Ballet of Difference in München: Bewusst anders
Famose Tänzer, aber etwas wagemutiger könnte die Truppe schon sein: Debüt von Richard Siegals neuer Kompanie Ballet of Difference in München.
Der Mann hat eine Mission. „Ballet of Difference“ nennt der US-amerikanische Choreograf Richard Siegal seine neu gegründete Münchner Kompanie, die sich als Gegenentwurf zu den etablierten Ballettcompagnien versteht. Siegal tanzte von 1997 bis 2004 bei William Forsythe in Frankfurt. Er will das Ballett in die Zukunft führen und verbindet dies mit einem Bekenntnis zur Vielfalt.
Nun ist Diversität fast schon Mainstream im Tanz. In jeder Ballettcompagnie finden sich heute Tänzer unterschiedlicher Herkunft und sexueller Orientierung. Warum sich das noch groß auf die Fahnen schreiben? Siegals Anspruch ist aber ein anderer: Er will inhaltlich und ästhetisch Funken schlagen aus der Vielfalt. Sein Konzept kommt an: Die Mittel, die das BoD aus der Münchner Optionsförderung für Tanz erhält, konnten aufgestockt werden durch eine Partnerschaft mit dem Schauspiel Köln.
Die Erwartungen waren jedenfalls hoch, als das BoD mit einem dreiteiligen Tanzabend das Münchner Festival „Dance“ eröffnete. Das erste Stück „BoD“ ist eine rasante Ballett-Extravaganza. Die Tänzer werden durch die aufblasbaren Kostüm-Elemente von Becca McCharren in asymmetrische Körperskulpturen verwandelt. Bravour und Coolness: mühelos wechseln sie von virtuosen Ballettfiguren in sexy Posen. Und auch Elemente aus ethnischen Tanzstilen werden integriert. Siegal betont die Individualität seiner Tänzer. Besonders einfallsreich sind aber die Duette, wo die Ballerina schon mal resolut verbogen und durch die Luft katapultiert wird.
Tänzer in schreiend bunten Unisex-Kostümen
Dann der Absturz: In „Excerpts of a Future Work on the Subjects of Chelsea Manning“ wird das private Drama des Whistleblowers, der sich in der Haft einer Geschlechtsumwandlung unterzog, als gespreiztes Ausdrucksballett dargeboten. Navarra Novy Williams und Diego Tortelli in Chiffon-Draperien verzehren sich nach dem anderen Geschlecht. Joaquim de Santana als schwarzer Priester nimmt eine Art Weihe vor mit den Gendernauten. Bieder wirkt dieses Trio. Auch der progressive Gender-Diskurs bewahrt nicht vor Ausrutschern.
„Pop HD“ ist eine überarbeitete Version des Balletts „My Generation“, das Richard Siegal für die 2015 aufgelöste New Yorker Cedar Lake Dance Company kreiert hat. Die Tänzer in schreiend bunten Unisex-Kostümen von Bernhard Wilhelm legen sich mächtig ins Zeug. Ballett mit Pop-Appeal – das macht Spaß, wirkt aber auch ein bisschen glatt. Herausragend ist Gaststar Ebony Williams, die ihre Afro-Zöpfe schüttelt und Ballerinen-Power mit lässigen Moves verbindet.
Trotz der famosen Tänzer: Rundum überzeugend war dieser erste Auftritt des Ballet of Difference nicht. Viel Wert wurde auf einen angesagten Look gelegt, sogar eine Stylistin wurde engagiert. Etwas wagemutiger und unangepasster könnte die Truppe aber schon sein.
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