Nine Inch Nails in der Zitadelle Spandau: Biest und Bourbon
Bei ihrem einzigen Deutschlandkonzert in Berlin lassen die Nine Inch Nails die Zitadelle Spandau erzittern.
Kreisch! Passend zum Kinostart von Godzilla kehrt auch das Biest zurück, das in den neunziger Jahren den Terror in die Kinderzimmer brachte und damals, vor Marylin Manson und Conchita Wurst, ein großes Idol der verwirrten Jugend war: Trent Reznor hat noch mal Blut geleckt und ist mit seinen wiederbelebten Nine Inch Nails für ein exklusives Deutschlandkonzert in die ausverkaufte Zitadelle gekommen. Niemand war damals nihilistischer und todessehnsüchtiger als Reznor, der bereits 1989 mit seinem Debüt „Pretty Hate Machine“ die Selbstzerstörung und den Teenage-Fatalismus von Bands wie Joy Division, Killing Joke oder Foetus auf Blockbuster-Niveau gebracht hatte. Dabei konnte es ihm nie fies genug sein: 1994 mietete er das Haus, in dem Sharon Tate von der Manson-Familie ermordet wurde, um dort das Konzeptalbum „The Downward Spiral“ einzuspielen, auf dem auch die von Johnny Cash geadelte Selbstverletzungs-Hymne „Hurt“ enthalten ist, bis heute der Höhepunkt von Reznors Werk. Obwohl der Mann über 30 Millionen Alben verkaufen und diverse Grammys sowie einen Oscar für den Soundtrack zum Facebook-Drama „The Social Network“ einheimsen konnte, ist der Respekt, der ihm entgegengebracht wird, heute nicht mehr so selbstverständlich und tief empfunden wie in den neunziger Jahren. Was freilich vor allem daran liegt, das man es sich auch anderswo schön dunkel und beklemmend machen kann.
Nine Inch Nails zeigen eine perfekt durchkomponierte High-Tech-Show
Zumal sich jede Kritik verbietet, wenn man sieht, wie beherzt Reznor mit seinen drei Mitstreitern das Publikum an den Ohren nimmt. Mit einem milden Lächeln tritt der zweifache Vater ans Mikro, erhebt sich aus einer geil brodelnden Brühe und geht mit enormer Vitalität auf das Publikum los. Mit harten Gitarren, Blubberbässen, Wummerdrums und Maschinenbeats, mit einer zähen Mischung aus zackigem Elektrofunk und pathetisch-schmusigem Emo-Bombast. Dieser Sound hat nicht mehr die pubertäre Gefährlichkeit der frühen Jahre, klingt aber manchmal noch immer so, als hätte man Depeche Mode mit Nirvana gekreuzt und das blutverschmierte Mixtape bei voller Lautstärke in einen Ghettoblaster gelegt. Ein gewaltiges Stroboskopgewitter verstärkt den sensorischen Input, bis die Netzhaut glimmt.
Nine Inch Nails zeigen eine perfekt durchkomponierte High-Tech-Show mit Titeln aus dem aktuellen Album und natürlich etlichen alten Klopperhymnen wie „Sanctified“, „March of the Pigs“, „Wish“ oder „Head Like a Hole“. Die Zitadelle wird da zur Zitterdelle, und nach zwei Stunden kommt mit dem fragilen „Hurt“ als obligater Schlussnummer der alte Gänsehautexistenzialismus nochmals voll zur Geltung – begeistert mitgesungen von einem Publikum, das überwiegend Schwarz trägt und an vielen Stellen mit Ringen durchbohrt ist: Nur Stämme überleben. Und dann kommt Godzilla.
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