"Godzilla"-Remake: Auferstanden zum Ruinieren
Gareth Edwards' „Godzilla“ hinterlässt eine Spur der Zerstörung in Amerikas Städten und übt sich in Aktuellem: Der Film dockt geschickt an das neue Trauma der Reaktorkatastrophe von Fukushima an. Und beglückt zudem die Monster-Nostalgiker.
Wer in den 60ern oder 70ern Jahren in der westdeutschen Provinz seine ersten Kinoerfahrungen gemacht hat, ist um die Monstershow aus Japan kaum herumgekommen. Die Riesenechse Godzilla und ihre zahlreichen Verwandten bevölkerten die Sonntagnachmittagsvorstellungen in schmuddeligen Schachtelkinos, wo man auf kaugummiverklebten Sesseln mit wohligem Schauder die Städte zertrampelnden Giganten bei ihren destruktiven Leinwandabenteuern bestaunte.
Dabei hatte sich der Charakter des Urviechs im Laufe der Jahre verändert: War der erste „Godzilla“-Film aus dem Jahr 1954 noch eine düstere Aufarbeitung des japanischen Atombomben-Traumas und der Titelheld ein zerstörerisches Ungeheuer, so wurde Godzilla bald zum schlagkräftigen Beschützer der Menschheit gegen so sonderliche Kreaturen wie die Monsterschabe Megalon, die Riesenmotte Mothra oder den dreiköpfigen Drachen Ghidorah. Und selbst wenn man irgendwann ahnte, dass da Menschen in Monsterkostümen durch miniaturisierte Metropolen stapften, tat das dem Vergnügen kaum Abbruch – schließlich war das genau das, was man bei Papas Modelleisenbahn auch mal gern gemacht hätte.
Nach Emmerichs "Godzilla"-Flop macht das neue Remake vieles richtig
Irgendwann war die Popcorn-Karriere der Japanmonster aber vorbei. Spätestens mit dem Aufkommen tricktechnisch überzeugenderer Fantasywelten wie "Star Wars" hatten die Pappmachékulissen ausgedient. Auch der Subtext der atomaren Paranoia konnte in den 80ern nicht mehr glaubhaft vermittelt werden (was japanische Studios nicht daran hinderte, weiter Godzilla-Filme zu produzieren).
Nachdem Steven Spielbergs „Jurassic Park“ (1993) eine neue Generation von jugendlichen Kinobesuchern für Dinosaurier begeistern konnte, versuchte sich Roland Emmerich 1998 an einem Godzilla- Remake – und machte fast alles falsch. Nicht nur dass seine computeranimierte Riesenechse zu agil für ein 50-Meter-Biest war, auch Emmerichs Sympathie für das Militärische wirkte fehl am Platz.
2014, nachdem die Science-Fiction-Welt mit "Avatar" und 3-D in neue Sphären vorgestoßen ist, ist Godzilla erneut am Start. Und diesmal passt es wieder. Der Film dockt geschickt an das neue Trauma der Reaktorkatastrophe von Fukushima an, ohne das Thema allzu spekulativ auszuschlachten. Der brillante Vorspann deutet die pazifischen Atombombentests der Nachkriegsjahre als Versuch um, ein versehentlich gewecktes Urzeitmonster zu töten.
Fast 50 Jahre danach wird ein japanisches Atomkraftwerk durch Erdstöße zerstört. Bei dem Unglück verliert der Atomphysiker Brody (Bryan Cranston, Hauptdarsteller der Erfolgsserie "Breaking Bad") seine Frau (Juliette Binoche). 15 Jahre später ist er ein verbittertes Wrack, das nicht an die natürliche Ursache der Katastrophe glauben will. Mit seinem widerwilligen Sohn (Aaron Taylor-Johnson) dringt er in das verseuchte Gebiet ein – und entdeckt, dass die Sperrzone nur Tarnung für eine Geheimanlage ist, in der ein mysteriöses Monster-Ei untersucht wird. Aus dem schlüpft ein ekliges Rieseninsekt. Das erweist sich nicht nur als immun gegen das militärische Waffenarsenal und ist heißhungrig auf atomare Sprengköpfe, sondern macht sich auch gen San Francisco auf, um sich dort mit seinem aus der Gegenrichtung heranstampfenden weiblichen Widerpart zu paaren. Gar nicht gut.
