zum Hauptinhalt
Nachdenklichkeit und Durchsetzungskraft. Monika Grütters zeigt klare Kante.
© imago/CommonLens

Bilanz der Amtszeit von Monika Grütters: Im Bund mit der Musik

Eine Überzeugungstäterin: Monika Grütters will weitermachen als Kulturstaatsministerin. In ihrer Amtszeit hat sie eine Menge bewegt.

Sie kann verdammt stur sein. Und zäh. Manche nennen es auch Ungeduld. Für eine Bilanz ihrer vier Jahre als Kulturstaatsministerin nimmt sich Monika Grütters in diesen Tagen weniger Zeit als für die Diskussion der Baustellen. Dazu gehören das Mammutprojekt einer Strukturreform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Intendanz des Humboldt-Forums nach der Eröffnung des Schlosses und das Projekt eines zentralen Filmhauses in Berlin.

Als erster Kulturstaatsminister verlieh bereits Michael Naumann (SPD) dem Posten eine kräftige Portion Esprit, verfügte als Außenseiter im Politikbetrieb aber über wenig Durchsetzungskraft. Grütters vereint Programmatik und Pragmatik; der Gegensatz zu ihrem unmittelbaren Vorgänger und CDU-Parteikollegen Bernd Neumann könnte kaum größer sein. Der saß acht Jahre als Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien in dem schönen Büro mit Weitblick hoch oben im Kanzleramt, wo auch Grütters gern ihre Gäste empfängt.

Neumann beherrschte die Kunst des Kompromisses, suchte den Konsens. Er schaute, wohin der Hase läuft, und machte sich dann diese Richtung zu eigen. Grütters tickt anders. Seit Beginn ihrer Amtszeit im Dezember 2013 verfolgt die 55-Jährige eine eigene Agenda, bezieht Stellung, agitiert, argumentiert, mischt sich ein.

200 Millionen für das Museum der Moderne

Eine Überzeugungstäterin. Wer je mit ihr zu tun hatte, weiß, wie schnell und viel sie reden kann, ohne je den Faden zu verlieren. Jüngstes Beispiel: der neue Hauptstadtfinanzierungsvertrag. Da hatte sich Monika Grütters in den Kopf gesetzt, dass der Bund sich auch in der Musikhauptstadt engagieren solle. Mit Erfolg: Zum 1. Januar 2018 steigt der Bund bei den Berliner Philharmonikern ein und stärkt die Opernstiftung.

Weil die Münsteraner Germanistin und Kunsthistorikerin ihre politische Karriere an der Spree gemacht hat, fürchteten viele, dass sie sich vor allem für die Berliner Belange einsetzen würde. Und es stimmt ja auch: Den Coup von 200 Millionen Euro für das Museum der Moderne stemmte sie gemeinsam mit den Haushalts-Koalitionären Rüdiger Kruse (CDU) und Johannes Kahrs (SPD). Zwei Kulturpolitiker hinter den Kulissen, die ihr gelegentlich in die Quere kommen. Etwa wenn sie mal eben Gelder für die Wiedererrichtung der historischen Kolonnaden anstelle des Einheitsdenkmals auf dem Berliner Schlossplatz lockermachen, obwohl das Denkmal längst beschlossen ist. Das Parlament musste nachbessern, auch weil Grütters das Einheitsdenkmal nie sonderlich mochte. Das ist eines der wenigen Themen, bei denen sie eher auf Tauchstation blieb.

Gewinnerbeitrag der Schweizer Herzog & de Meuron,
So oder so ähnlich wird das Museum des 20. Jahrhunderts aussehen. Der Gewinnerbeitrag der Schweizer Herzog & de Meuron, die auch schon die Hamburger Elbphilharmonie entwarfen.
© Herzog & de Meuron Basel Ltd., Basel, Schweiz mit Vogt Landschaftsarchitekten AG, Zürich/Berlin

Aber nicht nur in Berlin spielt die Musik. Grütters unternahm mehrere Theaterreisen in die strukturschwachen Bundesländer, lobte einen Preis für Stadttheater aus und budgetiert Förderprogramme für darbende Orchester in der Fläche, dieser Tage allein mit 11,1 Millionen Euro für 31 Projekte, darunter in Konstanz, Jena und Bochum.

Seit Dezember 2016 macht sie als Berliner CDU-Landesvorsitzende eher eine unglückliche Figur, handelt oft zögerlich, widersprüchlich. Umso deutlicher ihre Entschlossenheit bei der Kultur, sie ist ihr Terrain, ihre Welt. Von Anfang an wollte sie Staus auflösen, etablierte nach dem Gurlitt-Fund 2015 das Zentrum für Kulturgutverluste in Magdeburg, trieb die Provenienzforschung voran und will das moralische Bewusstsein nicht nur bei der Restitution von NS-Raubkunst schärfen, sondern auch bei der Kolonialvergangenheit. Vielen geht das zu langsam, Grütters’ Ungeduld kann da nicht schaden.

