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Von links nach rechts: Barrie Kosky, Susanne Moser, Philip Bröking, Klaus Lederer
© Jan Windszus Photography

Die Zukunft der Komischen Oper: Barrie Kosky geht - und bleibt

2022 wird Barrie Kosky seinen Vertrag als Intendant der Komischen Oper auslaufen lassen. Er bleibt dem Haus aber als Regisseur erhalten.

Es ist eine gute, eine zutiefst pragmatische Lösung. Und damit alles andere als spektakulär. Denn in der Wahrnehmung des Publikums wird sich kaum etwas ändern an der Komischen Oper. Barrie Kosky gibt zum Herbst 2022 seinen Intendantenposten auf – und wird zum Hausregisseur. Der bis 2027 zehn Inszenierungen erarbeiten wird mit seinem Ensemble. Das dann allerdings nicht mehr in der Behrenstraße spielen kann, weil das Stammhaus einer Generalsanierung unterzogen wird, sondern dass fünf Jahre lang durch die Stadt ziehen will, von einem ungewöhnlichen Spielort zum anderen.
Ein dauerhaftes Festival soll diese Exil-Periode werden, verspricht Kosky, eine aufregende Zeit, in der man Dinge ausprobieren und Werke spielen kann, die in den normalen Repertoirebetrieb nicht passen. Das Schillertheater, das ja eigentlich zur Interimsbühne werden sollte, will man nur nutzen, um dort zu proben und die Verwaltung unterzubringen.

Kosky bleibt auch nach 2022 präsent

Ästhetisch wird Barrie Kosky, der vielgeliebte Regisseur, die Außenwirkung der Komischen Oper also auch nach 2022 entscheidend prägen, auch wenn er sich Kosky als Vater der Kompanie von den administrativen Aufgaben zurückzieht. Damit die Künstler in der Umbruchphase aber nicht führungslos dastehen, übernehmen zwei Menschen den Chefsessel, die jetzt schon zu seinem Team gehören: Die Österreicherin Susanne Moser, seit 2005 als Geschäftsführerin für alle Geldangelegenheiten zuständig, und Philip Bröking, der als Operndirektor, ebenfalls seit 2005, die Auswahl der Gesangssolisten koordiniert, rücken aus der zweiten Reihe auf und teilen sich dann die Intendanz. Am Donnerstag wurden erst die Mitarbeiter darüber informiert und dann die Journalisten.
„Die beiden sind zwei Säulen, die das Haus erfolgreich machen“, betont Kosky dabei. „Denn die Komische Oper ist ja keine One-Man-Show – Susanne Moser und Philip Bröking machen hier die Knochenarbeit.“ Darum sei die gestern vertraglich fixierte Lösung auch kein Plan B. Sondern ein Garant dafür, dass während der schwierigen Generalsanierungphase Stabilität am Haus herrscht.
225 Millionen Euro, so die aktuelle Schätzung, wird es kosten, den Gebäudekomplex zu sanieren. Erneuerungsbedarf besteht vor allem für die Bereiche „hinter den Kulissen“, also für das Bühnenhaus sowie den Plattenbau Unter den Linden, in dem die Büros untergebracht sind. Die Publikumsbereiche wurden ja bereits in den vergangenen Jahren überholt, von der eleganten Umgestaltung der Foyers durch den Architekten Stefan Braunfels über die neue Saal-Bestuhlung mit der Übertitelanlage in den Sitzlehnen bis hin zu den Toiletten.
Viel ließen sich die Verantwortlichen nicht über die Pläne entlocken. Immerhin verriet Kosky, dass auf der Freifläche an der Glinkastraße ein neues Gebäude entstehen wird, das Probenräumen und Künstlergarderoben Platz bietet.

"Die Liebe meines Lebens" nennt Bröking die Komische Oper

Mit Lob geradezu überschüttet wurde Kultursenator Klaus Lederer vom Noch- Intendanten. Nie habe ein Kulturpolitiker seine Ideen so ernst genommen, schwärmte Kosky. Und noch nie habe sich ein Senator mit so viel Vorlauf um die Planungen gekümmert. So manche bittere Erfahrung, die sein Intendantenkollege Jürgen Flimm an der Staatsoper machen musste, werde man darum zu vermeiden wissen.
Das hofft auch der Senator, dessen Hauptsorge derzeit allerdings eine andere Berliner Bühne ist, wie ein zweifacher freud’scher Versprecher zeigte, als Lederer die Komische Oper meinte, aber jeweils „Volksbühne“ sagte.
Als „Liebe seines Lebens“ bezeichnete Philip Bröking das vor 72 Jahren von Walter Felsenstein gegründete Musiktheater: „Die Arbeitsweise und die Philosophie hier sind einzigartig!“ Darum sei er auch seit nunmehr schon 12 Jahren der Komischen Oper treu. So nötig wie Sauerstoff sei dieses Haus auch für ihn, stimmte Barrie Kosky ein. Als man ihm 2017 für die Leitung der Bayerischen Staatsoper gewinnen wollte, habe er das als große Ehre empfunden. Doch sein Instinkt sagte ihm damals: It’s not for you.

Die Last der Gesamtverantwortung wird von Koskys Schultern genommen

Denn er sei nun einmal Berliner. Und ein Komischeoperianer. Weil er aber zugleich auch ein „Besessener“ sei, der nur mit 120-prozentiger Energie arbeiten könne, müsse er 2022 nach dann zehn intensiven Jahren die Last der Gesamtverantwortung für das Haus und seine Mitarbeiter von seinen Schultern nehmen. Denn tolle Inszenierungen herauszubringen ist nur das Sahnehäubchen im Arbeitsalltag eines Intendanten. Den größten Teil der Zeit verbringt auch ein Opernchef am Schreibtisch oder in Sitzungen, wo er sich mit Fragen herumschlägt, die nur bedingt mit Kunst zu tun haben, aber geklärt werden müssen, damit Kunst entstehen kann.

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