Teil 2: Wie 160 Millionen Dollar Produktionskosten in eine Monster-Orgie verwandelt werden
Da das Militär bei der Monsterbekämpfung schmählich versagt, kann nur noch einer helfen: das an der Spitze aller irdischen Nahrungsketten stehende Raubtier mit Vorliebe für Rieseninsektenpüree. Und so liefert sich Godzilla mit den widerstandsfähigen Kerbtieren eine herzhafte Keilerei, bei der San Francisco dem Erdboden gleichgemacht wird.
Natürlich ist das an den Haaren herbeigezogener Mumpitz. Und man braucht schon ein schlichtes Gemüt, um die zahllosen physikalischen oder biologischen Unwahrscheinlichkeiten gnädig zu übersehen und sich an dem schieren Spektakel einer konsequenten Zerstörungsorgie zu ergötzen. Dass man genau dies kann, verdankt sich vor allem der Art und Weise, wie die überwältigenden Spezialeffekte eingesetzt werden. Der britische Regisseur Gareth Edwards hatte schon in seinem Kinodebüt „Monsters“ (2010) ein glückliches Händchen für das Genre Monsterfilm bewiesen. Mit einem minimalen Budget von 500 000 Dollar erschuf er das Szenario einer von außerirdischen Ungeheuern bewohnten Quarantänezone in Mexiko – beängstigend gerade deshalb, weil man die titelgebenden Monster kaum zu sehen bekommt.
Der neue (digitale) Godzilla ist eine bewusste Hommage an das Gummikostüm von einst
Das ist bei „Godzilla“ selbstredend anders. 160 Millionen Dollar Produktionskosten wollen gezeigt werden. Wie Kartenhäuser einstürzende Wolkenkratzer, ein Tsunami auf Hawaii, eine Schneise der Verwüstung durch Las Vegas: Den Auswirkungen der Monsterauftritte wurde viel Sorgfalt gewidmet. Was erst recht für die Ungeheuer selbst gilt. Die Rieseninsekten wirken gleichzeitig schwerfällig und filigran. Godzilla dagegen erinnert mit seinen Stampferbeinen, dem tonnenförmigen Rumpf und dem vergleichsweise kleinen Kopf ironischerweise wieder an einen Schauspieler, der in einem (perfekten) Monsterkostüm steckt.
Zweifellos eine beabsichtigte Referenz an das Original, die bis in die markerschütternden Schreie und die Bewegungsabläufe reicht. Hier hat man gut daran getan, die bei einer Größe von über 100 Metern (es musste natürlich der größte Godzilla der Filmgeschichte sein) anfallende Körpermasse von vielen tausend Tonnen auch als solche wirken zu lassen, in all ihrer Trägheit und Schwerfälligkeit – die sich im Wasser überraschend auflöst, wenn der Koloss elegant unter einem Flugzeugträger hinwegtaucht.
Nicht alles im Film gelingt - aber die Monster-Nostalgie gewinnt
Dass Aaron Taylor-Johnson ein reichlich hölzerner Held bleibt, dass gestandene Mimen wie „Breaking Bad“-Star Bryan Cranston oder Juliette Binoche unterfordert sind und nach getaner Arbeit umstandslos entsorgt werden, dass Japan-Star Ken Watanabe etwas zu offensichtlich mit Blick auf den fernöstlichen Markt gecastet wurde, dass die Filmmusik von Alexandre Desplat nie an die verstörend-exotische Magie der Scores des japanischen Godzilla-Stammkomponisten Akira Ifukube heranreicht, selbst den Kitsch von gleich mehreren Familienzusammenführungen im Angesicht der Katastrophe: All das nimmt man gern in Kauf für einen Film, der bei älteren Besuchern Erinnerungen an die unschuldige Kinomagie ihrer Kindheit wachrufen wird. Keine Ahnung, ob die Jüngeren das verstehen werden – Modelleisenbahnen gibt es schließlich auch kaum noch.
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