Ausland schimpft über uns. Das mögen wir nicht. Wir schimpfen lieber über die Ausländer. Nein, nicht über die Fremden. So heißen nämlich hierzulande die Touristen. Diesen Fremdenverkehr haben wir gerne.
Ist doch wahr: Wir haben die Schnauze voll von der Regierung. Die holt die Flüchtlinge herein, 90.000 waren es 2015. Sie bekommen neue Handys und die Mindestsicherung, sie vergewaltigen und stehlen. Und auch die Unternehmer, vor allem die Wirte, sind wütend auf die Regierung. Wer ehrliche Arbeit leistet, bekommt alles weggenommen. Die Regierung hat nämlich die Registrierkassenpflicht eingeführt. Seit erstem Mai ist es mit der Toleranz vorbei, jetzt wird bestraft. Jetzt müssen auch die Heurigenwirte, Jausenstationäre und Handwerker registrieren, bonieren, nachprüfbare Rechnungen stellen. Das wird der Regierung heimgezahlt! Hofer wählen!
Da nützt es auch nichts mehr, dass die Regierung unter dem Druck von FPÖ, „Kronenzeitung“ und unveröffentlichter Meinung beschlossen hat, an den südlichen Grenzen Zäune aufzustellen. Zwar ist noch nicht die Rede von einer Mauer, da ist Donald Trump Österreich voraus, aber an der Brennergrenze ausgerechnet Südtirol abzuzäunen, das wird hart. Als flankierende Gegenmaßnahme hat Strache wieder mal das Selbstbestimmungsrecht für Südtirol gefordert. Dann könnte nach erfolgter Heimholung der Südtiroler der Zaun weiter nach Süden verlegt werden. Der Alpen-Zaun hätte nicht nur einen Kostenvorteil gegenüber einer Mauer – im Ernstfall könnte er unter schwachen Strom gesetzt werden, das hat schon bei den Kühen auf der Alm geholfen.
Werner Faymann war medial verbraucht
Die etablierten Analog-Medien lügen ja sowieso durch die Bank. Nur die „Kronenzeitung“ schreibt, wie es wirklich zugeht im Land, sie hat eine Million Auflage. Aber sonst erfährt man die Wahrheit eher aus Twitter, Facebook und Blogs wie unzensuriert.at, der aus dem FPÖ-Dunstkreis stammt. Strache hat mehr Follower auf Facebook als alle seine Konkurrenten zusammen. Immer mehr Industrielle unterstützen die FPÖ.
Und was machen die Sozialdemokraten? Versuchen sich zu retten, indem sie dem langjährigen Kanzler Werner Faymann den Rücktritt nahelegten. Er war medial verbraucht, von der Flüchtlingskrise überfordert und versuchte zuletzt vergeblich, es allen recht zu machen. Der Zeitpunkt war auch davon beeinflusst, dass noch der alte Bundespräsident den neuen Kanzler anloben kann, der Sozialdemokrat Heinz Fischer.
Norbert Hofer hat, falls er gewählt wird, der Regierung schon mit Entlassung gedroht, wenn sie das Flüchtlingsproblem nicht in seinem Sinn und in dem der FPÖ löst. Die Verfassung räumt dem Staatsoberhaupt in Österreich deutlich mehr Rechte ein als in Deutschland. Durch ständige Kritik an der designierten Regierung von Christian Kern kann Hofer versuchen, Neuwahlen zu provozieren.
Sozial- und Christdemokraten gemeinsam haben derzeit keine Aussicht auf eine Mehrheit im Parlament. Man muss kein Prophet sein, um sehen können, dass spätestens 2018 die FPÖ mit ihrem Führer HC Strache die Kanzlerpartei im Parlament sein wird und Strache dann selber die Kanzlerschaft beansprucht. Die ÖVP mit dem Jungstar und Außenminister Kurz hat schon angedeutet, in diesem Fall den Koalitionspartner zu geben.
Doch erst mal ist Präsidentschaftswahl, und wenn Hofer gewinnt, wird Österreich sich mehr Richtung Osten orientieren. Mit Ungarn, Tschechien, der Slowakei und Kroatien waren wir ja auch schon in Zeiten der Habsburgermonarchie gut zusammen. Schon jetzt sind die Vertreter Straches gerne auf der Krim und in Tschetschenien unterwegs. Und so wie es „Ungarn zuerst“ heißt, werden wir stramm die Linie „Österreich zuerst“ verfolgen. Viktor Orbán wurde vom Feindbild zum Vorbild – bei Merkel ist es umgekehrt.
Doch neuer Bundeskanzler hin, neuer Bundespräsident her: Was auf jeden Fall bleibt, ist die Registrierkassenpflicht.
Josef Mitterer