Streit um das neue Kulturgutschutzgesetz

Die heftigste Auseinandersetzung ihrer Amtszeit galt ebenfalls einer moralischen Frage, der nach dem Wert der Kunst. Weil sie mit einem neuen Kulturgutschutzgesetz den illegalen Antikenhandel unterbinden und den Export von national wertvollen Werken erschweren wollte, lief der Kunsthandel Sturm. Georg Baselitz und Gerhard Richter drohten mit der Entfernung ihrer Bilder aus Museen, der einflussreiche ehemalige Kunsthändler Bernd Schultz schimpfte, niemand schade der deutschen Kultur so sehr wie Monika Grütters. Sie bot ihren Widersachern die Stirn, schimpfte ihrerseits über unverantwortliche Panikmache, diskutierte unermüdlich und setzte sich durch. 2016 wurde das leicht nachgebesserte Gesetz ratifiziert.

Auch in der Filmbranche machte sie sich zunächst wenig Freunde. Anders als Bernd Neumann wollte sie weniger die Quantität der deutschen Filme steigern als die Qualität. Die großen Produzenten hörten das nicht gerne. Inzwischen wurde Frieden geschlossen. Die Bundesgelder für kulturelle Filmförderung wurden auf jährlich 25 Millionen Euro verfünffacht, auch der beliebte Wirtschaftsfördertopf des DFFF für Großproduktionen wurde aufgestockt, auf mittlerweile 75 Millionen Euro. Nur bei der überfälligen Rettung des Filmerbes gelang es Grütters bislang nicht, die Länder zur Kooperation zu bewegen. Aber allmählich kommt Bewegung in die vertrackte Lage.

„Versöhnung des Politischen mit dem Ästhetischen“

Ihre wichtigste Personalentscheidung: die Gründungsintendanz des Humboldt- Forums. Der mächtige Tanker Stiftung Preußischer Kulturbesitz wähnte das Schloss mit den außereuropäischen Sammlungen schon ganz sein eigen. Mit Rückendeckung der Kanzlerin holte die Kulturstaatsministerin Neil MacGregor vom British Museum nach Berlin, installierte ein Triumvirat mit MacGregor an der Spitze, SPK-Chef Hermann Parzinger und dem Kunsthistoriker Horst Bredekamp. Zu viele Chefs, zumal auch Berlin zu den Schlossnutzern gehört?

Da will Monika Grütters ran, sollte sie nach der Wahl am 24. September weitermachen können. Auch bei der Stiftung Flucht, Vertreibung und Versöhnung bewies sie Geschick, ernannte Gundula Bavendamm zur Leiterin und beendete den Schlingerkurs der Institution, die lange vom Bund der Vertriebenen dominiert wurde. Mit dem Thema Migration soll das 2019 hoffentlich eröffnete Haus in die Mitte der Gesellschaft rücken.

Wie geht's weiter beim Humboldt-Forum? Die Baustelle im Juni 2017.
Wie geht's weiter beim Humboldt-Forum? Die Baustelle im Juni 2017.
© Kitty Kleist-Heinrich

Kulturpolitik geht nicht ohne Eleganz, vor allem nicht ohne Intellektualität. Auch daran hat man sich bei Monika Grütters gewöhnt: dass Politikerauftritte bei Festivaleröffnungen und Preisverleihungen nicht bieder oder peinlich ausfallen. „Die Versöhnung des Politischen mit dem Ästhetischen ist mir ein echtes Herzensanliegen“, hat sie 2014 bei ihrer Marbacher Schiller-Rede bekannt. Mit ästhetischen Mitteln das gesellschaftliche Bewusstsein verändern – bei Grütters klingt das nicht nach Sonntagsrede. Auch nicht, wenn die Wertkonservative und bekennende Katholikin Kanzlerin Merkel bei ihrer Flüchtlingskrisen-Devise „Wir schaffen das“ unterstützt oder im Streit um die Ehe für alle bekennt, sie sehe zwar einen Unterschied zwischen Mann und Frau und gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften. Aber es sei eine „christliche Botschaft der Nächstenliebe, das Verbindende über das Trennende zu stellen“. Die Sache der Frauen macht sich Grütters ebenfalls gerne zu eigen. Den Frauenanteil in der eigenen Behörde erhöhte sie ebenso wie etwa in den Gremien der Filmförderanstalt. Der prominent besetzte Kulturfrauengipfel im Sommer im Kanzleramt erschöpfte sich allerdings in wahlkämpferischer Symbolpolitik: Richtlinien oder Gesetze für mehr Familienfreundlichkeit in Bühnen- und Medienhäusern fordert Grütters nicht.

Fast 1,7 Milliarden für die Kultur

Und das liebe Geld? In der reichen Kulturnation Deutschland kommt es fast einem Automatismus gleich, dass der Kulturetat stetig steigt. Fast 1,7 Milliarden Euro werden es 2018 sein. Das klingt gewaltig, aber lassen wir die Kunst im Dorf: Es entspricht einem halben Prozent des Gesamtetats. Daran kann auch Grütters nichts ändern.

Bleibt sie im Amt? Grütters hat bei der CDU einen sicheren Listenplatz, aber wer weiß schon, bei welcher Regierungskoalition nach der Wahl welche Posten wie verteilt werden. Sollte sie bleiben, wird sie sich um den unbeliebten Siegerentwurf für das Museum der Moderne kümmern müssen, um ein Humboldt-Forum „aus einem Guss“, wie sie es fordert, um die Nachfolge des Berlinale-Chefs Dieter Kosslick, um ein zentrales Exil- Museum. Und, immer wieder, um die Versöhnung von Geld und Geist. Eine Politikerin, die klare Kante zeigt wie Monika Grütters, kann da nicht schaden.

Zur Startseite