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Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) bei der Vorstellung des Buches "Wachgeküsst. 20 Jahre neue Kulturpolitik des Bundes 1998 - 2018" in der Akademie der Künste.
© dpa/Christoph Soeder

20 Jahre Kulturpolitik des Bundes: Berlin liegt am Meer

Von Michael Naumann bis Monika Grütters: Seit nunmehr 20 Jahren leistet sich der Bund Kulturstaatsminister. Zum Jubiläum erscheint ein 500-Seiten-Wälzer. Ein Tusch.

"Kultur ist, in einem Satz, die schönste Form politischer Freiheit in einer demokratisch verfassten Gesellschaft“, sagte Kulturstaatsminister Nummer eins bei seiner Jungfernrede, seinerzeit im Bonner Bundestag. Klingt gut, immer noch. Es war die Regierung Schröder, die mit Michael Naumann erstmals einen Beauftragten des Bundes für Kultur und Medien installierte – 20 Jahre ist das jetzt her.

„Erst 20 Jahre und schon so ein dickes Buch“, ruft Naumanns Nach-Nach-Nach-Nachfolgerin Monika Grütters bei der Vorstellung des Geburtstagsbuchs „Wachgeküsst“ in der Berliner Akademie der Künste. 500 Seiten fasst der vom Deutschen Kulturrat herausgegebene Band mit über 70 Beiträgen. Klar, Bundeskulturpolitik ist eine gewichtige Sache. Aber muss es, mit Verlaub, derart dröges Augenpulver sein, eng gedruckt, bildlos, winzige Fußnoten?
Kulturrats-Geschäftsführer Olaf Zimmermann – übrigens noch länger im Job, als das höchste Kulturamt der Nation existiert – versucht es mit Selbstironie und preist die beiden Lesebändchen als Innovation an, knatschgelb und kardinalslila. Das klappt zwar nicht ganz, aber egal, heute wird mal nicht gemeckert. Schon gar nicht über die zwar profunden, aber bei aller Leidenschaft im Buchtitel doch eher weniger unterhaltsamen Beiträge, in denen Behördenmitarbeiter, Kulturschaffende oder auch die kulturpolitischen Sprecher von CDU bis Grünen zu Wort kommen, einschließlich AfD. Heute wird einfach mal gratuliert.

Die Länder, vor allem Bayern, waren strikt dagegen, jetzt herrscht Frieden

Glückwunsch also zur Aufwertung und Verankerung der Kultur im Bewusstsein der Nation. Zur Budgetsteigerung von 1,5 Milliarden Mark auf jetzt 1,8 Milliarden Euro. Zur Befriedung des ewigen Bund-Länder-Zoffs, Stichwort „Kulturhoheit ist Verfassungsfolklore“. Heute würde kein Bayer mehr sagen, Bundeskulturpolitik sei so überflüssig wie ein Marineministerium für die Schweiz. Nicht doch, Herr Zehetmair, Berlin liegt am Meer.

Glückwunsch auch an die Amtsträger selbst. An die Quereinsteiger, den als Paradiesvogel belächelten „Eisbrecher“ Naumann, den Philosophen Julian Nida-Rümelin als „Navigator“ und Gründer der Bundeskulturstiftung, die Literaturwissenschaftlerin Christina Weiss als Retterin der Berliner Opern (indem sie per Hauptstadtkulturvertrag etwa die Akademie der Künste unter die Bundesfittiche nahm), an Bernd Neumann als ersten Profi im Amt mit besonderer Liebe zum Film. Und an Monika Grütters, die streitlustige Überzeugungstäterin seit 2013.
Der Festakt samt Kanzlerin findet übrigens Ende Oktober im Schloss statt. Auf der Baustelle. Kultur ist, in einem Satz, ja auch niemals fertig.

Christiane Peitz

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